Mit Jesus und dem heiligen Benedikt durch die Corona-Krise

Alle mal tief durchatmen! - Warum Isolation eine Chance ist

Vereinzelung ist das Gebot der Stunde - und womöglich wird sie wegen Corona noch verschärft. Doch Isolation kann auch eine Chance sein. Weise Menschen wie Jesus und Benedikt von Nursia haben das selbst erfahren. Eine Ermutigung.

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Vereinzelung ist das Gebot der Stunde - und womöglich wird sie wegen Corona noch verschärft. Doch Isolation kann auch eine Chance sein. Weise Menschen wie Jesus und Benedikt von Nursia, dessen Fest die Mönche am 21. März feiern, haben das selbst erfahren. Eine Ermutigung.

Man muss kein Mönch sein, um Isolation in diesen Tagen etwas Positives abzugewinnen. Soziale Distanz, Vereinzelung, Abstand wahren: überlebenswichtig! Für jeden Einzelnen, für Menschen in Risikogruppen, für unser Gesundheitssystem, für alle. Nun sind zugegebenermaßen die allerwenigsten von uns Mönche, und darum finden wir Isolation eher so mäßig. Tatsächlich war es sogar ein Mönch, der mir dieser Corona-Tage - nicht frei von Selbstironie - sagte: „Ganz ohne Umarmen und Küssen, das ist doch scheiße!“ Recht hat er, natürlich. Aber draußen rumlaufen und Freunde treffen, mit null Distanz und null Respekt - das ist mindestens so daneben. Das geht gar nicht. Und darum wird die Ausgangssperre kommen - nur eine Frage der Zeit, wenn man mich fragt.

 

Wir müssen aufeinander aufpassen

 

Und dann wird es so fürchterlich nicht werden. Klar, das wird auch kein Spaziergang - und es wird richtig schwer für Menschen, die allein oder mit Menschen leben, mit denen zusammenleben eigentlich nicht geht, verdammt schwierig oder sogar gefährlich ist. Es wird auch schwierig für die Menschen, die allein leben und für die eben das gefährlich ist, weil sie lebensmüde geworden sind, aus welchen Gründen auch immer. Auf all die müssen dann die anderen besonders aufpassen. Sie müssen ein waches Ohr haben, anrufen, sich bemerkbar machen, auf alle mögliche Weise das Leben teilen, weil ein geteiltes Leben kein halbes, sondern allemal mehr als ein noch so armseliges Leben ist. Das ist viel, das kann die Rettung sein, so ein geteiltes Leben! 

Wir müssen aufeinander aufpassen. Anrufen, skypen, von Balkon zu Balkon rufen oder singen oder trommeln oder klatschen. Mails schicken, chatten, Briefe schreiben. Listen anlegen mit Leuten, die wir nur zu gut kennen und mit denen, bei denen wir uns ewig nicht gemeldet haben. Die meisten haben ja jetzt mehr Zeit. Und dann die Listen abarbeiten: Jeden Tag mindestens einen darauf anrufen. Das tut gut. Allen. Und kann manchmal Leben retten. Und wer mit Familie, Partner oder WG-Bewohnern allein ist: ein klarer Rhythmus aus Zeiten für sich und miteinander hilft. Spiele spielen, Urlaubsfotos gemeinsam anschauen, warum nicht in kurzen Hosen, T-Shirt und Flipflops! Zusammen kochen, den Keller aufräumen, Bücher lesen und vorlesen, warum nicht mal wieder in der Bibel, einander Ruhe gönnen - und darüber hinaus: reden, reden, reden.

 

Drei Jahre allein in der Höhle

 

Sacro Speco Sacro Speco hoch oben in den Bergen über dem italienischen Städtchen Subiaco: Hier lebte Benedikt von Nursia vor 1.500 Jahren in völliger Einsamkeit. | Foto: Cenz07 (Shutterstock)

Überhaupt: Isolation ist nicht schlimm. Ausgangssperre auch nicht. Allein sein auch nicht. Das sagen die, das wissen die, die sich damit auskennen: die Mönche. Sie zeigen, dass man davor keine Angst haben muss. Im Gegenteil. Einer der Ältesten von ihnen, Benedikt von Nursia, hat genau so angefangen vor 1500 Jahren. Heute, am 21. März, feiern seine Klöster seinen Gedenktag. Weil er das Große entdecken wollte, weil er Gott suchte, hat er gerade nicht Gemeinschaft, auch keine kirchliche, gesucht. Er hat nicht an der Uni studiert, um ihn zu finden. Nein, er ging in die Abgeschiedenheit der Berge, in eine Höhle. Nur er mit sich - auf der Suche nach Gott.

