Fünf Menschen berichten über ihre Erfahrungen

Erleben Sie Rassismus in Deutschland, in der Gemeinde?

Rassismus ist nicht erst seit dem Tod von George Floyd ein Thema. Es ist auch nicht nur ein Thema in den USA. Kirche-und-Leben.de hat fünf Frauen und Männer nach ihren Erfahrungen gefragt - auch in Gemeinden des Bistums Münster.

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Rassismus ist nicht erst seit dem Tod von George Floyd ein Thema. Es ist auch nicht nur ein Thema in den USA. Kirche-und-Leben.de hat fünf Frauen und Männer nach ihren Erfahrungen gefragt - auch in Gemeinden des Bistums Münster.

 

Yvonne Makopa aus Hamm

 

„Man sucht sich seine Hautfarbe nicht aus“, sagt Yvonne Chipo Makopa, die aus Simbabwe stammt, vor 15 Jahren zum Studium nach Deutschland kam und bei der Stadtverwaltung Hamm arbeitet. Das Wort „Neger“ hört sie aber immer wieder. Oder Fragen wie: „Woher kommt du wirklich?“ „Auch mein Sohn muss sich in der Schule dumme Sprüche anhören.“ Wie „Nadelstiche“ seien solche Erlebnisse, so die 35-Jährige. „Irgendwann sind es so viele, dass der Schmerz unerträglich wird.“ Darauf bereitet sie auch ihren Sohn vor: „Ich sage ihm: Du musst stark sein.“

In der Afrikanischen Katholischen Gemeinde Hamm sind solche Erfahrungen kaum Thema: „Das erlebt jeder. Darüber reden wir fast nie, weil es so normal ist.“

Der Tod des Afroamerikaners George Floyd durch Polizeigewalt hat Yvonne Makopa erschüttert: „Da verliert ein Mensch sein Leben, in aller Öffentlichkeit.“ Dann erst kam ihr der Gedanke, dass ein Schwarzer betroffen ist: „Mir ist wieder klar geworden: Das passiert immer noch. Das wird nicht aufhören.“ | Jens Joest

 

Pfarrer Xavier Muppala aus Schermbeck

 

Pfarrer Xavier Muppala aus Schermbeck ist in Indien geboren. Seit 2013 ist er am Niederrhein. „Schermbeck ist mein Zuhause“, sagt er. „Die Menschen behandeln mich wie ein Familienmitglied. Sie sind freundlich und begegnen mir mit großem Respekt. Sie machen keinen Unterschied zwischen mir als indischem Priester und einem deutschen Seelsorger.“

In seiner Heimat dagegen habe er vielfach erlebt, dass die Zugehörigkeit zu einer Kaste oder einer sozialen Schicht Menschen ausgrenzt. Manche Menschen dürften beispielsweise bestimmte Tempel oder Restaurants nicht betreten oder nicht alle Berufe ergreifen. In Deutschland könnten die Menschen ihr Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten.

Sicher gebe es auch in Deutschland rassistische Konflikte. Gründe dafür seien aber vor allem finanzielle Sorgen, religiöse Zugehörigkeit oder andere kulturelle Hintergründe. Oft sei die Angst auschlaggebend, die eigene kulturelle Identität zu verlieren. Dass es Gewalttaten gebe, sei sehr schmerzhaft. „Die Politik muss solche Taten verhindern“, sagt Muppala. Deutschland unternehme viel, um gegen diese Täter vorzugehen. Doch diesen strukturellen Rassismus wie in Indien kann er in Deutschland nicht erkennen. | Jürgen Kappel

 

Annaliza Oltmanns aus Oldenburg

 

Annaliza Oltmanns (45) stammt von den Philippinen, lebt seit 2011 in Deutschland und hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie ist Sozialassistentin und arbeitet in einem Kindergarten.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit gemacht?

Als mein Mann, ein Einheimischer, und ich einmal in der Stadt waren, bin ich in ein Bekleidungsgeschäft gegangen und habe „Moin“ gesagt. Es hat aber keine der Verkäuferinnen meine Begrüßung erwidert. Kurze Zeit später kam mein Mann nach und sagte auch „Moin“. Sein Gruß wurde sofort mit „Moin“ erwidert. Auch beim Einkaufen ist es mir an der Kasse passiert, dass eine Kassiererin zu einer Einheimischen sehr nett war. Aber als ich dran war, war sie sehr unfreundlich.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit in der Pfarrgemeinde gemacht? 

In St. Marien habe ich noch keine Diskriminierung erlebt. Obwohl ich Ausländerin war, bin ich in den Pfarreirat gewählt, dort herzlich aufgenommen und immer fair behandelt worden.

Was können Menschen und Gemeinden gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit tun?

