„Mehr kann man nicht verlangen.“

Arbeitsrechtler: Neues katholisches Arbeitsrecht ein Befreiungsschlag

  • Arbeitsrechtler Hermann Reichold hat den Entwurf des katholischen Arbeitsrechts gewürdigt.
  • Die bisherige Grundordnung für Kirche und Caritas habe aufgrund möglicher Sanktionierung des Privatlebens verstörend gewirkt.
  • Auch auf die Kritik der Queer-Community ging der Tübinger Wissenschaftler ein.

Anzeige

Der Tübinger Arbeitsrechtler Hermann Reichold hat den Entwurf eines neuen Regelwerks für die fast 800.000 Beschäftigten der katholischen Kirche und der Caritas in Deutschland gewürdigt. „Das ist ein Aufschlag, der sich sehen lassen kann“, sagte Reichold am Donnerstag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur. Die bisherige Grundordnung habe wegen der möglichen Sanktionierung von Privatverhalten „durchaus verstörend gewirkt“.

Dass die Kirche „sozusagen in die Betten ihrer Bediensteten schauen wollte, um gegebenenfalls arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen sie einzuleiten“, habe Irritationen ausgelöst, sagte der Wissenschaftler. „Das ist nun ausgeräumt.“ Zugleich fügte der Experte hinzu, dass es Kündigungen aus solchen Gründen in den zurückliegenden Jahren „faktisch kaum je gegeben hat“. Insofern hole die Theorie „jetzt nur nach, was längst schon in die Praxis Einzug gehalten hat“. 

Kirchenaustritt führt nicht unbedingt zur Kündigung

Zur Kritik aus der katholischen Queer-Community, die neuen Regeln gingen nicht weit genug, sagte Reichold: „Mehr kann man nicht verlangen.“ Die neue Grundordnung enthalte ein klares Bekenntnis zum Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, von dem auch das Geschlecht, die sexuelle Orientierung und Lebensformen erfasst seien. „Das ist eins zu eins das, was auch im weltlichen Arbeitsrecht gilt.“

Zugleich hob der an der Universität Tübingen lehrende Professor hervor, dass es künftig selbst bei Kirchenaustritten keinen Kündigungsautomatismus gebe, sondern einen Ermessensspielraum. Dies sei etwa wichtig für kirchliche Angestellte, die Missbrauch erlebt hätten.

Reichold ist Leiter der Tübinger Forschungsstelle für kirchliches Arbeitsrecht. Die katholischen deutschen Bischöfe werden sich in der zweiten Junihälfte erstmals mit dem Entwurf befassen, der dann noch in diesem Jahr beschlossen werden soll.

Anzeige