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Betroffene von Missbrauch im Erzbistum Köln reagieren „überrascht“ auf die ersten personellen Konsequenzen des Gutachtens zum Thema. Ein früherer Sprecher sagte allerdings, die Verantwortlichen hätten ihre Schuld auch früher selbst eingestehen können. Zudem fehle die moralische Bewertung.
Betroffene von Missbrauch im Erzbistum Köln reagieren „überrascht“ auf die ersten personellen Konsequenzen des Gutachtens zum Thema. Peter Bringmann-Henselder vom Betroffenbeirat des Erzbistums begrüßte zugleich, dass das Gutachten endlich vorliege: „Auf diesen Schritt mussten wir lange, zu lange warten.“ Er lobte, dass die Gercke-Kanzlei den Beirat bei der Erarbeitung einbezogen habe. Nun werde das Gremium über die Inhalte beraten.
Der frühere Sprecher des Beirats, Patrick Bauer, äußerte sich ähnlich. Dass Kardinal Rainer Maria Woelki schon heute Offizial Günter Assenmacher und Weihbischof Dominikus Schwaderlapp vorläufig suspendiert habe, habe ihn „in dieser Deutlichkeit überrascht“, sagte Bauer im ZDF. Ihm fehle aber, dass diese Männer nicht vorher selbst ihre Schuld eingestanden hätten.
„Moralische Bewertung fehlt“
Bauer betonte, ihm fehle auch die moralisch-ethische Bewertung: „Dazu brauche ich keine Gutachten.“ Er nannte es „erbärmlich“, dass es angeblich so viel „Überforderung und Nichtwissen“ bei Verantwortlichen im Erzbistum mit Blick auf Rechtsgrundlagen gegeben habe. Da sehe er viel „grobe Fahrlässigkeit“ bei Verantwortlichen.
Gut sei, dass das Gutachten klar benannt habe, dass vielen Verantwortlichen der Schutz der Täter immer wichtiger war als der Schutz der Opfer. „Aber für diese Erkenntnis hätte es eigentlich auch nicht Professor Gercke gebraucht.“
„Eckiger Tisch“: Bekommen, was man bestellt hat
Als „Freispruch“ für Woelki bezeichnet der Sprecher der Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, das Kölner Missbrauchsgutachten. „Was man bestellt hat, hat man bekommen“, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das Gutachten kläre weder moralische noch kirchenrechtliche Fragen.
Katsch kritisierte zudem, die Perspektive der Betroffenen habe für die Erstellung des Gutachtens keine Rolle gespielt. Das Gutachten sei kein Ersatz für Aufarbeitung, so Katsch. Diese müsse erst noch geschehen.
Betroffener: Kirchenfürsten ohne Moral
Der ehemalige Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln, Karl Haucke, formulierte ein nach eigener Aussage „hartes Urteil“: „Nach dieser Showveranstaltung von eben bin ich der Meinung, die theologischen Fakultäten in Deutschland können ihren Laden schließen“, sagte er vor Journalisten am Kölner Dom. Die Kirche brauche keine Moral, weil auch die „Kirchenfürsten“ keine Moral hätten.
Update 14.15 Uhr: Katsch und Haucke ergänzt