Weg entlang der Aa in Münster soll ihren Namen bekommen

Späte Anerkennung: Schwester Laudeberta leistete Widerstand gegen Nazis

  • Lange Zeit schlummerte die Geschichte über den Widerstand von Schwester Laudeberta gegen das nationalsozialistische Regime im Archiv der Clemensschwestern in Münster.
  • Erst 80 Jahre später erfährt ihr Einsatz für die Menschen mit geistigen und psychischen Behinderungen öffentliche Aufmerksamkeit.
  • Der Weg entlang der münsterschen Aa, den sie damals nahm, um Bischof von Galen über das Euthanasieprogramm des Regimes zu informieren, soll nach ihr benannt werden.

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Lange Zeit war es still um Schwester Laudeberta. Unverständlich still – denn die 1971 verstorbene Clemensschwester war eine Heldin. Während des nationalsozialistischen Regimes setzte sie sich unter Lebensgefahr gegen die geplante Deportation von Menschen mit geistigen und psychischen Behinderungen aus der Provinzheilanstalt Marienthal bei Münster ein. Doch Berühmtheit wie andere Personen im Widerstand jener Zeit erlangte sie bis jetzt kaum. Seit dem vergangenen Jahr hat sich daran etwas geändert. Ihre Taten aus dem Jahr 1941 sind aus unterschiedlichen Gründen auf aktuelles Interesse gestoßen. Nach mehr als 80 Jahre könnte es nun zu einer verspäteten Anerkennung kommen: Eine Straße in Münster soll nach der Schwester benannt werden.

Geplant ist, die Stiege zwischen Überwasserkirche und Petri-Kirche längs der Aa nach Schwester Laudeberta zu benennen. Es muss in etwa jener Weg zur Rückseite des Bischofshauses gewesen sein, den sie im Schutz der nächtlichen Dunkelheit nahm, um den damaligen Bischof Clemens-August Graf von Galen über die Pläne der Nationalsozialisten zu informieren. Über die Geschichte hat „Kirche-und-Leben.de“ bereits im vergangenen Jahr berichtet. Der Antrag auf Namensgebung für den Weg wird derzeit von der Bezirksvertretung Münster-Mitte bearbeitet.

Ein Großneffe liefert neue Informationen

Dieser Weg entlang der Aa in Münster soll nach Schwester Laudeberta benannt werden. Vermutlich nahm sie ihn damals, um den Bischof mit Informationen aus Haus Mariental zu versorgen. | Foto: Michael Bönte
Dieser Weg entlang der Aa in Münster soll nach Schwester Laudeberta benannt werden. Vermutlich nahm sie ihn damals, um den Bischof mit Informationen aus Haus Marienthal zu versorgen. | Foto: Michael Bönte

Dafür hat sich ein breites Bündnis aus Vertretern der Bistumsleitung, des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und der Clemensschwestern stark gemacht. Zudem unterstützt Eduard Hüffer, Honorarkonsul der Niederlande in Deutschland, das Vorhaben. Schwester Laudeberta stammt gebürtig aus dem niederländischen Groenlo. Neue Informationen über sie gab es indes von einem Großneffen aus Glattbach bei Aschaffenburg. Johannes Balthesen hatte sich im vergangenen Jahr in Münster gemeldet, nachdem er sich bei seiner autobiografischen Arbeit an seine Großtante erinnert hatte.

„Ich gebe zu, dass ich das Andenken an sie lange Zeit vernachlässigt habe“, sagt der 73-Jährige. „Familie und Arbeit standen im Vordergrund.“ Seine persönlichen Erinnerungen an sie haben aber nichts an Gehalt verloren. Als Kind und Jugendlicher besuchte er die Schwester regelmäßig in ihrem Konvent in der münsterschen Klinik. Die Charaktereigenschaften „streng und bestimmend“, die ihr von den Mitschwestern nachgesagt wurde, konnte er dabei nicht bestätigen. „Mich hat sie immer ganz liebevoll geknuddelt.“

„Nur über meine Leiche“

Großneffe Johannes Balthesen ist bei Biografie-Arbeiten auf die Geschichte von Schwester Laudeberta gestoßen. | Foto: Michael Bönte
Großneffe Johannes Balthesen ist bei Biografie-Arbeiten auf die Geschichte von Schwester Laudeberta gestoßen. | Foto: Michael Bönte

Eindrucksvolle Bilder hat er vor Augen, wenn er sich an die damalige Zeit erinnert. „Sie sprach nicht oft über die Zeit des Nationalsozialismus – aber dann vehement“, sagt Balthesen. Einmal sei sie aufgestanden, habe sich vor der Tür des Besprechungsraumes aufgebaut und eine damalige Szene nachgestellt. „Mit ausgebreiteten Armen stand sie da und sagte: Nur über meine Leiche kommen Sie an meine Patienten!“ Die Schwester habe ihn mit erhobenem Zeigefinger gemahnt, die damaligen Zeit nie zu vergessen. „Sie sagte, dass Menschen, die so denken wie die Nazis, niemals aussterben würden.“

Schwester Laudeberta erzählte ihm auch, dass sie die Zeit zwischen den Besuchen der Geheimen Staatspolizei nutzte, um mit den Familien jener Patienten zu telefonieren, die abtransportiert werden sollten. „Viele erreicht habe ich nicht“, sagte sie zu Balthesen. „Vielleicht fünf oder sechs.“ Eine Zahl, die der Großenkel relativiert: „Das sind fünf oder sechs Menschenleben, denen sie wahrscheinlich das Leben gerettet hat.“ Viele mehr rettete sie sicherlich über ihre Informationen für Bischof von Galen, der ihre Berichte kurze Zeit später in seinen berühmten Predigten thematisierte. Das Euthanasie-Programm „T4“ der Nationalsozialisten wurde wenige Wochen später formal gestoppt.

Kaum bekannte Ereignisse

Ihr schlichtes Grab auf dem Zentralfriedhof in Münster lässt nichts von der heldenhaften Geschichte Schwester Laudebertas erahnen. | Foto: Michael Bönte
Ihr schlichtes Grab auf dem Zentralfriedhof in Münster lässt nichts von der heldenhaften Geschichte Schwester Laudebertas erahnen. | Foto: Michael Bönte

In die breite Öffentlichkeit aber ging Schwester Laudeberta mit ihren damaligen Taten nie. Ihre Geschichte schlummerte in den Archiven der Clemensschwestern in Münster. Lediglich zwei Schülerarbeiten hatten sich vor mehr als 20 Jahren damit auseinandergesetzt, als sich Markus Köster vom Medienzentrum des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe im vergangenen Jahr intensiver einarbeitete. Der Geschichts-Professor kannte ihren Namen zwar schon lange aus seiner Beschäftigung mit der Psychiatriegeschichte in Münster. Aber erst eine Veröffentlichung im vergangenen Jahr habe das allgemeine Interesse geweckt.

Umso mehr freut es ihn, dass die Auseinandersetzung aktuell so an Fahrt aufgenommen hat. „Es ist schön zu sehen, wie die unterschiedlichen Akteure sich an einen Tisch gesetzt haben, um das Andenken an Schwester Laudeberta wach zu halten.“ Über die lokalen Grenzen hinaus: Auch in den Niederlanden ist bereits in einer Zeitung über sie berichtet worden.