Chefredakteur Markus Nolte zu geschassten Hirten und fehlender Transparenz

Roms Umgang mit Bischöfen schadet Bischofsamt und Gottesvolk

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In wenigen Tagen soll Georg Gänswein den Vatikan verlassen und in seine Heimat zurückkehren. Wie lange, weiß keiner. Mit welcher Aufgabe, auch nicht. Man kann über den Kurienerzbischof denken, was man mag - angesichts dieser und weiterer Facetten römischer Personalpolitik darf man sich nicht wundern, dass anstehende Ernennungen in Deutschland eher Grund zur Sorge denn zu freudiger Erwartung geben, meint Chefredakteur Markus Nolte.

„Ja, wir haben eine Krise des Bischofsamts“, hat Münsters Bischof Felix Genn im Interview mit Kirche-und-Leben.de 2021 nüchtern und beschämt bekannt. Der Vatikan – um nicht direkt zu sagen: Papst Franziskus – tut viel dafür, dass sich daran nichts ändert. Mit Personalpolitik hat das zumindest in deutscher Perspektive inzwischen derart wenig zu tun, dass das Bischofsamt selber beschädigt wird – und damit das Volk Gottes.

Konkret: Erzbischof Georg Gänswein wird in seine Heimat­diözese Freiburg verbannt, Kardinal Rainer Maria Woelki ist seit mehr als einem Jahr ohne päpstliche Entscheidung auf einem bischöflichen Schleudersitz geparkt, Kardinal Reinhard Marx wird der Rücktritt verweigert, Bischof Franz-Josef Bode hingegen postwendend in den Ruhestand geschickt.

Leitungszentrale und Hinterhöfe

Im Vatikan sieht‘s mit deutscher Brille nicht besser aus: Nachdem er im Bistum Limburg nicht mehr tragbar war, beorderte Franziskus Bischof Franz-Peter Tebartz van Elst 2014 auf einen Posten in der Leitungszent­rale der Weltkirche.

Und nachdem Kardinal Gerhard Ludwig Müller nicht mehr als Präfekt der Glaubenskongregation gelitten war, schickte ihn der Papst in den vorgezogenen Ruhestand. Seitdem verbreitet der eins­tige Top-Lehramtshüter der katholischen Kirche als nach wie vor papstwahlberechtigter Purpurträger verquere Privatoffenbarungen aus römischen Hinterhöfen.

Bischöfe quasi menschenleerer Diözesen

Man kann über diese Männer denken, was man will – aber sie sind und bleiben Bischöfe, sollte man meinen. Sie sind es allerdings nicht für sich oder den Papst, sondern fürs Volk Gottes. Es spricht für sich, wenn dem Großteil der Bischöfe weltweit untergegangene, quasi menschenleere Titel-Diözesen als „Herden“ übertragen werden oder sie neben einem amtierenden Diözesan-Erzbischof als Titular-Erzbischof in ein Erzbistum verpflanzt werden – zudem wie im Freiburger Fall von Georg Gänswein, mit der nebulösen Frist „für den Moment“.

Demokratie mit Heiligem Geist

Das alles sind Zumutungen fürs Volk Gottes. Mehr noch: Wo die Gläubigen deutlicher beteiligt werden wollen, um einen für sie guten Bischof zu finden, verdächtigt man sie demokratischer Umtriebe und untersagt echauffiert derlei Bestrebungen.

Dabei ist es seit Jahrhunderten frommende und bewährte Praxis, dass benediktinische Gemeinschaften ihre Oberen – die unabhängig vom Ortsbischof ihrer Gemeinschaft vorstehen und später sogar Mitra, Stab und Ring tragen dürfen (es tun immer weniger, was gut ist) – frei und geheim wählen. Selbstverständlich nach Anrufung des Heiligen Geistes.

Wie wär's mit Losen?

Drei Bischofssitze sind in Deutschland derzeit vakant: in Paderborn hofft man, nach neunmonatiger Wartezeit zum Liborifest Ende Juli einen neuen Erzbischof zu haben; in Bamberg warten sie seit November vergangenen Jahres; Osnabrück dürfte erst im nächsten Jahr neu besetzt werden. Es sollte ausgeschlossen sein, dass eines dieser Bistümer zum Versorgungssitz eines im Vatikan geschassten Erzbischofs wird.

Die Personalpolitik der letzten 50 Jahre führt fatalerweise immer mehr dazu, dass Bischofsernennungen eher Sorge denn freudige Erwartung auslösen. Und Transparenz in diesen Entscheidungen – in anderen kirchlichen Bereichen gerade ganz besonders groß geschrieben – fehlt hier völlig.

Vielleicht sollte man doch, wie einst beim Apostel Matthias, einfach das Los werfen.

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