Theologin aus Lüdinghausen lebt seit 40 Jahren mit ihrer Frau zusammen

Monika Schmelter bei "OutInChurch": Ich will keine Kirche der Angst mehr

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Monika Schmelter ist Theologin und hat lange in leitender Position bei der Caritas gearbeitet. Ihre Frau war Religionslehrerin an einer Ordensschule. Heute sind beide im Ruhestand. Früher hätten sie aus Angst, ihre Jobs zu verlieren, nie bei der Aktion „OutInChurch“ mitgemacht, bei der sich 122 kirchliche Mitarbeitende als LGBTIQ+-Personen geoutet haben. Jetzt aber ist Schmelter umso überzeugter dabei.

Warum machen Sie bei „OutInChurch“ mit und outen sich als lesbisch?

Für mich ist der Untertitel dieser Aktion ganz wichtig: „Für eine Kirche ohne Angst.“ Ich habe eine Kirche der Angst erlebt, mit Doppelmoral und Sich-Verstecken-Müssen. Das wollte ich nie, das will ich schon gar nicht jetzt mehr. Ich engagiere mich aus Solidarität mit den Menschen, die noch im kirchlichen Dienst sind. Denn ich weiß, wie viele Menschen Angst haben, sich in ihren Arbeitsverhältnissen offen zu zeigen.

Wie schwer fiel Ihnen dieser Schritt?

Seit 2019 bin ich im Ruhestand, daher fiel mir das jetzt nicht so schwer. Und doch ist es ein Stück persönlicher Befreiungsgeschichte. Ich hätte immer gern offen zu meiner geschlechtlichen Identität gestanden, aber das ging nicht. Da wäre ich meinen Job losgewesen.

Angenommen, so eine Outing-Aktion wie jetzt hätte es schon früher gegeben – wären Sie dann dabei gewesen?

Ich habe mich bei meinem letzten Arbeitgeber geoutet – allerdings eher gezwungenermaßen. Es gab damals eine dienstrechtliche Auseinandersetzung, die ich als Leitung mit einer Mitarbeiterin zu führen hatte. Und diese Mitarbeiterin wusste, dass ich lesbisch bin. Damit war ich erpressbar. Also habe ich mich bei meinem Vorgesetzten geoutet. Der lud zum Gespräch, und auf dem Tisch lag die kirchliche Grundordnung, also gewissermaßen das Arbeitsrecht für kirchliche Mitarbeitende. Weil ich einen Menschen des gleichen Geschlechts liebe, sollte überprüft werden, ob meine Beziehung ein öffentliches Ärgernis ist. Das war furchtbar, kränkend, demütigend. Das Ergebnis: Weil wir 66 Kilometer vom Dienstort entfernt wohnten, sah man kein öffentliches Ärgernis. Aber es durfte nicht am Arbeitsort bekannt werden, dass ich mit einer Frau zusammenlebe. Das ist übrigens keineswegs lange her, sondern war vor weniger als zehn Jahren.

Seit wann wissen Sie, dass Sie lesbisch sind? Wie sind Sie damit umgegangen?

Geahnt habe ich das, seit ich 12 bin. Allerdings auch immer mit dem Gedanken: Das ist nicht in Ordnung. Also habe ich mich der heterosexuellen Norm gebeugt, hatte einen Freund, aber das war schwierig.

Sie gehörten sechs Jahre einem Orden an. Wie war das, als lesbische Frau mit Frauen zusammenzuleben?

Das war Ende der 70er, Anfang der 80er. Zu der Zeit hätte ich durchaus schon von mir selber gesagt: Ich bin eine lesbische Frau. Die Gemeinschaft war jung, ich fühlte mich dort sehr wohl. Gegen Ende des Noviziats habe ich mich in eine Mitschwester verliebt. Als ich mich einer Oberin anvertraute, unterstützte sie mich erstaunlicherweise sehr. Ich solle das als junge Frau genießen, mir aber auch Gedanken darüber machen, ob das Kloster mein Weg ist. Das war echte Empathie, ganz ohne die moralische Keule. Und ich bin geblieben. Ohnehin haben mich Menschen in der katholischen Kirche auf diesem Weg immer sehr unterstützt. Wahrscheinlich bin ich deshalb bis heute nicht ausgetreten. Damals jedenfalls zog ich zum Theologiestudium nach Münster – und im Nach­barzimmer wohnte meine heutige Frau. Ich begann, mich mit feministischer Theologie zu beschäftigen. Das hat mich freier gemacht und auch zu meinem Austritt aus dem Orden geführt. 1990 haben Marie und ich in einer christlichen Basisgruppe in den Niederlanden Hochzeit gefeiert. Das war sehr bewegend – wir waren sowas wie katholische Trendsetter. Das hat unsere Beziehung sehr geprägt.

Was raten Sie homosexuellen Menschen im kirchlichen Dienst: outen, verstecken oder gehen?

Da gibt es kein Patentrezept. Ich würde sagen: Höre auf dein Gefühl, trau ihm! Schließ dich Netzwerken an.

Was erwidern Sie katholischen Gläubigen, die sagen: Homosexualität ist eine Sünde, erst recht, wenn sie gelebt wird?

Tja, was soll ich dazu sagen? Ich würde im Brustton der Überzeugung sagen: Darüber möchte ich gar nicht mehr reden. Ich empfinde mein Sosein als Gottesgeschenk.  Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Im vergangenen Jahr gab es die Aktion „#liebegewinnt“ – aus Solidarität mit gleichgeschlechtlichen Paaren, deren Segnung Rom erneut untersagt hatte; der Synodale Weg befasst sich mit dem Thema Homosexualität, auch Bischöfe sprechen sich für eine Neubewertung aus. Welche Chancen haben Reformen?

Ich bin da ambivalent. Offenkundig hat der direkte Kontakt mit queeren Menschen auch den einen oder anderen Bischof verändert. Das lässt mich hoffen. Offenbar haben auch die Vorlagentexte des Synodalen Wegs zum Thema Homosexualität die Chance auf eine Zweidrittelmehrheit der Bischöfe. Aber man darf die rechtskatholischen Kräfte nicht unterschätzen. Deren Seilschaften und Netzwerke sind eine wirkliche Bedrohung für alle Reformprozesse. Ich weine über jede Frau von „Maria 2.0“, die enttäuscht unsere Kirche verlässt. Das tut mir unendlich leid, weil ich überzeugt bin: Es gibt ein echtes Befreiungspotenzial in der christlichen Botschaft, die auch unserer Gesellschaft gut täte. Ich möchte in der Kirche bleiben – aber das geht nur, wenn sie sich von Grund auf und systemisch verändert.

ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“
"Das Erste" zeigt am 24. Januar um 20:30 Uhr die Dokumentation „Wie Gott uns schuf“. Auch Monika Schmelter und ihre Frau Marie Kortenbusch kommen darin vor. Die Dokumentation ist bereits in der Mediathek abrufbar.

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