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Was folgt aus der Kirchenmitgliedschafts-Untersuchung? Während die Umfrage-Zahlen die Rufe nach Reformen stärken, warnen Wissenschaftler auch davor, sich von Erneuerungen zu viel zu versprechen.
Die Ergebnisse der Kirchenmitgliedschafts-Untersuchung (KMU) der katholischen und evangelischen Kirche sind aus Sicht des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ein „deutliches Signal, Veränderungen entschlossen vorantreiben zu müssen“. Die KMU zeige, dass der Synodale Weg in „die richtige Richtung“ weise, erklärt ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp.
Die sehr große Mehrheit – insgesamt und unter den Katholiken – verlange genau die Reformen, für die das Reformprojekt stehe: Etwa, dass Priester heiraten dürfen, homosexuelle Partnerschaften gesegnet und Führungspersonen demokratisch gewählt werden.
„Gesellschaftliches Engagement erwartet“
Die katholische Kirche erlebe einen massiven Vertrauensverlust in der Gesellschaft. Gleichzeitig erwarteten Kirchenmitglieder, Mitglieder anderer Religionen und Konfessionslose von den Kirchen soziales und politisches Engagement, so Stetter-Karp. Das ZdK nehme sich dieser Forderung an, so Stetter-Karp. Gleichzeitig seien weitere Reforminitiativen innerhalb der Kirche nötig.
Es müssten neue Wege gefunden werden, wie religiöse und nicht-religiöse Menschen miteinander sprechen können, verlangt die ZdK-Präsidentin. Dazu müssten sich die Kirchen für Lebensfragen der Nichtreligiösen öffnen. Zugleich sei es eine spannende Herausforderung, „säkularen Menschen von der Bedeutung des Religiösen zu erzählen und Religion als Gewinn für das eigene Leben anzubieten“.
Schallenberg warnt vor zu großen Hoffnungen
Nach Ansicht des Religionssoziologen Detlef Pollack, der früher an der Universität Münster lehrte, sollte die katholische Kirche für ihre Profilschärfung allerdings weniger auf ihre Kritiker schauen. Die KMU lege nahe, „dass es nicht ausreicht, katholische Theologie über eine Abgrenzung von der Kirchenhierarchie zu betreiben“, schreibt er in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Die Studie widerlege auch die These, es gebe außerhalb der verfassten Kirche viel Religiosität und man könne diese Menschen vielleicht zurückgewinnen.
Der Paderborner Theologe Peter Schallenberg warnt im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vor allzu großen Hoffnungen, durch Reformen Menschen wieder für Gott gewinnen zu können. Die KMU zeige, dass die evangelische Kirche nicht von der Krise der katholischen profitiere, obwohl sie die geforderten Reformen umgesetzt habe.
Theologin: „Konservative Positionen werden abgelehnt“
Die an der KMU beteiligte evangelische Theologin Kristin Merle sagt in der „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“, die Kirchen müssten beweisen, „trotz Minderheit gesellschaftlich relevant zu sein“. Inzwischen sei es in der Gesellschaft eher begründungspflichtig, Mitglied in der Kirche zu sein als auszutreten. Vor allem mit Blick auf die katholische Kirche fügt sie hinzu: „Eine konservative Position wird unter den Befragten mit großer Mehrheit klar abgelehnt.“
Für die katholische Deutsche Bischofskonferenz hatte Bischof Peter Kohlgraf die KMU bewertet: „Wir würden uns in die Tasche lügen, wenn wir davon ausgehen, dass wir uns einfach nur besser auf die Menschen einstellen müssen und dann wieder alles in Ordnung sein wird. Es gibt nicht nur ein Problem des religiösen Angebots, sondern auch der religiösen Nachfrage.“