Diözese hält an öffentlicher Einladung zu Missbrauchs-Aufarbeitung fest

Zwei Betroffenengruppen beenden Zusammenarbeit mit Bistum Münster

  • Die Selbsthilfe-Gruppen von Missbrauchsopfern in Rhede und Münster haben die Zusammenarbeit mit dem Bistum Münster bei der Betroffenen-Beteiligung aufgekündigt.
  • Als Grund nennen sie in einer Pressemitteilung nicht eingehaltene Vereinbarungen seitens der Diözese.
  • Das Bistum Münster hält in einer Reaktion an einer unabhängigen Betroffenen-Beteiligung fest und will dazu mit einem öffentlichen Aufruf einladen - und nicht Briefe lediglich an ihm bekannte Betroffene senden.

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Die Selbsthilfe-Gruppen von Missbrauchsopfern in Rhede und Münster haben die Zusammenarbeit mit dem Bistum Münster aufgekündigt. Als Grund nennen sie in einer Pressemitteilung nicht eingehaltene Vereinbarungen seitens der Diözese. Demnach habe das Bistum nicht mehr vor, alle ihm mit Adresse bekannten Betroffenen anzuschreiben und zu einem Vernetzungstreffen einzuladen. Dabei soll über die Mitwirkung von Betroffenen an der Missbrauchs-Aufarbeitung beraten werden.

Antonius Kock und Martin Schmitz als Vertreter der beiden Selbsthilfegruppen werfen dem Bistum nun vor, „nur noch diejenigen, die Interesse an einer Mitarbeit in Bistumsgremien haben, lediglich über einen allgemeinen Presseaufruf einzuladen“. Damit schließe das Bistum einen Teil der Betroffenen aus.

 

Was die Selbsthilfegruppen wollen

 

Schmitz und Kock betonen, die Selbsthilfegruppen verfügten aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht über die Adressen anderer Betroffenen und seien auf die Mithilfe des Bistums angewiesen. Man wolle jedoch alle Betroffenen erreichen und ihnen unabhängig vom Bistum und „mit Mandat und Legitimation“ eine Möglichkeit zur Selbstorganisation geben. So würden auch jene eine Stimme bekommen, „die durch die Missbrauchstaten so verletzt sind, dass sie den Kontakt zur Kirche meiden“.

Zudem werfen die Selbsthilfegruppen dem Bistum vor, nach ihren Einwänden sei „Zeitdruck aufgebaut“ worden. Es seien ihnen letztlich nur noch zwei formulierte Vorgaben zur Auswahl vorgelegt worden. In der ersten seien sie als Mitverfasser eines Aufrufs aufgeführt, insbesondere als Ansprechpartner für „kirchenferne Betroffene“. Die zweite Variante habe eine Organisation ausschließlich über die Interventionsstelle des Bistums vorgesehen.

 

Bistum Münster will unabhängige Beteiligung

 

In einer Reaktion auf die Vorwürfe betont das Bistum Münster in einer eigenen Stellungnahme, es bleibe bei der Grundentscheidung: „Wir möchten eine breite, selbstorganisierte, vom Bistum unabhängige Betroffenenbeteiligung.“ Dazu sei die Diözese nicht zuletzt durch vertragliche Vereinbarung mit dem Missbrauchs-Beauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, verpflichtet.

Aus Gesprächen mit Vertretern der Selbsthilfegruppen in Rhede und Münster sei zudem die Erkenntnis gewachsen, es könne für Betroffene eine Zumutung sein, sich um den Sitz in einem Aufarbeitungs-Gremium formal bewerben zu müssen. „Diesen Hinweis haben wir ernst genommen und möchten ihn umsetzen.“

 

Frings: Folgenreiches Dilemma

 

Über das Verfahren, wie das erreicht werden kann, gebe es gleichwohl unterschiedliche Auffassungen, erklärt Peter Frings, Interventionsbeauftragter des Bistum Münster, laut Mitteilung. Eine öffentliche Ausschreibung sei zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Missbrauchs-Beauftragten der Bundesregierung verbindlich festgelegt worden.

Zudem führe es zu einem „folgenreichen Dilemma“, wenn das Bistum alle ihm bekannten Betroffenen direkt anschreibt: „Es gibt Betroffene, die keine Post vom Bistum erhalten wollen und jeden Kontakt mit der Kirche ablehnen. Wir können diesen Wunsch nicht einfach übergehen“, sagt Frings. Trotzdem sollten diese Betroffenen und deren „legitime Perspektive“ nicht im Vorhinein ausgeschlossen werden. Das hätten auch die Vertreter der Selbsthilfegruppen immer wieder betont.

Frings berichtet von Betroffenen, die - anders als die Selbsthilfegruppen in Rhede und Münster - den vom Bistum Münster eingeschlagenen Weg unterstützten. Sie hätten sich „aus eigenem Antrieb bereits im letzten Jahr gemeldet und sich offen dafür gezeigt, ihre Interessen in die Aufarbeitung einzubringen“.

 

Angebot an Selbsthilfegruppen bleibt bestehen

 

Den Vorwurf, zeitlichen Druck aufgebaut zu haben, weist Frings indes nicht gänzlich zurück: „Wir wollten im Bistum Münster die Betroffenenbeteiligung noch im vergangenen Jahr auf den Weg bringen und damit das umsetzen, was wir bereits im November öffentlich angekündigt hatten.“ Nicht zuletzt aufgrund der Einwände der Selbsthilfegruppen aus Rhede und Münster sei dies auf 2021 verschoben worden. „Wir möchten, wenn möglich, noch im Januar mit Betroffenen überlegen, wie die öffentliche Bekanntmachung unter den genannten Zielsetzungen möglichst wirksam umgesetzt werden kann“, betont Frings.

Weitere Betroffene sollten ihre Perspektiven und Interessen einbringen. Mit Blick nach Rhede und Münster stellt der Interventionsbeauftragte fest: „Das Angebot zur Zusammenarbeit an die beiden Selbsthilfegruppen bleibt bestehen.“

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