Rainer Teuber über Preisverleihung an ARD-Doku "Wie Gott uns schuf"

OutInChurch-Initiator: Bischöfe sprechen weiter über uns - nicht mit uns

Anzeige

Die ARD-Doku „Wie Gott uns schuf“ über die queer-katholische Initiative OutInChurch wird am 3. November mit dem Katholischen Medienpreis ausgezeichnet. Die Initiatoren von OutInChurch allerdings sind zur Preisverleihung nicht eingeladen. Für Rainer Teuber, einen der Mitbegründer, ist das symptomatisch. Ohnehin habe sich nicht viel getan, beklagt er im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ und fordert mehr Mut und Einsatz von den Bischöfen - nicht zuletzt in Rom.

Herr Teuber, der Katholische Medienpreis zeichnet eine eng mit OutInChurch verbundene ARD-Doku über queere Menschen in der katholischen Kirche aus. Anne Will hält die Laudatio. Doch die Initiatoren von OutInChurch sind zur Preisverleihung nicht eingeladen. Wie bitter ist das?

Das ist äußerst bitter. Wir gratulieren den Preisträger*innen voller Respekt und Anerkennung für die journalistische Leistung und freuen uns mit ihnen über die verdiente Würdigung einer sehr aufwendigen und intensiven Arbeit. Aber gerade weil die Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ ohne die bei #OutInChurch versammelten Menschen nicht denkbar ist, hätten wir uns eine offizielle Einladung als Zeichen der Wertschätzung und des Respekts gewünscht. Immerhin haben sich 16 von uns für die Teilnahme an der Preisverleihung registriert und inzwischen zumindest reservierte Plätze in der Nähe der Preisträger*innen zugesichert bekommen. Sprechen darf am Abend der Preisverleihung aber ausdrücklich niemand von #OutInChurch. Und das bedeutet wieder einmal: Die Menschen, die der Film „Wie Gott uns schuf“ porträtiert, werden an dieser Stelle nicht als für sich selbst sprechende Subjekte, sondern als Objekte ohne eigene Stimme behandelt.

Von diesem Event abgesehen, scheint sich seit Januar dieses Jahres nicht viel an greifbaren Veränderungen getan zu haben – ein liberaleres Arbeitsrecht etwa war ursprünglich schon für Sommer in Aussicht gestellt. Wie deuten Sie das?

In der Tat ist es bisher so, dass keine der insgesamt sieben Kernforderungen von #OutInChurch erfüllt worden ist. Weiterhin ist ein Leben ausgerichtet an der eigenen sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität – vor allem in Form einer daraus folgenden Partnerschaft oder Zivilehe – ein Loyalitätsverstoß. Die immer im Raum stehende Drohung mit einer arbeitsrechtlichen Kündigung muss ein Ende finden. #OutInChurch erwartet daher von den Bischöfen, dass sie bei der anstehenden Sitzung ihres Ständigen Rates Mitte November eine Änderung des katholischen Arbeitsrechts und der Grundordnung des kirchlichen Dienstes vornehmen, sodass die Diskriminierung queerer Menschen im kirchlichen Dienst – und damit ein großes Leid – beendet wird.

Gleichwohl gibt es einen Entwurf zur Neufassung der kirchlichen Grundordnung.

Das stimmt, da tauchen jedoch interpretationsbedürftige, letztendlich schwammige Begriffe auf, die neue Rechtsunsicherheiten schaffen. Was genau bedeutet „kirchenfeindliches Verhalten“? Zählt dazu beispielsweise bereits das öffentliche Engagement für #OutInChurch? Ich vermisse für unsere Initiative in diesem Entwurf nach wie vor die Berücksichtigung der Geschlechtsidentität. Hier entstehen neue Unsicherheiten, die unbedingt eine Nachbesserung erfordern, damit eben auch der kirchliche Arbeitsplatz für trans- und intergeschlechtliche Menschen, für non-binäre Mitarbeiter zu einem Arbeitsplatz ohne Angst wird. Ins Bild passt, dass auf die in unserer Initiative vorhandene Kompetenz seitens der Bischöfe nicht zurückgegriffen wurde, obwohl wir mehrfach unsere Unterstützung angeboten haben. Auch hier wird über uns – nicht mit uns – gesprochen.

Wie steht es um eine angstfreie Kirche für kirchliche Mitarbeitende? Was hat sich seit OutInChurch hier in Deutschland verändert – positiv wie möglicherweise auch negativ?

Teuber
Rainer Teuber ist einer der Initiatoren der Initiative OutInChurch. | Foto: Waschk (pd)

Unsere Idee, den Schutz des Einzelnen durch das Herstellen von Öffentlichkeit zu gewährleisten, ist zumindest bis heute aufgegangen. Aufgrund der relativ hohen Zahl der Mitwirkenden sind dienstrechtliche Konsequenzen bislang ausgeblieben. Seit Kampagnenstart von #OutInChurch im Januar 2022 überbieten sich manche Bischöfe und Generalvikare zudem mit Dankesworten und Solidaritätsbekundungen, oft leider wenig konkret und wenig konsequent. Andere Bischöfe und Generalvikare hingegen schweigen bis heute, durchaus laut. Wie es aber auch gehen kann, zeigt inzwischen eine Reihe von Bistümern, darunter Würzburg, Hamburg und Essen, indem sie die Aussetzung der kirchlichen Grundordnung – also des arbeitsrechtlichen Rahmens für Beschäftigte der Katholischen Kirche – für öffentlich gelebte nicht heterosexuelle Partnerschaften und Zivilehen zumindest zusichern. Ein erster wichtiger Schritt, der aber keine Rechtssicherheit schafft.

