Themenwoche Seelsorge auf Rädern (1): Duisburg-Hamborn

Knatternd zu den Menschen – mit dem Kirchenmobil auf den Wochenmarkt

„Flügel“ hoch zur Einladung: Die italienische Ape umgebaut zum Kirchenmobil auf dem Wochenmarkt in Duisburg-Hamborn. | Video: Michael Bönte

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Der Fahrkomfort ist gering, der Zweitakt-Motor laut. Aber das italienische Dreirad der Pfarrgemeinde St. Johann in Duisburg-Hamborn haben alle ins Herz geschlossen. Das Kirchenmobil macht Station auf Veranstaltungen, Märkten und Friedhöfen.

Es wird laut in der Garage neben der St.-Johann-Kirche in Duisburg-Hamborn. Früh am Morgen fährt Schwester Ursula Preußer die Ape auf den Hof, um sie mit Kaffee, Kerzen und Honig zu beladen. Der kleine Zweitakter aus Italien braucht noch etwas, um auf Touren zu kommen. Im Stich gelassen hat das Dreirad sie und ihr ehrenamtliches Team aber noch nie, seitdem sie vor einem halben Jahr angefangen haben, mit ihm zu Veranstaltungen, Märkten und Friedhöfen zu fahren.

„Die Idee ist, dass wir selbst rauskommen aus dem innerkirchlichen Milieu“, sagt die Ordensfrau der Missionsärztlichen Schwestern. „Dass wir uns den Themen der ganz normalen Leute an ganz normalen Tagen aussetzen.“ Dafür kaufte die Pfarrgemeinde im vergangenen Spätsommer das Gefährt bei Ebay-Kleinanzeigen und baute es für die neue Bestimmung um. Knallrot ist es geworden, die Seiten lassen sich wie Flügel aufklappen, schwarze Punkte sind die Dekoration. Kein Wunder, dass das Projekt den Namen „Marienkäfer on Tour“ bekam.

Unterwegs in Duisburg-Hamborn

„Spirituell könnten wir davon sprechen, dass wir Gott auf der Straße begegnen wollen“, sagt Schwester Ursula. Dabei macht sie sich keine Sorgen darum, dass die Gespräche nicht religiös genug sein oder nicht genug Inhalt haben könnten. „Gott ist schon da und was in der Begegnung passiert, ist auf jeden Fall etwas Gutes – jede freundliche Begegnung gibt mehr Leben.“

Heute stehen Begegnungen auf dem Wochenmarkt in Duisburg-Hamborn an – mitten im ganz normalen Leben der Menschen aus der Ruhrgebietsstadt. Das kleine Café rund um den „Marienkäfer“ ist mit ihren zwei Helfern schnell aufgebaut. Die Kaffeemaschine beginnt zu zischen, Tische und Stühle warten auf die ersten Gäste. Einfache Zutaten für eine neue Kontaktfläche zu Passanten und Marktbeschickern.

Hilfe gegen schrumpfendes Ansehen

Themenwoche Seelsorge auf Rädern:
Wie sieht zeitgemäße Seelsorge anhand von hohen Kirchenaustrittszahlen und niedrigen Zahlen an regelmäßigen Gottesdienstbesuchenden aus? Darüber machen sich viele Pfarreien im Bistum Münster Gedanken. Kirche-und-Leben.de stellt Projekte vor und spricht mit einem Experten. Folge 1 spielt in Duisburg-Hamborn.

„Das ist eine schöne Sache“, sagt Klaus Bremenkamp aus Moers. Er hat den Eierstand direkt neben dem Kirchenmobil und gerade von der Ordensfrau eine frische Tasse Kaffee gebracht bekommen. „Das Ansehen der Kirche ist in den letzten Jahren ja geschrumpft.“ Da kann in seinen Augen eine solche Präsenz nur wertvoll sein.

Es ist eine Präsenz zwischen fünf Gurken für zwei Euro, dem Nussbraten für 1,09 Euro pro 100 Gramm und 18 Wachteleiern für 4,90 Euro. Was die Vertreter der Stadtkirche zu bieten haben, kostet nichts: Es sind Gespräche, manchmal hintergründig, manchmal traurig, oft aber fröhlich und offen. „Ich habe in der Seelsorgearbeit die Erfahrung gemacht, dass die spannendsten Sachen passieren, wenn nichts mehr passiert und man nur einen Kaffee zusammen trinkt“, sagt Schwester Ursula. „Wenn man selbst aus der Rödel-Schiene raus und zur Ruhe kommt – dann merkt man plötzlich, worauf die anderen wirklich warten.“

Ramadan und Afrika-Mission

Das Publikum ist so bunt wie die Menschen mit ihren unterschiedlichen Kulturen in dem Stadtteil. Der Muslim lehnt die angebotene Tasse Kaffee ab, weil er sich an das Fastengebot im Ramadan hält. Er bleibt trotzdem für einen kurzen Plausch. Die Frau aus Afrika bleibt etwas länger, um sich mit der Ordensfrau bei einem Tee über ihre Heimat zu unterhalten, in der die Schwester selbst einmal in der Mission im Einsatz war. Reiner Reich setzt sich mit einem belegten Brötchen an den Tisch und genießt einen Cappuccino. „Die Nähe zur Kirche hier finde ich gut“, sagt er. „Sonst will doch keiner noch etwas mit ihr zu tun haben – das ist schade.“

„Wir haben am Anfang damit gerechnet, dass die Gäste uns kübelweise mit ihrem Hass auf die Kirche überschütten“, sagt Schwester Ursula. Das ist nicht eingetreten. Im Gegenteil: „Eigentlich erleben wir nur positive Rückmeldung und Dankbarkeit.“ Auch aus der Pfarrgemeinde erfährt das Projekt viel Rückenwind, zehn ehrenamtliche Kräfte gehören mittlerweile fest zum Team. Alle haben die kleine Ape in ihr Herz geschlossen. Das knatternde Dreirad ohne Fahrkomfort und einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h. Und mit der fröhlichen Ausstrahlung eines Marienkäfers.

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