Der jährliche Höhepunkt der Kinder- und Jugendarbeit ist in Gefahr

Durch Corona stehen die Ferienlager vor dem Aus

Die Corona-Krise bedeutet in diesem Jahr für die Ferienlager mit großer Wahrscheinlichkeit das Aus. Selbst wenn Freizeiten gesetzlich möglich wären – die Auflagen würden eine sinnvolle Organisation kaum ermöglichen.

Anzeige

Der Höhepunkt des Jahres steht vor dem Aus. Die Ferienlager der Pfarrgemeinden in den Sommerferien gehören für die Organisatoren wie für die Teilnehmer zu den absoluten Highlights der Kinder- und Jugendarbeit. In Zeiten von Corona sieht es aber schlecht für diese Angebote aus. Die derzeitigen Vorschriften zum Infektionsschutz machen eine Durchführung fast unmöglich – organisatorisch genauso wie vom Urlaubsgefühl her.

Sonne, Strand, Gemeinschaft: Für viele tausend Kinder im Bistum Münster sind die Ferienlager feste Termine im Jahresplan. | Foto: Michael Bönte

„Selbst wenn eine Freizeit trotz aller Vorgaben durchgeführt werden könnte, würde das Erlebnis nie an das heranreichen, was in normalen Zeiten ein Ferienlager ausmacht“, sagt Bernd Egger. Der Kaplan in der St.-Pankratius-Gemeinde in Emsdetten hat den Überblick über zehn Angebote, die dort in diesem Jahr von Messdienern und Verbandsgruppen gemacht werden. „Ich gehe deshalb nicht davon aus, dass unsere Gruppen in den Sommerferien starten.“ Kleinere Angebote, etwa über Pfingsten oder Fronleichnam sind bereits abgesagt worden. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass die mehrwöchigen Fahrten nicht massiv auch auf der Kippe stehen.“ Ziele im Münsterland, im Sauerland, an der Nordsee, in Bayern und in Österreich würden dann abgeblasen.

 

Verantwortung gegenüber Leitungsteams

 

Egger sieht dabei auch eine Verantwortung gegenüber den ehrenamtlichen Leitungsteams. „Wir können sie nicht der Gefahr aussetzen, dass sie bei einer Covid-19-Erkrankung im Lager vielleicht zur Rechenschaft gezogen würden.“ Denn eine strikte Einhaltung etwa der Hygiene- und Abstandsvorgaben sind in seinen Augen in einem Zeltlager oder in einer Schützenhalle kaum möglich. „Wie soll das in Gemeinschafts-Waschräumen, in Schlafsälen oder im Speisesaal umgesetzt werden.“ Bei Nachtwanderungen, Abenteuer-Spielen und dem Kicken auf der Wiese wäre das sicher nicht weniger schwer.


Kaplan Bernd Egger aus Emsdetten sieht kaum Chancen, dass Ferienfreizeiten stattfinden können. | Foto: privat

Es gibt nur noch einen ganz schwachen Hoffnungsschimmer. Nur wenn sich die Infektions-Situation so entspannt, dass die Schutzmaßnahmen nicht mehr wichtig wären, würden Ferienfreizeiten Sinn machen. Was würde mit strikten Auflagen von einem echten Ferienlagergefühl übrigbleiben? Von endgültigen Absagen aber scheuen sich die Pfarrgemeinden vielerorts noch. Mit Spannung schauen sie auf die Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene. Und auf ein Papier, das derzeit vom Bistum Münster erarbeitet wird.

 

Orientierungshilfe vom Bistum Münster

 

Die Abteilung Kinder- und Jugendseelsorge und der Corona-Krisenstab im Bischöflichen Generalvikariat Münster wollen das in den nächsten Tagen veröffentlichen. Es wird ein Katalog sein, an denen sich die Organisatoren vor Ort orientieren können, wenn sie Entscheidungen treffen. Denn diese liegt letztlich bei den Verantwortlichen dort. Alle Fragen, die ein Ferienlager in dieser Zeit betreffen, sollen aufgelistet werden, um ihnen das zu erleichtern.

Auch Gottesdienste in den Dünen gehören auf Ameland eigtenlich zum Ferienlager-Programm. | Foto: Michael Bönte

Fragen die auch für die Angebote aus dem Bistum Münster mit jenem Ziel gelten, das bei der Beliebtheit der Jugend unangefochten auf Platz Nummer eins steht: Ameland. Mehr als 120 Ferienlager mit über 10.000 Teilnehmern brechen jedes Jahr allein unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft Katholisches Ferienwerk Ameland in Richtung der niederländischen Nordseeinsel auf. Von den insgesamt 100 Pfarreien, Verbänden und Vereinen, die in der AG organisiert sind, kommen etwa zwei Drittel aus dem Bistum.

 

Ameland ist stark betroffen

 

„1,50 Meter Abstand auf der Anreise im Bus – wie soll das bitte gehen“, dämpft auch Karsten Weidisch die Hoffnungen. Der Pastor aus der St.-Joseph-Gemeinde in Münster ist Vorstandsvorsitzender im Ferienwerk und seit vielen Jahren in dem Seelsorge-Team, das im Sommer die Ferienlager auf der Insel betreut. Er bekommt in diesen Tagen täglich Anfragen von den Organisatoren der Freizeiten, die auf eine endgültige Aussage hoffen.