Da ich im Kindergarten arbeite, habe ich verschiedene Kulturen von Familien durch ihre Kinder beobachtet. Ein Kind wollte einmal nicht mit einem dunkelhäutigen spielen. Da kann ich nur sagen, dass die Familien bei sich zu Hause anfangen müssen, indem sie den Kindern erklären, dass es viele verschiedene Menschen in dieser Welt mit verschiedenen Hautfarben gibt. Sie sollten die Kinder damit vertraut machen. Die Deutschen müssen auch die ausländischen Menschen wahrnehmen und respektieren. In der Pfarrgemeinde ist es anders. In St. Marien fühlen wir ausländische Menschen uns wohl. Da gibt es verschiedene Aktivitäten, und wir feiern natürlich auch Gottesdienste, bei denen verschiedene Kulturen dabei sind. | Interview: Franz Josef Scheeben

 

Stella Bensmann aus Münster

 

„Es war ein Schock“, sagt Stella Bensmann über den Moment, als sie von George Floyds Tod in den USA erfuhr. „So etwas darf einfach in unserer Zeit nicht mehr passieren! Es darf nicht sein, dass Menschen sich immer noch bedroht fühlen, nur weil ein Mensch eine andere Hautfarbe hat.“ Es steckt viel Wut und Überzeugung zugleich in der Stimme der 15-Jährigen. Sie ist eine waschechte Münsteranerin, ihr Vater stammt aus Kamerun. Eigentlich wollte sie im Lauf dieses Jahres für ein paar Wochen in den USA sein, zu einem Austausch. Das hat wegen Corona nicht funktioniert. „Aber jetzt habe ich überlegt: Müsste auch ich Angst haben, wenn ich in den USA wäre?“

Stella spricht von „Alltagsrassismus“ – auch in Münster. „Ich werde ganz oft gefragt: Woher kommst du? Woher kommen deine Eltern? Du sprichst ja schon ganz toll Deutsch!“ Vor ein paar Jahren – „da war ich noch schüchtern“, sagt Stella – habe ein Mädchen auf dem Schulhof mit einer Flasche nach ihr geworfen und gerufen: „Voll ins Schwarze getroffen!“ Damals habe sie gar nicht darauf reagiert, „das wäre heute definitiv anders!“ Ein anderes Mal, als sie ihre Afro-Haare offen getragen hat, habe jemand in der Schule im Vorbeigehen „Affe“ geraunt. „Das tut echt weh, aber ich versuche, darüber zu stehen.“ Stella will es nicht dabei belassen. „Ich will Menschen aufklären darüber, was rassistisch ist. Die meisten sind es aus purer Unwissenheit. Aber auch die verletzt.“

Wohl gefühlt hat sie sich bei den Messdienern. „Da habe ich nie irgendeinen Spruch gehört.“ | Markus Nolte

 

Pfarrer Ravi Chatta aus Wettringen

 

Ravi Chatta ist seit 2012 in Deutschland. Zurzeit ist der Priester in Wettringen tätig.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit gemacht?

Ich bin seit Oktober 2012 in Deutschland und in dieser Zeit habe ich viele Bundesländer Deutschlands kennengelernt. Gott sei Dank habe ich bis jetzt persönlich keine schlechten Erfahrungen mit dem Rassismus gemacht. Aber wegen meiner Hautfarbe wollten wohl einige Mitreisende in Bahn oder Bus nicht neben mir sitzen oder sich mit mir unterhalten. Ich glaube, Deutsche sind Fremden oder Menschen mit anderer Hautfarbe gegenüber eher zurückhaltend und unsicher. Direkte Fremdenfeindlichkeit habe ich nicht festgestellt.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit in der Kirche gemacht? 

Ich liebe meine pastoralen Tätigkeiten in meiner Kirchengemeinde in Wettringen und erfahre auch sehr viel Wertschätzung und Respekt. Wenn es um das Spenden der Sakramente geht, wollen manche gerne den leitenden Pfarrer dafür haben. Ich glaube aber, das hat nichts mit Rassismus zu tun, sondern mit einer besonderen Beziehung zum leitenden Pfarrer. Im Pastoralteam teilen wir alle Aufgaben gleichmäßig auf. Und wie man so schön sagt: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ Sich zu integrieren und sich einzubringen sind zwei große Aspekte im Gemeindeleben.

Was können Menschen und Gemeinden gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit tun?

Im Grundgesetz heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Man müsste dies unbedingt auch praktizieren und sich an die Regeln halten. Einige kirchliche Strukturen müssten sich ändern. Wir müssten als Kirche mehr mit der Zeit gehen und offen sein für die gesellschaftlichen Probleme und Entwicklungen und Zukunftsperspektiven schaffen. Wir sind als Kirche berufen, eine neue Welt des Friedens und der Gerechtigkeit aufzubauen. Wir sind eingeladen dabei mitzuhelfen, damit diese Welt friedlicher, liebevoller und gerechter wird. | Interview: Marie-Theres Himstedt

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