Welche Auswirkungen hatte der Eklat bei der Synodalversammlung nach der Ablehnung des Grundsatzpapiers zu einer Reform der Sexuallehre?

Drei Mitwirkende von #OutInChurch nahmen als Synodal*innen beziehungsweise Berater*innen auch an dieser Synodalversammlung teil. Sie erlebten – so wie die überwiegende Mehrheit der Versammlung – ein Debakel. Auch wenn die sich aus dem Grundtext ableitenden Handlungsempfehlungen nach mehreren Krisensitzungen die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe fanden, steht der Synodale Weg meines Erachtens vor einem Scherbenhaufen. Ich halte es für unmöglich vorherzusagen, welche Beschlüsse am Ende des Prozesses bei der fünften und letzten Synodalversammlung im März 2023 noch verabschiedet werden. In jedem Fall ist offen zutage getreten, wie verhärtet die Fronten zwischen konservativen und reformbereiten Bischöfen sind. Mich beunruhigt das sehr.

Änderungen in der kirchlichen Morallehre fordern inzwischen auch manche deutschen Bischöfe. Was bedeutet Ihnen das?

Jede Forderung nach einer Änderung der kirchlichen Morallehre ist zu begrüßen, ganz gleich, wer sie äußert: Bischöfe, Moraltheologen oder eben unsere Initiative. Jeder Ruf nach Veränderung ist gut und wichtig. Woran die bischöflichen Reformer in meinen Augen aber noch arbeiten müssen, ist, sich zu vernetzen, abzustimmen und dafür zu sorgen, dass sie lauter werden und mit einer Stimme sprechen.

Auf keinen Fall dürfen sich Rufe der Bischöfe nach Veränderungen als Feigenblatt-Rhetorik entpuppen. Dies würde den vermeintlichen Reformkurs als große „Pinkwashing“-Kampagne entlarven. Wie ernst es den deutschen Bischöfen tatsächlich mit der Reform der kirchlichen Morallehre ist, wird ihr Ad-Limina-Besuch in einigen Tagen bei Papst Franziskus zeigen. Hier steht dann auch die Glaubwürdigkeit der progressiveren Bischöfe auf dem Spiel.

Für wie realistisch halten Sie Segnungsfeiern für queere Paare?

Nun, ich bin skeptisch, aber nicht entmutigt, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ich befürchte, dass wir im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz eine Art Flickenteppich erleben werden. Seit Jahren wartet eine Publikation mit deutschlandweit verbindlichen liturgischen Formaten für Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare auf ihre Veröffentlichung. Dieses Thema hat nicht zuletzt auf der letzten Synodalversammlung einen herben Rückschlag erlitten. Und dennoch hat sich etwas Wesentliches verändert. In Teilen der Kirche zeigt sich eine neue Haltung, ein gestärktes Selbstbewusstsein und auch die Kraft zur Selbstermächtigung – etwas, was als „pastoraler Ungehorsam“ bezeichnet werden kann, also ein Auflehnen gegen das römische Lehramt. Das alles ist notwendig, um zu zeigen, dass unsere Kirche relevant ist. Denn sie hat eine frohe Botschaft zu verkünden, die es wert ist, gehört, verstanden und gelebt zu werden. Zu dieser Botschaft gehört für mich, dass jede Liebe segenswert ist und dass dieser Segen direkt von Gott kommt. Er kommt eben nicht von einer bischöflichen Kathedra oder nur durch Weihe.

Ist ein Flickenteppich wirklich eine Lösung?

Wir werden ihn aushalten müssen, auch wenn das zunächst so aussieht, als gefährde er die vielbeschworene Einheit der Kirche. Für mich bedeutet Einheit aber unter anderem nicht, alles überall und zur gleichen Zeit zu tun. Wir müssen lernen zu akzeptieren, dass wir als Kirche in unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sind. Mancher Ortsbischof kann den Schritt zu einer Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eher tun als manche seiner Mitbrüder. Das sollte ihn aber nicht hindern, diesen Schritt zu tun, also mutig und angstfrei voranzugehen.

Wie nehmen Sie die Stimmung queerer Menschen in der Kirche wahr, die sich in OutInChurch verbunden wissen?

Ich sehe ein gemischtes Bild. Wir haben auf der einen Seite gezeigt, dass 125 mutige Menschen eine Debatte anstoßen können, die weit über den innerkirchlichen Kontext in die Gesellschaft hinein eine Strahlkraft entwickelt hat. Ich möchte nicht verschweigen, dass es für uns alle äußerst kräftezehrend ist, öffentlich für eine Kirche ohne Angst einzutreten. Denn wir sind immer wieder auch mit unserer eigenen Biografie gefordert, alte und scheinbar überwunden geglaubte Verletzungen neu anzugehen. Zuweilen entsteht dann wieder das Gefühl, nicht so richtig gewollt zu sein. Auf der anderen Seite haben wir aber auch (queere) Menschen in unserer Kirche längst verloren. Glücklicherweise gibt es noch genügend Menschen, die auch künftig dafür sorgen werden, dass #OutInChurch sichtbar, hörbar und wahrnehmbar bleibt. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns als queere Menschen spätestens seit Kampagnenstart als lebendiger Teil dieser Kirche etabliert und eindrucksvoll belegt haben: #OuInChurch wirkt!

Anzeige