Karsten Weidisch von der Arbeitsgemeinschaft Katholisches Ferienwerk Ameland. | Foto: Michael Bönte

„Die kann ich aber nicht geben“, sagt der 47-Jährige. „Dafür gibt es zu viele Unwägbarkeiten.“ Nicht nur der Blick Richtung Berlin und Düsseldorf spielt dabei eine Rolle, auch der in die Niederland. „Wenn von deutscher Seite aus eine Fahrt möglich wäre, können immer noch die Niederländer eine Einreise verbieten.“ Den Lagerleitungen will er aber jetzt schon eins deutlich vermitteln: „Wenn wir in der Kirche in dem Inselort Nes sonst Gottesdienste mit mehr als 250 Teilnehmern feiern, könnten wir das nach den derzeitigen Vorgaben nur mit 38.“ Wer wie, wann und in welcher Form teilnehmen dürfte, wäre kaum zu entscheiden. „Vor vergleichbaren Entscheidungen stünden die Verantwortlichen in den Lagern jeden Tag zig Mal.“

 

Auch die Vermieter sind in Not

 

Nicht nur die Gäste aus Deutschland würden unter einem Ausfall der Freizeiten leiden, auch die Vermieter der Höfe und Zeltplätze auf der Insel. Sie leben zum großen Teil von der Ferienlager-Saison, weiß Weidisch. „Wir halten das ganze Jahr über Kontakt zu ihnen und kennen ihre derzeitige Not.“ Ob Stornierungs-Gebühren der oft über Jahrzehnte reservierten Unterkünfte anfallen werden, soll im engen Austausch mit den Inhabern geklärt werden. „Ich glaube, dass wir das in den meisten Fällen fair regeln können – da hilft uns das tolle Verhältnis zu ihnen.“

Wann die Kinder endlich wieder auf der niederländischen Nordsee-Insel ihr "Ameland-Lied" anstimmen können, ist unklar. |Foto: Michael Bönte

Aber selbst wenn es zu keinen finanziellen Einbußen kommen würde, „der Schmerz in den Pfarrgemeinden und Verbänden wird groß sein“, sagt Weidisch. Das zentrale Jahresprojekt vieler Beteiligten wäre verloren. „Neben Ostern und Weihnachten sind die Ameland-Reisen für sie wie ein weiteres Hochfest.“ Deswegen arbeitet er mit dem Ameland-Seelsorgeteam schon jetzt an Formaten, um die Leere, die entstehen würde, aufzufangen. „Wir wollen etwas vom Ameland-Gefühl hierher zu den Gruppen transportieren.“ Neben Besuchen vor Ort, bei denen Spiele und Gottesdienste mit bekannten Elementen aus den Insel-Ferien zum Programm gehören könnten, steht eine besondere Idee im Raum: „Vielleicht wird es eine Online-Übertragung eines Gottesdienstes aus der Kirche in Nes geben, die unser Team dort mit den passenden Liedern und Texten gestalten könnte.“

 

Kein vollständiger Ersatz möglich

 

Auch Kaplan Egger aus Emsdetten erlebt die große Enttäuschung, die sich anbahnt. „Das tut allen im Herzen weh.“  Das Verständnis und das Verantwortungsgefühl sind aber genauso groß, sagt er. „Alle Beteiligten erleben ja derzeit, wie die ganze Gesellschaft von den Einschränkungen betroffen ist – da können wir uns mit unseren Angeboten nicht ausklammern.“ Vielleicht wird es auch in seiner Pfarrgemeinde Ersatzangebote geben, bei denen die Kinder und Jugendlichen während der Ferien ein klein wenig Ferienlager-Feeling entwickeln können – ohne Übernachtung, mit Abstand, vielleicht mit Mundschutz. „Was niemals ein vollständiger Ersatz wäre.“

Immerhin scheint bereits gesichert, dass die jungen Organisatoren der Freizeiten aus Emsdetten nicht auf zusätzlichen Kosten sitzen bleiben. Die Vermieter der Unterkünfte haben großes Verständnis gezeigt und wollen keine Storno-Gebühren berechnen. Auch mit den meisten Bus-Unternehmen konnte man ähnlich verhandeln.

 

Große Ausstrahlung ins Gemeindeleben fällt weg

 

Am Ende bleibt die Hoffnung, dass die Ausnahmesituation im kommenden Jahr Vergangenheit ist. Denn spätestens ab Ostern 2021 stehen die nächsten Freizeiten an. Ohne die würde die Kinder- und Jugendarbeit in den Pfarrgemeinden wieder ihres Herzstückes beraubt. „Wer diese Angebote kennt, weiß, welche Ausstrahlung sie in alle Bereiche der Seelsorge haben“, sagt Weidisch. Nicht nur für die Teilnehmer, auch für ihre Eltern, für die Leitungsrunden und nicht zuletzt für die vielen Helfer wie Fahrer, Küchenteams oder Seelsorger sind sie seit Jahrzehnten unverzichtbarer Teil des Gemeinschaftslebens in den Pfarreien.

Anzeige