Warum ein homosexuelles Paar trotzdem – vorerst – keine Segnung wünscht

Gott ist die Liebe – auch in queeren Beziehungen

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Viele Menschen – nicht nur Homosexuelle – wünschen sich, dass die katholische Kirche auch gleichgeschlechtliche Paare segnet. Rainer Teuber und sein Mann zählen nicht dazu. Teuber sagt, was passieren müsste, damit sich das ändert.

„Gott ist die Liebe“, heißt es im Neuen Testament (1 Joh 4,16). Für mich bedeutet das: Jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, der hat Gott nicht erkannt. Kurz: Die Liebe ist von Gott gesegnet. Gottes Segen kommt nicht qua priesterlicher Weihe, nicht von einer bischöflichen Kathedra. Auch ist er bedingungslos.

Karl-Heinz und ich haben 2004 geheiratet. Als getaufte Christen gestalten wir unsere Ehe, unsere Liebe nach christlichen Grundsätzen. Leben wir ungeordnet, in Sünde – so wie es das römische Lehramt über uns und viele andere queere Paare verlauten lässt?

Kirche muss ihre Verklemmung überwinden

Der Autor
Rainer Teuber verantwortet am Essener Dom und in dessen Schatzkammer die Museumspädagogik. Zudem ist er Mitorganisator von #OutInChurch und seit Mai 2023 Pressesprecher der Initiative.

Für die Kirche sind wir keine vollwertigen Mitglieder; sie weigert sich nach wie vor, uns Gottes Segen für unsere Beziehung zu spenden. Rom erklärte die Segnungsdebatte 2021 offiziell für beendet.

Daran haben auch die Beschlüsse des Synodalen Wegs oder die jüngsten Äußerungen des Papstes nichts geändert. Kein Segen für Beziehungen, die nicht als Ehe zwischen Frau und Mann gelebt werden. Und dies allen Erkenntnissen von Moraltheologie und Humanwissenschaften zum Trotz.

„Du bist ein Gott, der mich sieht“ (1 Mose 16,13). Das heißt: Was da ist, sieht, benennt und anerkennt Gott. Homosexualität ist da, war schon immer da. Die Kirche muss sie deshalb auch nicht neu bewerten. Im Gegenteil: Kirche muss endlich und zuallererst ihre Sprachunfähigkeit, ihre Verklemmung in Bezug auf Homosexualität überwinden.

Rom kann Gottes Segen nicht begrenzen

Queere Menschen müssen in der Kirche ohne Einschränkungen sichtbar sein. Regenbogenflaggen zu hissen, reicht nicht aus. Und: Ein Segen unter dem Radar, hinter mindestens halb verschlossenen Kirchentüren beschämt – das Paar und die Kirche.

Pastoraler Ungehorsam durch Segnung queerer Paare? Regelverstoß, gar etwas Verbotenes? Nein, Gott ist die Liebe. Die Liebe zwischen zwei Menschen ist wertvoll. Undenkbar ist, sie nicht zu segnen.

Gottes Segen lässt sich nicht begrenzen – weder von den Ortsbischöfen noch von der Glaubenskongregation in Rom. Segnende handeln im Sinne Gottes. „Wir müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen“, heißt es schon in der Apostelgeschichte.

Kein echtes Willkommen

Die andauernde Ablehnung von Homosexualität gibt auch den „Handreichungen“ für die Segnung queerer Paare einen faden Beigeschmack. Die Weltsynode konzedierte zwar jüngst, dass sich Menschen wegen ihrer ehelichen Situation, ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer Sexualität an den Rand der Kirche gedrängt fühlen mögen. Ihnen möchte man künftig besser zuhören.

Aber: Nach wie vor bringt die Synode das Wort Homosexualität oder gar „LSBTI“ nicht über ihre Lippen. Was also immer durchscheint: Kein echtes Willkommen-Heißen, bestenfalls Tolerieren.

Unter solchen Umständen kommt eine Segnung für Karl-Heinz und mich nicht infrage. Wir sind allein schon reich gesegnet, indem Gott uns zusammengeführt hat.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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