Laien-Vertretungen in Sorge um Demokratie

Katholische Experten: AfD-Gewinne nach Landtagswahlen "erschreckend"

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Nachdem die AfD bei den Landtagswahlen in Hessen mehr als 18 Prozent und in Bayern knapp 15 Prozent der Stimmen erhielt, warnt ein politisches Kompetenzzentrum der bayerischen Bischöfe vor einer Zusammenarbeit mit der Partei. Laienvertretungen zeigen sich besorgt um die Demokratie.

Als "enttäuschend" hat das katholische Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde den Ausgang der Bayernwahl bewertet. Der Projektleiter Nordbayern, Martin Stammler, nannte es auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Montag in Nürnberg "erschreckend", dass die AfD wahrscheinlich die stärkste Oppositionfraktion im neuen Landtag bilden werde. 

Seine Einrichtung werde auch künftig "offen darstellen, wo die Partei gegen Grundrechte verstößt und mit dem christlichen Menschenbild unvereinbare Positionen vertritt". Der Wahlkampf habe gezeigt, dass das Thema Menschenwürde bei Migrationsfragen offenbar keine Rolle mehr spiele. "Da ertrinken Menschen auf dem Mittelmeer und wir reden in Deutschland nur über Sicherheitspolitik", bedauerte der Bildungsreferent.

Abgrenzung oder Konfrontation?

Zur Frage des künftigen Umgangs mit der AfD sagte Stammler: "Die Brandmauer muss unbedingt stehenbleiben." Eine Zusammenarbeit dürfe es nicht geben. Im Einzelfall müsse jedoch geprüft werden, ob Abgrenzung oder eher konfrontative Auseinandersetzung die bessere Entscheidung sei.

Das Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde wurde 2018 von der Freisinger Bischofskonferenz gegründet. Ziel war, menschenfeindlichen und antidemokratischen Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft mit Bildung, Beratung und Vernetzung zu begegnen. 2019 wurde das Zentrum mit seinen beiden Standorten Freising und Nürnberg ausgebaut.

Landeskomitee: Keine Einladung an AfD

Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern wird auch nach dieser Landtagswahl keine AfD-Abgeordneten zur Mitarbeit auffordern. Diese Einladung werde sich auf die "demokratischen Parteien" im Parlament beschränken. Das kündigte der Vorsitzendes des Gremiums, Joachim Unterländer, am Montag im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in München an. Mit Ausnahme der FDP hätten in der Vergangenheit alle angesprochenen Fraktionen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. 

Ausdrücklich bekannte sich der Vorsitzende zu der "Brandmauer" gegenüber der AfD. Ein politisches Mandat für diese Partei sei unvereinbar mit einer Mitwirkung in Gremien und Räten der katholischen Kirche. "Da müsste sich erst die AfD ändern", fügte er hinzu. Das könne er sich aber mit Blick auf die Reaktionen aus dieser Partei zum Wahlausgang "derzeit nicht vorstellen".

Jung: Warnschuss für die Politik

Unterländer sagte, er verurteile niemanden, der rechts gewählt habe. Vielmehr gelte es, die Motive hinter solchen Entscheidungen zu verstehen. Offenbar fühlten sich in der aktuellen Politik viele Menschen mit ihren Sorgen nicht verstanden. Bei allen notwendigen Veränderungsprozessen sei eine "größere soziale Ausgewogenheit" erforderlich. Die Menschen müssten dabei "mitgenommen werden, anstatt ihnen etwas zu diktieren". Unterländer sagte, das Landeskomitee werde sich vor allem in der Bildungs-, Sozial- und Umweltpolitik weiter einbringen und den Dialog suchen. Über die "Aufspaltung des bürgerlichen Lagers" müssten sich die betroffenen Parteien Gedanken machen. Der Münchner gehörte bis 2018 für 24 Jahre der CSU-Fraktion im Landtag an. Das Landeskomitee ist die höchste repräsentative Vertretung der in Räten, Gremien, Verbänden und Initiativen engagierten Katholikinnen und Katholiken in Bayern. Zum Jahresende 2022 waren 5,8 Millionen Menschen im Freistaat katholisch. Das entspricht einem Anteil von etwas mehr als 43 Prozent.

Der Würzburger Bischof Franz Jung bewertet den Ausgang der Landtagswahlen in Bayern und Hessen als “einen echten Warnschuss für die Politik”. "Was mich persönlich umtreibt und was mich auch sehr erschrocken hat, ist das Abschneiden der AfD", sagte Jung am Montag in Würzburg. "Die Ampelregierung in Berlin ist im Grunde abgestraft worden." Landespolitische Themen hätten nicht im Vordergrund gestanden. 

ZdK in Sorge um Demokratie

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zeigte sich besorgt um die Zukunft der Demokratie. Das Erstarken der AfD in wirtschaftlich erfolgreichen West-Bundesländern zeige, dass Rechtspopulismus kein ostdeutsches, sondern längst ein gesamtdeutsches Problem sei, erklärte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp am Montag in Berlin. 

Die ZdK-Präsidentin hatte sich im Interview mit “Kirche-und-Leben.de” gegen eine Vereinbarkeit von AfD-Mitgliedschaft und einem Wahlamt in der Kirche ausgesprochen. Die AfD habe das Vertrauen in demokratische Parteien und Prozesse Schritt für Schritt ausgehöhlt. Sie sammele Unzufriedene, inszeniere sich als wahre Bürgerpartei, habe aber keine Lösungen für anstehende Probleme, so Stetter-Karp. Stattdessen bringe die AfD die unveräußerliche Menschenwürde ins Wanken, indem sie rassistisch und gruppenbezogen menschenfeindlich agiere.

UPDATE: Ergänzung Zentralkomitee, Bischof Jung (09.10.2023 / 16.40 / mn)

 

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