Anzeige
Im Ulmer Münster werden in diesem Jahr die Heiligen Drei Könige an der Krippe fehlen. Die dortige Darstellung des dunkelhäutigen Königs gilt als rassistisch. Sind dunkelhäutige Krippenfiguren diskriminierend? Und was heißt das für die Krippen zu Hause? Das haben wir Anja Schöne gefragt. Sie leitet das Museum Relígio in Telgte, dessen wohl bekannteste Ausstellung die jährliche Krippenausstellung ist.
Frau Schöne, ist die Darstellung eines Königs mit dunkler Hautfarbe an Krippen rassistisch oder diskriminierend?
Nein, nicht grundsätzlich. Die aktuelle Diskussion dreht sich ja um eine ganz konkrete Figur an der Krippe des evangelischen Ulmer Münsters. Die Figur finde ich allerdings problematisch. Sie ist stark überzeichnet und spielt mit Klischees des angeblich einfältigen dunkelhäutigen Menschen. Auch andere Figuren, auf die die Ulmer Gemeinde selbst hinweist, zielen in eine ähnlich problematische Richtung – zum Beispiel der schwarze Junge, der einem König die Schleppe des Gewandes trägt. Solche Figuren zeugen nicht von einem respektvollen Umgang mit farbigen Menschen. Es gibt aber in vielen anderen Krippen sehr wohl gelungene Dreikönigsfiguren.
Wie bewerten Sie die Debatte?
Ich denke, man muss sie vor dem Hintergrund von Ereignissen in diesem Jahr sehen, zum Beispiel die tödliche Polizeigewalt gegen den dunkelhäutigen George Floyd in den USA, die daraus entstandene Bewegung „Black Lives Matter“ oder die Diskussion über „Blackfacing“, also das Schwarz-Schminken von Gesichtern. Das waren sicherlich Impulse für die Entscheidung in Ulm. Insgesamt ist die Gesellschaft wohl sensibler geworden, da hat sich Bewusstsein verändert. Hinzu kommen die Emotionen, die Menschen mit Krippen verbinden. Da geht es um Kindheitserinnerungen, um traditionelles Brauchtum, um kulturelles Erbe. In Zeiten einer schwindenden Volkskirche kann es zudem sein, dass manche Menschen Angriffe zum Beispiel auf die Krippe als eine Art Bedrohung empfinden.
Wie kann und soll jede und jeder Einzelne mit der Figur des dunkelhäutigen Königs in der eigenen Krippe umgehen?
Die Figuren der eigenen Krippe sind zunächst einmal etwas Privates, sie werden – im Vergleich zu Krippen in Kirchen oder Ausstellungen – eher im kleinen Kreis betrachtet. Darum kann jede und jeder Einzelne selbst entscheiden: „Kann ich damit gut leben?“ Ich denke, dass eine große Mehrheit an den eigenen Krippenfiguren festhalten wird und das auch guten Gewissens kann. Und wer Bedenken hat, der kann ja einzelne Figuren ersetzen, wenn sich dieselbe oder eine ähnliche Machart finden lässt.