Finanzierungslücken bei der medizinischen Versorgung

Inflation, Mehrkosten, Investition: So plant das Klinikum Westmünsterland

  • Das Klinikum Westmünsterland fordert eine verlässliche Finanzierung der Krankenhäuser.
  • Kostensteigerungen durch Inflation und Tarifabschlüsse bringen den Klinikverbund in eine finanzielle Schieflage.
  • Dennoch werden Millionen investiert mit Blick auf die Landeskrankenhausplanung.

Anzeige

Wie nahezu alle Krankenhäuser klagt auch das Klinikum Westmünsterland über immense inflationsbedingte Kostensteigerungen und eine fehlende Refinanzierung. Das Klinikum Westmünsterland, zu dem das St.-Agnes-Hospital Bocholt, das St.-Marien-Krankenhaus Ahaus, das St.-Marien-Hospital Borken, das St.-Marien-Hospital Vreden und das St.-Vinzenz-Hospital Rhede gehören, hatte sich auch der jüngsten Protestaktion „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ angeschlossen.

„Es ist inakzeptabel, dass Krankenhäuser zwar alle Lasten der medizinischen Versorgungssicherung und der medizintechnischen wie digitalen Revolution aufgetragen bekommen, aber den Preis für diese Leistung nicht angemessen kalkulieren und vereinbaren können. Das muss sich schnellstens ändern“, sagt Ludger Hellmann, Sprecher der Geschäftsführer im Klinikum Westmünsterland. Die Beteiligung am Aktionstag „Alarmstufe Rot“ sei nötig gewesen, um Verlässlichkeit und Auskömmlichkeit bei der Finanzierung der Kliniken einzufordern.

"Hilfspakete der Regierung reichen nicht aus"

Das Klinikum Westmünsterland erwartet bei der Reform der Krankenhausfinanzierung verlässliche Rahmenbedingungen statt Hilfspakete mit Einmalcharakter. Bekannt ist seit Jahren die schwierige wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser.

Das 6.000 Mitarbeitende zählende Klinikum Westmünsterland, das jährlich rund 60.000 Patienten stationär behandelt, habe in den letzten Jahren viel Kraft aufgewendet, um bei den Jahresergebnissen eine schwarze Null zu erzielen, betont Hellmann. Als gemeinnütziges Unternehmen verwendet das Klinikum alle erwirtschafteten Erfolge unmittelbar für die Medizin und Pflege.

Jahresbilanz in Schieflage

Der fehlende Inflationsausgleich und die gestiegenen Betriebskosten stellen aktuell den Gesundheitsversorger im Kreis Borken vor Probleme, wie Zahlen verdeutlichen: Aktuell belaufen sich die Sach-, Personal- und Investitionsfinanzierungskosten im Klinikum Westmünsterland auf jährlich rund 336 Millionen Euro.

Bei einer Teuerungsrate von prognostizierten mindestens acht Prozent und einem Preisanstieg von nur 4,3 Prozent fehlt auf der Einnahmenseite allein inflationsbedingt ein Betrag von fast zwölf Millionen Euro. Durch Kosteneinsparungen könne dieser Betrag nicht mehr kompensiert werden, meint Hellmann.

Fördermittel aus dem Strukturfonds

Über ein Hilfspaket der Bundesregierung, das die Energiekostensteigerungen abfedern soll, erhält das Klinikum Westmünsterland 2023 einmalig acht Millionen Euro. „Das reicht nicht aus“, heißt es aus dem Klinikverbund mit Sitz in Ahaus.

Die Kosten steigen parallel zu einem Umstrukturierungsprozess der Krankenhäuser, der mit hohen Investitionen verbunden ist. So erhält das Klinikum Westmünsterland Fördermittel aus dem Strukturfonds des Krankenhausfinanzierungsgesetzes zur Restrukturierung und Sicherung der stationären medizinischen Versorgung im Kreis Borken - und zwar rund 60 Millionen Euro. Vom kirchlichen Krankenhausträger kommen mindestens weitere 15 Millionen Euro.

Vernetzung der Krankenhäuser im Kreis Borken

Der Erhalt dieser Fördermittel ist an die Umsetzung der Landeskrankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen geknüpft. Sie bedeutet für das Klinikum Westmünsterland allerdings die Zusammenlegung der kleinen Standorte Vreden und Stadtlohn zu einem zukunftsfähigen Gesamtkrankenhaus am Standort Ahaus beziehungsweise die Verlegung von einzelnen Versorgungsbereichen nach Bocholt und Borken.

Über die Restrukturierung heißt es in einem Papier des Klinikums Westmünsterland: „Insoweit scheiden das St.-Marien-Hospital Vreden und das Krankenhaus Maria-Hilf in Stadtlohn aus der stationären Akutversorgung in überschaubarer Frist aus.“

60 Millionen Euro für Erweiterungsbau in Ahaus

Die „Bündelung medizinischer Kompetenzen“ an den verbleibenden drei Klinikstandorten Ahaus, Bocholt und Borken gewährleiste, „dass alle medizinischen Leistungsbereiche, die noch in Vreden und Stadtlohn vorgehalten werden, im Westmünsterland aufrecht erhalten bleiben“.

Die Leistungskonzentration erfordert umfachreiche Bau- und Infrastrukturmaßnahmen an den verbleibenden Standorten Bocholt, Borken und Ahaus. Sie werden derzeit maßgeblich mit Hilfe der Fördermittel ausgebaut. Die größte Baumaßnahme, der Erweiterungsbau am Krankenhaus in Ahaus, wird mit 60 Millionen Euro veranschlagt.

Steigende Baukosten

Zum Stand der Erweiterungsbauten sagt der Leiter der Unternehmenskommunikation im Klinikum Westmünsterland, Tobias Rodig: „Die Modernisierungs- und Neubaumaßnahmen im Rahmen der bewilligten Strukturförderung sind für die Weiterentwicklung unserer Standorte und die Versorgung der Bevölkerung von großer Bedeutung. Sie zeigen auch, dass unser Medizinkonzept mit künftig drei somatischen Krankenhausstandorten von Bund und Land als zukunftsfähig anerkannt wird.“

Zugleich seien die Maßnahmen „angesichts der im Baugewerbe explodierenden Kosten und Zinserhöhungen auch mit finanziellen Risiken verbunden. Wir sind hier auch zu einer nicht unerheblichen Selbstbeteiligung in Millionenhöhe verpflichtet.“

Arbeitsplätze gesichert

Das Klinikum Westmünsterland hatte im Zug der Umstrukturierung angekündigt, der Erhalt der habe Arbeitsplätze höchste Priorität. In dem vor einigen Monaten verfassten Argumentationspapier heißt es: „Trotz der kommenden Beendigung der somatischen Akutmedizin an zwei kleinen Krankenhausstandorten geht das Konzept sozialverträglich von der Vermeidbarkeit von kündigungsbedingten Sozialplänen aus. Die Arbeitsplätze sind sicher.“

Anzeige