Erzbistum Köln weist Vorwürfe als "Spekulation" der Mitarbeiterin zurück

Mitarbeiterin: Woelki sagt Unwahrheit – Staatsanwaltschaft ermittelt

  • Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt angesichts neuer Vorwürfe nun doch gegen Kardinal Rainer Maria Woelki.
  • Die ehemalige Assistentin des früheren Personalchefs im Erzbistum sagt, es sei „nicht wahr“, dass Woelki erst ab der vierten Juni-Woche 2022 mit dem Missbrauchsfall Winfried Pilz befasst gewesen sei.
  • Das Erzbistum weist dies als "Spekulation" zurück.

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Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt nun doch gegen Kardinal Rainer Maria Woelki. Das sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Dem Erzbischof wird vorgeworfen, er habe in einem presserechtlichen Verfahren gegen die „Bild“-Zeitung eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben.

Bislang hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen in der Sache mit der Begründung abgelehnt, es gebe keinen wirklichen Anfangsverdacht. Nachdem eine Mitarbeiterin des Erzbistums Köln nun von neuen Details berichtete, sagte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn: „Wir haben das Vorliegen eines Anfangsverdachts nunmehr bejaht und insoweit förmliche Ermittlungen aufgenommen.“

Mitarbeiterin: Habe Woelki 2015 mit dem Fall Pilz befasst

Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (KStA) sagte Hildegard Dahm, die ehemalige Assistentin des früheren Personalchefs im Erzbistum, es sei „nicht wahr“, dass Woelki erst ab der vierten Juni-Woche 2022 mit dem Missbrauchsfall des früheren „Sternsinger“-Chefs Winfried Pilz befasst gewesen sei. 2015 habe sie eine Liste mit den Namen von 14 Priestern erstellt, denen Missbrauch angelastet wird. Darunter sei auch Pilz gewesen. Ihr Vorgesetzter habe die Liste zu einem Termin mit Woelki mitgenommen.

„Mag sein, dass er sich das Blatt mit Pilz und den anderen 13 Namen nicht angeschaut hat. Aber befasst habe ich ihn damit. Ganz eindeutig“, sagte Dahm. Nach der Sitzung mit Woelki habe sie von ihrem Chef wissen wollen, wie dieser auf die Liste reagiert habe. „Das hat den Kardinal überhaupt nicht interessiert“, habe er geantwortet.

Woelkis Versicherung

Im Verfahren gegen „Bild“ hatte Woelki an Eides Statt versichert: „Ich wurde mit dem Fall Pilz durch das Erzbistum Köln erst in der vierten Juni-Woche 2022 befasst, indem mir mitgeteilt wurde, dass (...) öffentliche Informationen und Aufrufe durchgeführt werden.“

Dahm zeigte sich „entsetzt“ über die heutige Selbstdarstellung des Erzbischofs in der Öffentlichkeit und beklagte Illoyalität Woelkis gegenüber seinen Mitarbeitenden. Sie ist nach wie vor beim Erzbistum tätig.

Kommission verlangt Aufklärung, „Maria 2.0“ ruft zu Boykott auf

Aufklärung verlangte der Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission für den sexuellen Missbrauch im Erzbistum Köln, Stephan Rixen. Dahms Ausführungen sprächen dafür, „dass es in der Führungsspitze des Erzbistums mindestens eklatante Versäumnisse, wenn nicht ein bewusstes Wegschauen und Vertuschen gegeben hat“, sagte er dem KStA. „Wenn es stimmt, dass eine Täterliste den Kardinal nicht interessiert hat, dann frage ich mich: Was wird in diesem Erzbistum eigentlich für ein Spiel gespielt?“

Die Initiative „Maria 2.0“ rief Gemeinden dazu auf, Firmtermine mit Woelki und seinen Weihbischöfen abzusagen, bis die aktuellen Vorwürfe geklärt seien. Die Gruppe kündigte eine Kundgebung am kommenden Mittwoch an. An diesem Tag verhandelt das Landgericht Köln über eine weitere eidesstattliche Versicherung Woelkis, die Kritiker ebenfalls anzweifeln.

Der Fall Pilz

Dem früheren „Sternsinger“-Chef Pilz wird sexuelle Gewalt gegen junge Männer vorgeworfen. Nachdem Woelki die eidesstattliche Versicherung in dem Fall abgegeben hatte, zeigten ihn drei Priester wegen Falschaussage an. Allerdings lehnte die Kölner Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Kardinal bisher wegen zu geringen Anfangsverdachts ab.

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen einen Diözesanbischof hat es in Deutschland bislang nur gegen den früheren Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst gegeben - wegen falscher eidesstattlicher Äußerungen in Zusammenhang mit einem Erste-Klasse-Flug nach Indien. Wegen zu geringen Anfangsverdachts lehnten die Behörden hingegen Ermittlungen gegen den heutigen Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke ab, der wegen eines Finanzskandals unter Druck ist. Auch gegen den ehemaligen Augsburger Bischof Walter Mixa gab es - nach Ende seiner Amtszeit - lediglich Vorermittlungen, die fallengelassen wurden.

Woelki weist erneute Vorwürfe zurück
Kardinal Rainer Maria Woelki weist den erneuten Vorwurf zurück, eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben zu haben. Nachdem die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen in der Sache ankündigte, nahm das Erzbistum Stellung: "Auch dieser erneute Versuch, Kardinal Rainer Maria Woelki eine falsche eidesstattliche Versicherung zu unterstellen, ist unbegründet."

Die Erzdiözese argumentiert, die beschuldigende Mitarbeiterin wisse nicht, ob der Kardinal die fragliche Liste, "eine andere oder gar keine Liste gesehen hat, behauptet dieses aber einfach ins Blaue hinein". Die Erzdiözese warf ihr "weitere Spekulationen" vor und kündigte an, arbeitsrechtliche Schritte zu prüfen.

Bistumssprecher Jürgen Kleikamp erklärte, seinem Eindruck nach solle Woelki vor einem Besuch der deutschen Bischöfe kommende Woche bei Papst Franziskus "von interessierten Kreisen noch einmal mit uralten Geschichten, die längst geklärt sind, an den Pranger gestellt werden". Franziskus hat über ein von ihm vor Monaten eingefordertes Rücktrittsgesuch Woelkis noch nicht entschieden. | KNA

Update 17.45 Uhr: Reaktion Woelki im Kasten.

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