Pastoralreferentin Stefanie Rosenwick über fehlende Möglichkeiten beim Abschiednehmen

Trauerbegleiterin rechnet mit „Trauerwelle“ nach Corona

  • Die Möglichkeiten, den Tod eines Nahestehenden zu bewältigen, sind durch die Corona-Schutz-Maßnahmen stark eingeschränkt.
  • Pastoralreferentin Stefanie Rosenwick erlebt als Trauerbegleiterin die Not der Angehörigen.
  • Sie hofft, dass die Menschen sich auch später noch Hilfe holen, wenn die Pandemie vorbei ist.

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„In jeder Trauersituation steckt viel Traurigkeit“, sagt Stefanie Rosenwick. „Jetzt, im Lockdown, kommt noch mal viel Traurigkeit obendrauf.“ Für die Pastoralreferentin ist das keine Vermutung. Sie ist Trauerbegleiterin im Raum Lippetal. Gemeinsam mit Hildegard Giepen bietet sie seit sechs Jahren Gruppengespräche für Menschen an, die nach dem Abschied von einem geliebten Menschen Hilfe suchen. Im Kontakt mit ihnen erfährt sie, wie belastend die Einschränkungen des Lockdowns gerade für Trauernde sind.

Sie kennt konkrete Notsituationen. Etwa jene von der religiösen und in der Pfarrei engagierten alten Dame. Als sie starb konnten wegen der Corona-Schutz-Maßnahmen nur wenige zum Beerdigungs-Gottesdienst und zur Beisetzung kommen. „Das hätte sich Mutter sicher ganz anders gewünscht“, sagten ihre Kinder. Für Rosenwick spiegelt sich darin das große Dilemma wider, wie der Verlust eines Menschen derzeit von den Angehörigen bewältigt werden kann . „Es sind wichtige Rituale, die gerade zu Beginn des Trauerprozesses wegfallen.“

 

Eigene Erfahrungen fließen ein

 

Stefanie Rosenwick
Stefanie Rosenwick (Bild) organisiert mit Hildegard Giepen im Raum Lippetal seit sechs Jahren eine Trauergruppe. | Foto: privat

Sie selbst rang beim Tod ihrer Mutter im vergangenen Frühjahr mit den Maßnahmen. Die letzten Besuche am Sterbebett im Krankenhaus waren ihr zunächst untersagt. „Ich habe mit den Verantwortlichen dort massiv gerungen, damit ich noch einmal zu ihr konnte.“ Sie weiß, dass sie das nur konnte, weil sie dabei auf ihr Wissen als Trauerbegleiterin zurückgreifen konnte. „Der Moment des Abschieds ist wichtig – es braucht aber Mut, sich dafür einzusetzen.“

Auch die Möglichkeiten ihrer Trauergruppe sind derzeit eingeschränkt. Die gemeinsamen Treffen sind nach zwischenzeitlicher Öffnung wieder untersagt. Doch gerade der direkte Austausch wäre enorm wichtig, sagt Rosenwick. „Auch weil es den Betroffenen an anderen Kontakten fehlt.“ Die Umarmung des Verwandten ist nicht möglich. Viele hilfreichen Momente der Nähe fallen damit weg. Das geschieht häufig schon aus Angst der Angehörigen und Freunde, sich untereinander anzustecken.

 

Es ist nie zu spät zu trauern

 

Rosenwick versucht, zu den Mitgliedern ihrer Trauergruppe Kontakt zu halten, ihnen zu zeigen, „dass wir sie auch jetzt in ihrer schweren Situation wahrnehmen.“ Telefonate gehören dazu, E-Mails oder Spaziergänge mit ausreichend Abstand. Und regelmäßig „Sonntagsbriefe“ mit Gebeten, Impulse, Texten und einem Youtube-Link. Dort findet sich dann ein Lied – mal besinnlich, mal poppig oder fröhlich.

Sie rechnet mit einer „Trauerwelle“, die kommen wird, wenn Corona langsam in den Hintergrund tritt. „Da wird sich viel aufgestaut haben an Sehnsüchten nach Gesprächen und Begegnungen.“ Zu spät sei es dafür nie, sagt Rosenwick. „Die einzelnen Phasen der Trauer haben auch dann noch ihren Platz, um mit dem Verlust leben zu lernen und neue Perspektiven zu finden.“

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