Caritas-Suchtexpertin im Interview

Soll Cannabis legalisiert werden, Frau Höffmann?

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Soll der Konsum von Cannabis legalisiert werden? Diese Frage erhitzt sowohl bei Politikern als auch Polizei und Suchtexperten immer wieder die Gemüter. Über die Pro- und Contra-Argumente spricht die Leiterin der Cloppenburger Suchtberatungsstelle der Caritas, Verena Höffmann, im Interview.

Die Politik diskutiert mal wieder über die Legalisierung des Cannabis-Konsums. Ist diese Droge in ihrer Arbeit überhaupt ein Thema?

Auf jeden Fall. Die Zahlen sind in den letzten zwei, drei Jahren massiv gestiegen. Und ich will gleich dazu sagen: Cannabis ist nicht ungefährlich.

Also keine Spielerei?

Es greift in die Gehirnstrukturen ein und kann gerade bei jungen Leuten, bei denen die Gehirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, massive Störungen verursachen. Das muss nicht passieren, aber es kann. Die Patienten, die zu uns kommen, leiden in der Tat sehr stark an den Folgen ihrer Cannabis-Abhängigkeit. Die Folgen sind zum Beispiel eine Psychose oder es fällt ihnen schwer, sich zu konzentrieren und aufmerksam zu sein.

Sind das eher jüngere Menschen oder ältere? Eher Männer oder Frauen?

Insgesamt haben wir es bei Cannabis-Konsumenten mehr mit Männern zu tun. Und das im Alter von 20 bis 25. Die Betreffenden kommen in der Regel nicht sofort zu uns. Oft dauert es, bis jemand seine Abhängigkeit erkennt und erst dann zu uns findet.

Die Frage ist: Sollte die Politik den Cannabis-Konsum freigeben oder nicht?

Verena Höffmann, LCV Oldenburg
Verena Höffmann ist Suchtexpertin im Landes-Caritasverband Oldenburg. | Foto: Dietmar Kattinger (pd)

Eine Legalisierung in dem Sinne, dass dann alle machen können, was sie wollen, lehne ich deutlich ab. Das würde beispielsweise bedeuten, jeder kann Cannabis anpflanzen - egal in welchem Alter und so weiter. Ich bin fest davon überzeugt, dass das keiner so will. Es geht nicht um eine uneingeschränkte Freiheit.

Sondern?

Was die Bundesdrogenbeauftragte möchte, ist eine Entkriminalisierung. Das würde bedeuten, dass junge Menschen aufgrund eines Cannabis-Konsums keine Straftat begangen haben. Sie möchte, dass das unter eine Ordnungswidrigkeit fällt. Das könnte gelten bis zum Bereich von sechs Gramm Eigenbedarf. Das wäre keine Legalisierung, sondern eine Reglementierung – wie dies beim Alkohol auch der Fall ist: Bis 15 darf ich keinen Alkohol trinken; mit 16 dagegen schon, aber noch nicht jede Art und so weiter.

Können Sie dieser Sechs-Gramm-Regelung zustimmen?

Ich bin vorsichtig, hier eine klare Haltung einzunehmen. Ich könnte dem zustimmen aufgrund des Vorteils, dass es dann eine bundeseinheitliche Regelung geben würde. Die gibt es im Moment nämlich nicht. Geklärt werden müsste aber: Geht es um den Konsum? Den Eigenbedarf? Darf ich dann zu Hause Cannabis anbauen? Wer kontrolliert das? Dass man die bestehende Regelung neu überdenkt, das halte ich grundsätzlich für sehr notwendig.

Wenn die Politik der Sechs-Gramm-Lösung zustimmen würde, hätte das nicht einen verharmlosenden Effekt?

Der könnte in der Tat eintreten. Ich halte es dann für denkbar, wenn jemand das zweite oder dritte Mal auffällt, dass man die Entkriminalisierung kombiniert mit weiteren Maßnahmen, wie zum Beispiel der Verpflichtung zum Gespräch in einer Beratungsstelle.

Es hört sich insgesamt nach einem schwierigen Thema an.

In der Tat! Noch mal: Ich halte es für gut, sich dem Thema neu zu nähern. Denn der jetzige Zustand ist sehr unglücklich: Jugendliche, welche die Auflage erhalten, hier in unsere Beratungsstelle zu kommen, sagen: „Was soll das: Mein Konsum wird groß aufgebauscht, aber die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein?“ Dann könne das Ganze so schlimm nicht sein. Deshalb sollte es neu angegangen werden. Die Polizei, die Beratungsstellen, die Verbände, die Kliniken: Alle Beteiligten sollten dabei gehört werden.

Gibt es auch Argumente für Suchtmittel?

Zunächst: Suchtmittel helfen oftmals kurzfristig tatsächlich. Und es gibt Menschen, die haben Bilder und Gedanken im Kopf oder Erlebnisse in der Seele, die sie ohne Substanzen von außen kaum aushalten. Das kann ich ein Stück weit nachvollziehen. Aber ganz klar: Langfristig helfen Suchtmittel nicht. Die Konsumenten erleiden einen Kontrollverlust. Gesundheitliche Schäden sind die Folge. Ohne Suchtmittel steuere ich mein Leben selbst. Ich habe mich selbst unter Kontrolle. Das bedeutet im Vergleich zum Drogenkonsum eine große Freiheit! Und noch der Hinweis: Umlernen kann ich immer. Ich kann mein Suchtverhalten ändern mit 17, aber auch noch mit 77!

Zur Person: Verena Höffmann ist Dipl.-Sozialarbeiterin/-pädagogin, Sozial-/Suchttherapeutin (VDR) und Trauma-Therapeutin und arbeitet bei der Suchtberatungsstelle in Cloppenburg. 
Die Suchtberatung ist erreichbar unter der Tel. 04471/81673 oder per Mail an suchtberatung(at)suchtberatung-cloppenburg.de.

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