ND-Kongress in Münster thematisiert Kirchenkrise

Katholischer Verband stellt die Gretchenfrage: „Bleiben oder gehen?“

  • Mehr als 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des christlichen Netzwerks „ND-Christsein.Heute“ haben in Münster die Vertrauenskrise innerhalb der katholischen Kirche thematisiert.
  • Der katholische Verband erwartet die Weiterführung des Synodalen Wegs.
  • Zahlreiche Workshops und Foren beschäftigten sich mit dem Wandel in Gesellschaft, Politik und Kirche.

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Die Entscheidungsfrage „Bleiben oder gehen“ durchzieht den ND-Bundeskongress in der Katholisch-sozialen Akademie Franz Hitze Haus in Münster. „Kirchenpolitisch geht es um die Frage, was nach dem Synodalen Weg bleibt. Als christliches Netzwerk versteht sich unser Verband und unsere Gemeinschaft als Plattform für Diskussion und Austausch“, sagt der stellvertretende Bundesleiter des ND, Jürgen Holtkamp aus Dülmen.

Der Verband, der sich früher als „Bund Neudeutschland“ bezeichnete und seit einigen Jahren den Titel „ND-Christsein.Heute“ trägt, diskutierte den Synodalen Weg unter der Fragestellung: Motivieren die Ergebnisse zum Bleiben in der Kirche? Mehr als 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ließen sich unter anderem von den aus dem Bistum Münster stammenden Mitgliedern der Synodalversammlung, Schwester Katharina Kluitmann, Professor Thomas Söding und Mara Klein über genutzte und verpasste Chancen der 2019 initiierten Debatte über die gegenwärtige Kirchensituation informieren.

ND klar für Gründung Synodaler Räte

Thomas Sternberg
Der frühere Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, bei einem Vortrag während des ND-Kongresses. | Foto: Ralf Müller-Knöchelmann

„Die Ergebnisse motivieren zum Bleiben, auch wenn manche Enttäuschungen zurückbleiben“, stellte Schwester Katharina Kluitmann fest. Die Ordensfrau von den Lüdinghauser Franziskanerinnen gehört wie Mara Klein vom Institut für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster und Thomas Söding, der an der Ruhr-Universität Bochum Neues Testament lehrt, dem Synodalen Ausschuss an. Zentrale Aufgabe des Ausschusses ist, eine Satzung für einen Synodalen Rat zu erarbeiten. Dieser soll dauerhafte gemeinsame Beratungen von Laien und Bischöfen möglich machen.

Der ND hatte sich bereits im Vorfeld seines Bundeskongresses zum Synodalen Weg positioniert: „Die Mitverantwortung kompetenter Laien kann sich nicht in einem bloßen Gehört werden beschränken, sondern muss sich in einem aktiven Beteiligt sein an Entscheidungsprozessen verwirklichen. Nachdrücklich verteidigen wir die Gründung Synodaler Räte.“

Kirchenengagement mit Elan

Enttäuscht zeigte sich der ND von den Ergebnissen. Die Kirche in Deutschland sei „keinen Millimeter weitergekommen als die Würzburger Synode vor 50 Jahren“ hieß es. Die Kirchenkrise sei seitdem wesentlich existentieller geworden. „Die überfällige strukturelle Veränderung der katholischen Kirche in Deutschland haben wir noch längst nicht erreicht. Deshalb sind alle aufgefordert, den Synodalen Weg mit aller Geistkraft und Energie fortzusetzen“, macht der ND den Ausschuss-Mitgliedern Mut, weiterzuarbeiten.

Mutmachend heißt es vom ND über den Synodalen Weg: „Nach dieser großen Kraftanstrengung braucht es Durchhaltevermögen, Elan, Esprit und Courage, um die notwendigen Reformen voranzutreiben. Dies gilt für den Synodalen Weg in Deutschland, für die synodalen Bemühungen weltweit und auch für den Weg der Weltsynode in Rom.“

Glauben mit und trotz der Kirche

Kirchenmusikerin Sonja Manderbach, Sozialberaterin Venera Topor, Pfarrer Peter Kossen und Pfarrer Stefan Jürgens.
Sprachen zum Thema „Bleiben oder gehen – Gesellschaft, Politik und Kirche in bewegten Zeiten“ (von links): Kirchenmusikerin Sonja Manderbach, Sozialberaterin Venera Topor, Pfarrer Peter Kossen und Pfarrer Stefan Jürgens. | Foto: Johannes Bernard

Thematisch eröffnet wurde der Kongress von persönlichen Standpunkten, warum es sich lohnt, in und für die Kirche zu arbeiten. Pfarrer Stefan Jürgens, der in Ahaus drei Pfarreien leitet, hat in mehreren Publikationen seine kirchenkritische Haltung deutlich gemacht, aber auch begründet, wie „Glauben mit und trotz der Kirche geht“.

Mit viel Applaus begleiteten die ND-Teilnehmenden die Aussage von Jürgens: „Ich bin gern Pfarrer. Die Kirche ist meine Heimat. Ich verdanke ihr meinen Glauben. Deswegen werde ich sie auf keinen Fall aufgeben.“ Jürgens warb für eine andere Kirche, „bei der es sich lohnt, dranzubleiben“ und für eine Kirche, „die wieder den Menschen gehört und deshalb eine Zukunft hat“.

Arbeiten mit Gegenwind

Auch Prälat Peter Kossen machte mit seinen Aussagen Mut, in der Kirche zu bleiben, auch wenn Enttäuschungen zu verarbeiten seien. Der Pfarrer aus Lengerich ist wegen seines Einsatzes für Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie und Logistik-Branche bekannt.

Kossen erzählte vom „Gegenwind“, den er bei seinem Einsatz für die Arbeitsmigranten erlebt hat. „Auch in der Kirche gab es nicht die Solidarität, die ich mir erhofft hatte. Aber der lange Weg hat sich gelohnt: Es konnte viel erreicht werden, wenn man nicht aufgibt.“

ND-Kongress mit vielen Gesprächskreisen

Über Erfahrungen, Entscheidungen unter schwierigen Rahmenbedingungen zu treffen, sprachen die Kirchenmusikerin Sonja Manderbach aus Oldenburg, die sich der radikalen Klimaschutz-Gruppe „Letzte Generation“ angeschlossen hat, und Venera Topor, die mit Arbeitsmigranten arbeitet. Manderbach erklärte ihr konsequentes Handeln mit der Notwendigkeit, „Leben auch in Zukunft zu sichern“. Topor verwies auf die Notlagen vieler Menschen in Südosteuropa. Diese seien gezwungen, schwere Entscheidungen zu treffen, wozu die Migration gehöre.

Zum Thema „Bleiben oder gehen“ hatte der ND zu vielen Foren, Workshops, Aktionen und Exkursionen eingeladen. Zu den prominenten Rednern gehören unter anderem der langjährige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, die aus der Ukraine stammende Publizistin Marina Weisband, und der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD).

Der ND
Der ND versteht sich als katholisch geprägtes Netzwerk mit einer über 100-jährigen Tradition. Was im Jahr 1919 als Schülerbund und „Bund Neudeutschland“ begann, ist heute ein Netzwerk von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen. Im Gespräch über Glaubens- und Weltfragen suchen die Mitglieder nach zeitgemäßen Wegen, um Verantwortung in Kirche und Gesellschaft zu übernehmen. Dem „ND – Christsein.Heute“ gehören rund 3.500 Mitglieder an.

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