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So hat kennt man Jesus überhaupt nicht: Rasend vor Wut räumt er ordentlich auf, stürzt Tische um und tobt. Jedenfalls stellt man sich so die berühmte "Tempelreinigung" vor. Was ist da wirklich dran? Worum geht es ihm? Antworten von Abt Andreas Werner OSB aus der Abtei Gerleve in seiner Schriftauslegung für diesen Sonntag.
Die Jünger Jesu sehen fassungslos mit an, wie ihr Meister die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel treibt. Sie beziehen dieses provozierende Handeln Jesu auf das, was „geschrieben steht“. Sie erinnern sich später, als sie nach der Auferstehung den Weg Jesu tiefer verstehen, daran, dass Jesus mit dieser „Tempelreinigung” ein Wort der Schrift erfüllt. Das biblische „Sich erinnern“ ist ein lebendiges Glaubensbekenntnis, in dem die Taten Jesu neu gegenwärtig werden. Hier geht es um ein Wort aus Psalm 69: „Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren.“
Immer wieder führt Jesus Stellen aus der Bibel des Alten Bundes an, um sein Reden und Tun verständlich zu machen, um die Legitimität seiner Worte und Taten zu erweisen und seinen Anspruch als Sohn des Vaters zu stützen. Wir kennen die Formeln „damit sich die Schrift erfüllt“ oder: „In der Schrift heißt es …“
Damit sie glauben können
Die Lesungen vom 3. Fastensonntag (Lesejahr B) zum Hören finden Sie hier.
All diese zitierten Stellen aus der Heiligen Schrift bezieht Jesus auf sich, um zu zeigen, dass er in Kontinuität mit den Worten der Schrift steht, dass er die Schrift erfüllt. Diese Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift ist ein Weg, der die Jünger Jesu zum Glauben führt, sodass es resümierend heißt: Die Jünger „glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte“.
Wenn wir Jesus Christus durch die Schrift Israels erkennen können, so überrascht das. Es bedeutet, ihn durch das zu erkennen, was nicht von ihm selbst ist. Jesus Christus ist der, der den Willen eines Anderen tut. Er ist gehorsam. Wir können die Wege, auf denen Jesus das erkannt hat, was er den Willen seines Vaters nennt, rekonstruieren. Die Zeugen, die Jesus Christus verkünden, sagen, der Wille des Vaters bezüglich Jesus stehe schon in der Schrift: „Er legte den Jüngern dar, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.
Gesetz, Propheten, Psalmen
Das heißt, wie immer Jesus den Willen des Vaters und seinen ihm aufgegebenen Weg erkannte, ob im einsa-men Gebet, durch seine Verbundenheit mit der Schrift oder in der Begegnung mit den Menschen, wir können den Willen des Vaters bezüglich Jesus durch das erkennen, was für ihn Schrift war: Gesetz, Propheten, Psalmen.
Der Plan des Vaters für seinen Sohn ist niedergelegt in einem Volk, das vor ihm gelebt hat, und in einem Buch, das auf Existenzen verweist, die Gott auserwählt hat, um in sie den Plan einzuschreiben, den er für seinen Christus gefasst hatte. Die Einschreibung dieses Plans in das von Gott erwählte Volk ist das Werk des Geistes.
Wie Jesus die Schrift liest
Der Autor
Abt der Benediktinerabtei Gerleve Andreas Werner OSB.
Jesus hat die Heilige Schrift als das angenommen, was sie wirklich ist: Wort des Lebens. Er hat seinen Lebens- und Erlösungsweg aus der Schrift herausgelesen, weil er sie annahm als Wort des Vaters für sein Leben. Er hat sie gelesen als ein Wort, das ihn zum Vater führte, sodass er für uns zum Weg zum Vater werden konnte.
Ähnliches gilt für uns: Wenn wir die Bibel als „Wort für unser Leben” verstehen, dann kommt in ihr unser Leben zur Sprache. Das heißt: Unsere Biographie ist bereits geschrieben; sie ist geheimnisvoll niedergelegt in der Heiligen Schrift. Die geistliche Aufgabe unseres Lebens und der Sinn der Schriftlesung ist es, den Willen des Vaters für unser Leben aus der Schrift herauszulesen. Es ist unsere geistliche Berufung, das uns gegebene Wort Gottes zu entdecken und in unserem Leben Fleisch werden zu lassen.
Bindung führt in die Freiheit
Der Text aus dem Buch Exodus spricht von der Befreiung durch Gott und von der uns dadurch geschenkten Freiheit der Kinder Gottes. Bevor uns Gott die Weisungen zum wahren Leben gibt, stellt er sich selbst vor, damit wir wissen, dass die Weisungen von ihm kommen, dem unsere Freiheit und unser Leben am Herzen liegen: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich herausgeführt hat aus dem Sklaven-haus.“ Die Stimme des Herrn erinnert uns daran, wer wir nach seinem Willen sein sollen: freie Menschen, frei von Ängsten und Zwängen und zugleich frei zum Guten, frei für den Nächsten.
Das Maß der Freiheit entspricht der Größe dessen, woran sich der Mensch in Freiheit bindet. Je größer das ist, an das er sich bindet, desto weiter öffnet sich der Raum seiner persönlichen Freiheit. Da Gott unendlich groß ist, ist die Freiheit des Menschen in der Bindung an ihn auch unendlich groß. Die Bindung an ihn führt uns in die Weite. Frei ist, wer sich in Freiheit bindet – das klingt paradox. Der heilige Benedikt sagt es so: „Bindung erwirbt die Krone.“
Sämtliche Texte der Lesungen vom 3. Fastensonntag (Lesejahr B) finden Sie hier.