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Am Nikolaus-Tag im letzten Dezember trottete ein als Nikolaus verkleidetes Pony durch den Garten. War das ein Spaß! „Alle saßen an den Fenstern“, sagt Wolfgang Vorwerk. Auch er selbst freute sich über die fröhliche Atmosphäre im Haus: „Denn darauf kommt es an, gerade in einem Kinderhospiz.“
„Unser Haus soll ein Platz zum Leben sein“, betont der künftige Geschäftsführer des Kinderhospizes „Löwenherz“ in Syke, der sein Amt im Sommer antreten wird. „Wenn ich eine schwerwiegende Diagnose bekomme, dann bedeutet das ja nicht, dass ich ab dem Tag sofort todkrank bin.“ Sondern: Das Leben geht erst einmal weiter. „Und hier wollen wir den Kindern dabei helfen, dass diese Zeit noch eine gute Zeit für sie wird.“
Wolfgang Vorwerk geht offen mit seiner Erkrankung um
Außenansicht des Kinderhospizes. | Foto: Kinderhospiz Löwenherz
Nur wenige wissen wohl besser als der 44-Jährige, was das bedeutet und wie wichtig das ist. Er hat mehr als bloß eine Ahnung von den Sorgen und Ängsten der Kinder. Der Familienvater hat es selbst erlebt: zu leben mit dem eigenen Tod drohend vor Augen, während einer schweren Krebserkrankung.
Offen geht Wolfgang Vorwerk mit dem Thema um und berichtet von der ersten Diagnose 2006: ein Hodentumor. Gerade einmal 30 Jahre alt war er damals. Sachlich erzählt er, wie die Krankheit 2011 zurückkam, diesmal deutlich schwerwiegender. Von den großen Operationen, der Chemotherapie, davon, dass er eine Niere verlor, der Knochenmarktransplantation, von den langen Wochen in der Uniklinik Münster und von der Unsicherheit, ob es überhaupt noch mal wieder eine Gesundung gibt.
Seine christliche Grundhaltung hat ihm geholfen
„Deshalb kannte ich sehr gut nachvollziehen, was es heißt, Angst zu haben.“ Wolfgang Vorwerk überlegt einen Moment und erklärt: „Nicht unbedingt davor, zu sterben, sondern: nicht mehr da zu sein.“ Zu wissen, dass die Familie dann ohne Vater dastehen würde. Seine beiden Kinder waren damals gerade erst geboren.
Was ihm in dieser schwierigen Phase geholfen hat? „Zum Beispiel meine christliche Grundhaltung.“ Besonders geprägt haben ihn die Ideen Adolf Kolpings. Schon in seiner Heimatstadt Cloppenburg gehörte er zur Kolpingfamilie, war oldenburgischer Landesvorsitzender und sitzt immer noch im Diözesanvorstand des Verbandes für das Bistum Münster. Glaube gehört für ihn zum Leben. Das half ihm auch in der schwersten Krise seines Lebens.
„Vor dem Tod kommt noch das Leben!“
„Mein Glaube machte und macht es mir leichter. Weil ich darauf hoffe und daran glaube, dass noch etwas danach kommt.“ Gerade das Vertrauen auf dieses „Danach“ schärfe seinen Blick für das „Davor“: „Denn ich weiß: Wenn man mit dem Thema Tod konfrontiert wird, dann ist es gut, zu sagen: Vor dem Tod kommt immer noch das Leben, und zwar das diesseitige Leben.“
Das treibt ihn auch im Hospiz an: Den Kindern das diesseitige Leben zu einer guten Zeit zu machen. Deshalb freut sich Wolfgang Vorwerk, wenn zum Beispiel Geschwister zu Gast sind. „Sie bringen oft noch mehr Stimmung, beim Toben im Garten genauso wie beim Herumtollen im hospizeigenen Pool.“
Das Sterben wird auch nicht verdrängt
Vor dem Tod kommt das Leben – so lautet das Motto des Kinderhospizes. | Foto: Kinderhospiz Löwenherz
Trotz allem - der drohende Tod werde auch im Kinderhospiz nicht verdrängt. „Natürlich gibt es bei uns Momente großer Ernsthaftigkeit“, sagt der künftige Leiter. „Momente, in denen wir gemeinsam trauern, miteinander Sorgen und Ängste teilen.“
Dabei sollen zum Beispiel Rituale helfen, zum Beispiel der Schmetterling, den jedes Kind bei seinem ersten Besuch im „Löwenherz“ bastelt und im Haus aufhängt. Wolfgang Vorwerk erklärt: „Nach dem Tod eines Kindes hängen wir ihn an einen Luftballon und lassen ihn bei einem Abschiedsritual mit den Eltern wegfliegen.“
Schmetterlinge als Symbole für den Abschied
Langsam können sie dann verfolgen, wie Ballon mit dem Schmetterling über der niedersächsischen Weite in die Höhe steigt. So lange, bis sie in der Ferne nur noch einen winzigen Punkt erkennen. Wolfgang Vorwerk nickt: „Als Symbol dafür, dass sie ihr Kind jetzt loslassen und gehen lassen können.“
„Begleiten“, „Unterstützen“ und „Gehen lassen“ - drei wichtige Begriffe im dem 2003 eröffneten Kinderhospiz mit stationären Plätzen für 12 Kinder und ambulanten Stützpunkten in Lingen, Braunschweig und Bremen. Die Außenstellen sind zum Beispiel wichtig für Eltern, die Ihr Kind zu Hause behalten wollen, wie kürzlich bei dem Säugling mit der Trisomie-18-Diagnose.
