Jens Joest über den Vorstoß von elf deutschen Generalvikaren

Wer Arbeitsrechts-Reform verschleppt, setzt Diskriminierung fort

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Das deutsche katholische Arbeitsrecht soll reformiert werden; elf Generalvikare haben am Montag die Dringlichkeit betont. Zu Recht, sagt unser Redakteur Jens Joest, weil Nichtstun viele Menschen vorsätzlich verletzen würde.

Elf deutsche Generalvikare haben nicht nur gefordert, im katholischen Arbeitsrecht solle es keine Sanktionen wegen der persönlichen Lebensführung mehr geben. Nein, sie rufen sogar reformwillige Bischöfe auf, nicht auf Einvernehmen zu warten.

Das ist bemerkenswert. Zwar ist die Bischofskonferenz den Ortsbischöfen nicht übergeordnet – welchen Beschluss der Konferenz er wie und wann umsetzt, entscheidet jeder Diözesanbischof selbst. Bei der jüngsten Arbeitsrechts-Reform 2015 hatten sich einige Bischöfe Zeit gelassen.

Erniedrigende Pflichten

Allerdings haben Konferenz-Beschlüsse politisches Gewicht. Einen davon nicht anzuwenden, dazu gehört Mut. Zudem ist es ein sehr katholisches Vorgehen, eine Vorlage so lange zu verhandeln, bis alle sie mittragen.

Elf Generalvikaren dauert das zu lange. Sie betonen, einige Loyalitätspflichten des Arbeitsrechts seien „erniedrigend“, etwa für Menschen in homosexuellen oder nicht-ehelichen Beziehungen oder in ziviler zweiter Ehe.

Von Gerichten bereits gekippt

Die Verwaltungs-Chefs äußern sich auch unter dem Eindruck der Aktion „OutInChurch“, bei der sich katholische Mitarbeitende als nicht-heterosexuell geoutet hatten. Nun erklären immer mehr Bistümer, solche Lebensformen nicht mehr zu sanktionieren.

So groß die Erleichterung für die Betroffenen, so bezeichnend aber die Vorgehensweise: Die teils diskriminierenden Loyalitätspflichten gelten seit Jahrzehnten, staatliche Arbeitsgerichte haben sie in mehreren Fällen bereits für ungültig erklärt. Doch es brauchte offenbar eine tiefe kirchliche Glaubwürdigkeitskrise, bis die Bischöfe eine Arbeitsgruppe mit einer Reform beauftragten.

Wer verschleppt, verletzt Menschen vorsätzlich

Keine einfache Aufgabe, der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf mahnt: „Nicht jeder Aspekt des Privatlebens ist ohne dienstrechtliche Relevanz.“ Auch wird die Kirche ihr Ehe-Ideal nicht „quasi nebenbei“ aufgeben. Im Sommer legen die Experten ihren Vorschlag vor. Nach mehreren Jahren Arbeit muss man praktikable Lösungen erwarten dürfen.

Keine Änderung ist keine Option. Darum ist die Idee richtig, nicht auf alle Bremser zu warten. Den Bischöfen muss klar sein: Wer die Reform verschleppt, setzt Diskriminierung fort. Vorsätzlich.

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