Großes Sommerinterview mit Bischof von Münster

Felix Genn: Bin auf der Seite der Frauen und Homosexuellen

  • Homosexuelle Menschen sind von der Kirche über Jahrzehnte verletzt worden, beklagt Bischof Felix Genn im großen Interview zu aktuellen Themen mit "Kirche-und-Leben.de".
  • In einer Gesellschaft, die so stark vom Gedanken der Gerechtigkeit und der Gleichberechtigkeit geprägt ist, könne er verstehen, dass die kirchliche Lehre auf Widerstand stößt.
  • Zugleich hält er es für möglich, dass noch Papst Franziskus ein Konzil oder eine große Synode einberuft, "weil es Fragen gibt, die des weltkirchlichen Austauschs bedürfen".

 

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Kirchliche Positionen etwa zur Weihe von Frauen und zu homosexuellen Partnerschaften mit gesellschaftlichen Grundüberzeugungen zu vereinen, hält Müns­ters Bischof Felix Genn für eine zentrale Frage und zugleich für eine „wahnsinnige Herausforderung“. 

„In einer Gesellschaft, die so stark vom Gedanken der Gerechtigkeit und der Gleichberechtigung geprägt ist“, könne er verstehen, dass die kirchliche Lehre auf Widerstand stößt, sagte Genn im großen Sommerinterview von „Kirche+Leben“ zu aktuellen Kirchenthemen. „Wenn man den Aspekt der Gerechtigkeit betrachtet, bin ich ganz und gar auf der Seite der Frauen und der homosexuellen Menschen“, bekannte der Bischof.

 

Entschuldigung bei Homosexuellen?

 

Es gehe bei diesen Fragen nicht nur um Moral oder Dogmatik. Zwar solle die Kirche etwa zur Homosexualität etwas sagen. „Aber es stellt sich die Grundfrage, wie sie mit Menschen umgeht, besonders mit Blick auf homosexuelle Menschen, die über Jahrzehnte durch Äußerungen der Kirche verletzt wurden.“

Genn sprach sich dafür aus, im Rahmen des Synodalen Weges darüber zu sprechen, ob es eine formelle Entschuldigung der Kirche für ihr Verhalten gegenüber homosexuellen Menschen geben kann.

Mit Blick auf pastorale Mitarbeitende, die oft heimlich in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, plädierte Genn dafür, "offen mit den Wirklichkeiten umzugehen". Er erwarte Ehrlichkeit von den MItarbeiterinnen und Mitarbeitern. "Und eine solche Ehrlichkeit wird niemandem schaden", ergänzte er.

 

„Krise des Bischofsamts“

 

Zugleich frage er sich, wie die Lehre der Kirche vermittelt werden kann. „Auch hier gehe ich ja davon aus, dass der Heilige Geist das Lehramt geführt hat, auch wenn es sich über die Jahrhunderte immer wieder verändert hat“, sagte der Bischof.

Er sieht nicht zuletzt Priester und Bischöfe „fundamental in Frage“ gestellt. „Wir sind definitiv auch in einer Krise des Bischofsamts“, sagte Genn. Er stelle sich intensiv die Frage, wie er seinen Dienst gestalte – auch im Verhältnis zu den Gläubigen. „Ich will keine Schäfchen“, betonte Genn.
Er halte es für möglich, dass vielleicht schon Papst Franziskus ein Konzil oder eine große Synode zusammenruft, „weil es bestimmte Fragen gibt, die des weltkirchlichen Austauschs bedürfen“, sagte Genn.

 

Genns Umgang mit Missbrauch

 

„Bei bestimmten Themen haben wir Fragen, die dürfen durchaus auch die Weltkirche beschäftigen.“ Zugleich warnte er davor, als Deutsche zu meinen, alles besser als andere zu wissen.  Das sei „fatal und hochgefährlich“, warnte Genn. „Wir sollten hören, ob wir der Weltkirche nicht nur Fragen geben könnten, sondern ob es auch von dort theologisch qualifizierte Antworten gibt.“

Mit Blick auf den Umgang mit Missbrauch etwa des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki oder des Münchner Kardinals Reinhard Marx, der wie Genn auch im Bistum Trier tätig war, erklärte Genn, sich selbst bezüglich seiner Zeit dort, in Essen oder Münster keiner Schuld bewusst zu sein.

Weitere Themen des Sommerinterviews mit Bischof Felix Genn sind die massiven Zahlen bei Kirchenaustritten, Macht und Autorität, Lehren aus der Corona-Pandemie und die synodalen Prozesse sowohl in Deutschland als auch im Bistum Münster und in der Weltkirche.

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