Eltern können auch daheim Abschied nehmen
„Mit so einem Befund leben Kinder normalerweise nur ein paar Tage“, erklärt Vorwerk. Vier Wochen war das Kind im Hospiz, dann fühlten sich die Eltern – unterstützt durch ambulante Hospiz-Mitarbeiter - so stark, dass sie es für die letzten beiden Lebenswochen zu sich nach Hause holten, damit es dort sterben konnte. „Auch das kann ein Ziel sein: Eltern zu ermöglichen, daheim Abschied zu nehmen.“
Das Hospiz begleitet Familien auch nach dem Tod eines Kindes. „Wir haben ein eigenes Abschiedszimmer und sie können die Abschiedstage bei uns verbringen. „Wir gehen sehr intensiv auf Eltern und Geschwister ein. Manchmal kommen sogar Oma und Opa mit.“
Sterben gehört für ihn zum Leben dazu
Arbeiten im Kinderhospiz - muss man dafür besondere Fähigkeiten mitbringen? Wolfgang Vorwerk ist Erzieher, Sozialpädagoge und Betriebswirt. Er sagt: „Eine gewisse Haltung ist sicher wichtig: dass man damit umgehen können muss, dass hier Kinder sterben.“
Dass das nicht jedem leicht fällt, das spürt er in Gesprächen mit Bekannten. Manche macht das Thema sprachlos. „Andere fragen: Wie hältst Du es bloß aus, das Kinder sterben?“ Wolfgang Vorwerk: „Mir hilft es, dass ich überhaupt keine Angst vor dem Sterben habe, dass es ein ganz normaler Teil des Lebens ist. Das macht es mir leichter.“
Der 10. Februar ist „Tag der Kinderhospizarbeit“
Der bundesweite „Tag der Kinderhospizarbeit“ macht jeweils am 10. Februar auch die Situation der von lebensbedrohlich erkrankten Kinder- und Jugendlichen aufmerksam. Er will mit besonderen Aktionen die Arbeit der Kinder- und Jugendhospize bekannter machen, Menschen für ehrenamtlichen Einsatz gewissen und das Thema „Tod und Sterben von Kindern“ enttabuisieren.
Rund ein Drittel weniger Spenden wegen Corona
Wegen der Corona-Pandemie kalkuliert das Kinderhospiz „Löwenherz“ im niedersächsischen Syke derzeit mit rund einem Drittel weniger Spenden. Wolfgang Vorwerk nannte unter anderen ausgefallene Benefizveranstaltungen als Grund. „Basare oder Benefiz-Konzerte konnten ebenso wenig stattfinden wie private Familienfeiern, auf denen häufig für Löwenherz gesammelt wird.“ Auch Firmen überlegten stärker, ob sie in diesem Jahr Geld für Spenden übrig haben. „Im Moment kommen wir aber noch klar“, sagte Vorwerk, „und wir sind zuversichtlich, dass wir die Krise überstehen können, auch dank des staatlichen Corona-Rettungsschirms“. Das Kinderhospiz Löwenherz mit zwölf Plätzen ist eines von 18 stationären Kinderhospizen in Deutschland und finanziert sich zu rund 75 Prozent aus Spenden. Neben dem Hospiz in Syke unterhält es ambulante Stützpunkte in Bremen, Lingen und Braunschweig. Nähere Informationen, auch zu Möglichkeiten, das Haus mit Spenden zu unterstützen, gibt es unter: www.loewenherz.de