Bis heute ist diese Höhle der Kern von Sacro Speco, einem Kloster in den Sabiner Bergen über Subiaco, auf 600 Metern Höhe, 100 Kilometer von Rom entfernt. Eine Höhle tief im Berg. Unvorstellbar, hier wie Benedikt drei Jahre zu verbringen, zu hausen, zu wohnen. In einer „ganz engen Höhle“, wie Papst Gregor der Große schreibt: „Allein, unter den Augen Gottes, wohnte er in sich selbst.“ - „Habitare secum“ heißt das auf Latein. Daher kommt auch der Name für das Gewand der Mönche: der Habit. Sie wohnen in ihrer Lebensform. Sie leben ihr Alleinsein. Sie wohnen in sich selbst. Wenn wir sagen, dass einer ganz in sich selbst ruht - dann geht das wohl in dieselbe Richtung. Und ist etwas sehr Positives.

 

Die Weisen der Welt wissen das - wir auch

 

In sich wohnen, in sich ruhen, statt immer davon zu laufen: Die Weisen dieser Welt wissen, dass das die Welt heilen kann und im Kern gesund hält. Wir sind eigentlich viel zu viel außerhalb. Viel zu viele sind ständig außer sich. Und wenn wir ehrlich sind, wissen wir das. Wir empören uns im Dauermodus, sind ständig exaltiert, auf die Außenwirkung bedacht und natürlich auch von außen begutachtet. Die Weisen dieser Welt wissen, wie wichtig es ist, allein zu sein. Jeder von uns ahnt, wie recht sie haben. Jetzt läuft es darauf hinaus, dass wir dazu verdonnert werden. 

Quarantäne? Kannte Jesus auch. Musste er auch durch. Er war 40 Tage in der Wüste. 40 - heißt auf Italienisch „quaranta“. Schon 1374 verbot die Handelsmetropole Venedig solchen Schiffen die Einfahrt in den Hafen, deren Bordpersonal pestverdächtig war, und schickte es in eine 40-tägige Reisesperre, eben in die „Quaranta“, die Quarantäne. Die Frist ist wiederum biblisch: 40 Tage nach ihrer Geburt durfte eine Frau laut den Vorschriften des alttestamentlichen Buchs Levitikus nichts Geweihtes berühren und nicht zum Tempel kommen, sie galt als unrein und musste schön zu Hause bleiben, in der Quaranta, der vierzigtägigen Quarantäne. 

 

Ein großes, tiefes Durchschnaufen

 

Womöglich könnte diese verordnete 40-tägige Corona-Quarantäne-Zeit als Schutz vor einer todgefährlichen Lungenkrankheit wirklich eine Zeit sein, in der jeder Einzelne, die Familie, unsere Kirche und auch unsere Gesellschaft die Chance nutzt, wieder zu sich zu kommen. Ein kollektives und individuelles Durchschnaufen, Runterkommen - das wär’s! Alles auf Reset setzen und entdecken, was es alles nicht braucht für ein gutes Leben - und was unbedingt. 

Das wird voraussichtlich weniger sein als der Anspruch, den wir gerade an die Seite legen müssen. Kein Luftanhalten, sondern ein großes, tiefes Durchatmen. Wer weiß, das könnte uns wieder wacher machen, die permanente Aufgeregtheit platt machen und in der Tiefe entspannter. Und das ständige Außer-sich-Sein-Müssen als verzweifelte Selbsttherapie gegen die Angst entlarven, das, was innen ist, könnte einfach nie genügen - wofür auch immer. 

 

Ausgefuchster Selbstbetrug  

 

Dabei ist doch klar: Wo die Angst ist, geht es lang. Persönlich, in der Kirche und in der Gesellschaft. Sie mit ausgefuchsten Selbstbetrugs-Konzepten zu umgehen, macht auf Dauer krank. Mit ihr richtig umgehen - darum ginge es. Mit ihr unter einem Dach leben, sie erst ängstlich, befremdet, dann immer vertrauter und souveräner ansehen, sie aushalten, erleiden, erdulden und beschimpfen, mit ihr ins Gericht gehen, sie anderen anvertrauen, sie bereden, in den Himmel halten, entlarven und überwinden. 

Das alles kann dem widerfahren, der mit sich allein ist. Das kann viel durcheinander wirbeln, „diabolisch“ im Wortsinn, teuflisch sein. Das wusste schon Jesus. Aber nach und nach, und wenn nötig mit Hilfe von lieben und/oder erfahrenen Menschen an der Seite, im Chat oder am Telefon, kommt der Vereinzelte zu sich. Und wird dessen gewahr, wer er oder sie ist, und dass das reicht, und was wirklich zählt im Leben. Gesundheit gehört definitiv dazu. Distanz von Zeit zu Zeit und jetzt für länger wohl auch - damit wir uns selbst und einander wieder näher kommen.

 

Was kommt dabei heraus?

 

40 Tage Isolation in Venedig, 40 Tage Jesus allein in der Wüste, 40 Tage Fastenzeit, auch weil das Volk Israel 40 Jahre - nicht Tage - aus der Gefangenschaft durch die Wüste ins Gelobte Land zog. 40 - das ist die Zahl der Beschränkung, aber am Ende winkt das, was die Bibel „Leben in Fülle“ und die Kirche „Ostern“ nennt. Oder Benedikt von Nursia „ein weites Herz“ und „unsagbares Glück der Liebe.“ Ein großes Aufatmen wie beim allerersten Atemzug. Ein Fest.

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