Seelsorge auf dem Campingplatz in Schillig

Sonne, Sand und Strandgebet

Ein kirchliches Angebot am Strand organisieren – im eigenen Urlaub? Zwei Familien aus Hessen bildeten in diesem Sommer das erste Team der Campingseelsorge in Schillig an der Nordsee. Mit viel Vorfreude auf Sonne, Meer und Erholung. Aber nicht nur darauf.

Anzeige

Morgens, zehn Uhr. Der Tag beginnt mit einer Arbeitssitzung im Bischof-Reinhard-Haus. So heißt das Pfarrheim von Schillig, wo der Familiengottesdienst am Sonntag geplant werden soll. Welche Fürbitten nehmen wir? Welche Lesung? Wer kümmert sich um die Waffeln für den Kirchenkaffee hinterher? Nach einer halben Stunde ist alles geklärt. Geschafft.

Claudia Walter lächelt. „Das ist für mich aber keine Arbeit“, sagt sie. „Es ist das, was ich sowieso gern mache: ein bisschen Urlaub, ein bisschen Glauben, ein bisschen Gemeinde.“

 

500 Kilometer von Stau zu Stau

 

Wegen dieser Mischung war die 35-Jährige aus der Nähe von Fulda sofort Feuer und Flamme, als eine Freundin von der Möglichkeit schwärmte, im Sommer für drei Wochen als Familienteam bei der Urlauberseelsorge auf dem Campingplatz in Schillig mitzuhelfen. „Ich wollte das auch mal ausprobieren“, sagt sie.

Claudia Walter war von dem Einsatz sofort begeistert.
Claudia Walter war von dem Einsatz sofort begeistert.|Foto: Michael Rottmann

Dazu ist sie die rund 500 Kilometer zur friesischen Küste gefahren, allein mit ihren drei Kindern. Ihr Mann konnte nicht mit, er musste arbeiten. Mehr als sieben Stunden hat sie sich von Stau zu Stau gen Norden gequält.

Der Lohn: der weite Blick vom Deich zum blauen Horizont oder auf die Uferschwalben, die über das blassgrüne Dünengras hinwegflitzen, dazu der Geschmack von Salzwasser auf den Lippen. Urlaubsidyll zum Seele-Baumeln-Lassen. Und – eine Aufgabe.

 

Das erste Team hat selbst fünf Kinder

 

Mit Vorfreude ist die Erzieherin angereist. Da­rauf, die Familiengottesdienste in der St.-Marien-Kirche mit vorzubereiten, mit Stehkaffee im Anschluss. Oder auf die Bastelaktionen, Kinderyoga oder Nordic-Walking mit Strandgebet am Nachmittag. Oder auf das allabendliche „Sandmännchen“, ein lockeres Treffen, zu dem Eltern und Kinder für eine gute halbe Stunde zu Tagesausklang und Abendgebet zum Kirchenzelt kommen.

Gemeinsam mit Nicole Mihm (42) und deren zwei Jungs bildete Claudia Walter mit ihren eigenen drei Kindern das erste Team in diesem Sommer. Für drei Wochen lebten die beiden Frauen dafür in zwei Wohnwagen direkt neben dem Kirchenzelt. „Platz 2, Gasse 8“ lautet für diese Zeit ihre Adresse beim Waschhaus III. Sie ist leicht zu finden. An der Rezeption biegt man rechts ab und folgt dem Weg gut 200 Meter. Vor dem Kirchenzelt flattert die weiße Fahne mit dem so genannten Wangerlandkreuz, dem Erkennungszeichen der katholischen Campingseelsorge.

 

Seelsorge zwischen 1.500 Parzellen

 

Nicole Mihm ist seit zehn Jahren dabei.
Nicole Mihm mit ihrem Sohn Jannik.|Foto: Michael Rottmann

Zelt und Campinganhänger hat die Kirchengemeinde wie jedes Jahr pünktlich zu Saisonbeginn nebeneinander aufgebaut, auf dem mit 1.500 Parzellen nach eigenen Angaben größten Campingplatz der deutschen Nordseeküste. Ein Team um Theodor Söbbeke vom Gemeindeausschuss kümmert sich darum.

Als Kirche+Leben die Engagierten Anfang Juli besucht, ist es noch relativ ruhig. Ein paar Radfahrer sind auf den Gassen zwischen Wohnwagen und Zelten unterwegs. Trotz blauen Himmels bleiben zahlreiche Strandkörbe leer. Längst nicht alle Stellplätze sind bewohnt. „Aber nach und nach füllt es sich jetzt“, sagt Claudia Walter.

 

Bei Flut gibt es kein Basteln

 

Und wie läuft ein Tag hier ab? „Das ist ganz unterschiedlich“, sagt Nicole Mihm, die nach zehn Jahren Pause zum ersten Mal wieder in einem Team dabei ist. Unterschiedlich vor allen Dingen wegen der Gezeiten. „Bei Flut brauchen wir keine Bastelaktion anzubieten, weil dann alle ans Wasser wollen. Dann würden wir alleine da sitzen“, sagt Claudia Walter.

Als was verstehen die Frauen ihre Rolle? „Wir organisieren Aktionen und sind auf dem Platz Ansprechpartner für Kinder und Familien“, erklärt Nicole Mihm. Claudia Walter nickt. Beide freuen sich, wenn sie jemanden sonntags in der Kirche wiedertreffen. Ab und zu gelinge das. Die Menschen seien im Urlaub eben offener. Und Kinder machten den Kontakt leicht.

„Die Kirche wird hier anders gelebt als bei uns zu Hause“, sagt Nicole Mihm, „offener“. Wenn die Frauen von Pfarrer Bratke sprechen, sagen sie Lars. „Strukturen sind nicht so wichtig“, ergänzt Claudia Walter. Wohl auch deshalb ist eine Planungs-Sitzung keine Arbeit.

Urlauberseelsorge im Bistum Münster
Seit 1979 kümmert sich die katholische Kirche am Campingplatz in Schillig um Urlauber. Dazu bilden Ehrenamtliche Teams, die in Wohnwagen auf dem Platz leben und in Zusammenarbeit mit den Seelsorgern der St.-Marien-Gemeinde Angebote vorbereiten und durchführen. In diesem Sommer sind bis zum 10. September nacheinander insgesamt vier Teams im Einsatz.
Ähnliche Angebote wie in Schillig gibt es im Bistum Münster in diesem Jahr an insgesamt fünf Standorten der Nordseeküste. Im Wangerland außer in Schillig auch in Hooksiel und auf der Insel Wangerooge. Darüber hinaus in der Region Butjadingen in Burhave und Tossens.

Anzeige