Chefredakteur Markus Nolte über Fortschritte der Kirche in Deutschland

Ohne Sexualmoral-Reform bleibt alle Queer-Öffnung verdächtig

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Seit MHG-Missbrauchsstudie und Synodalem Weg hat sich die Position zu Homosexualität auch bei Bischöfen hierzulande deutlich geöffnet. Das zeigen auch entsprechende Beauftragungen im Bistum Münster. Ein großer Fortschritt, sagt Chefredakteur Markus Nolte in seinem Kommentar - allerdings nur in katholischer Maßeinheit. Und auch da bleibt Skepsis angebracht.

Regenbogenflaggen flattern an Münsters Paulusdom zwar nicht, aber offenbar will die Bistumsleitung mehr Regenbogenfarbe bekennen. Binnen anderthalb Jahren hat Bischof Felix Genn zwei Frauen und einen Mann beauftragt: für alle Fragen von Diversität, für homosexuelle und andere queere Menschen und ihre Anliegen, für sexuelle Bildung. Gut so!

Noch vor wenigen Jahren wäre das nicht denkbar gewesen – das bleibt die Tragik trotz der neueren Entwicklungen. Erst die große Missbrauchsstudie von 2018 hat offenbar einiges an Einsicht und Umdenken provoziert. Doch nicht zuletzt die Basis-Aktionen „liebegewinnt“ im Mai 2021 und „OutInChurch“ Anfang dieses Jahres haben mit bewundernswertem Mut, herrlichem Selbstbewusstsein und großartigem Engagement sehr deutlich gezeigt: Die Kirche hat sich längst geändert – jetzt müssen „nur noch“ die Kirchenleitungen mitziehen.

Meilensteine - in katholischer Maßeinheit

Dass tatsächlich auch bei ihnen einiges möglich ist, haben sie jüngst durch die Reform des kirchlichen Arbeitsrechts angekündigt. Auch das ist zweifellos ein großer Schritt – zumindest in katholischer Maßeinheit. Die Bewährung durch Konkretisierungen, Klärungen und Inkraftsetzen allerdings steht noch aus.

Wie ein wahrer Meilenstein nimmt sich da aus, wie der Großteil der deutschen Bischöfe bei ihrem Vatikan-Besuch auf Veränderungen der Sexualmoral und nicht zuletzt der Bewertung von Homosexualität gedrängt hat. Um sich dann die erwartbar ignorante Gehorsams-Mahnung des Vatikans abzuholen.

Das Grundproblem bleibt

Auch darum: Was sich hierzulande an Wut- und Muträumen im innerkirchlichen Diskurs geöffnet hat, was an Angst und damit an Denunziantenfutter genommen wurde – das hat das Leben nicht zuletzt vieler queerer Gläubiger leichter gemacht. Naja, gemessen jedenfalls an den Verletzungen, die sie zuvor ertragen haben.

Allerdings täuscht das nicht über das Grundproblem hinweg: Nichts sieht danach aus, dass sich an der Lehre fundamental etwas ändern würde. So lange aber wird und muss sich die Kirchenleitung auch nicht damit auseinandersetzen, dass sie mit ihrer Moral schuldig geworden ist an Menschen. So lange steht auch ein neues Arbeitsrecht unter dem Verdacht, vor allem die kirchliche Personalnot lindern zu sollen.

Und so lange sollten Regenbogenfahnen nicht an Kirchen hängen. Schon gar nicht an Kathedralen.

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