Ausbeutung, Prostitution, Drogenkonsum – und die Kinder leiden

Arbeitsmigration: Was Peter Kossen in Lengerich beobachtet

„Es muss darum gehen, die Unsichtbaren sichtbar zu machen“, sagt Pfarrer Peter Kossen aus Lengerich. Er berichtet, was die Ausbeutung mit Arbeitsmigranten in seiner Stadt macht – und wie Kinder leiden.

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„Migration ist nicht die Mutter aller Probleme, es liegt an uns, sie zu gestalten.“ Mit diesen Worten eröffnete Prälat Peter Kossen, Pfarrer in Seliger Niels Stensen, Lengerich, ein Informationstreffen „Schattenseiten der Arbeitsmigration“ im Pfarrzentrum St. Margareta. Ziel der 40 Interessierten: An einem Strang ziehen und sogenannte Arbeitsmigranten aus Bulgarien, Rumänien oder Moldawien vor Ausbeutung schützen.

Dass das Thema alle angeht, zeigte ein Blick auf die Anwesenheitsliste: Neben Parteivertretern, Polizeibeamten, Erzieherinnen, einem Rechtsanwalt und Mitarbeitern verschiedener Migrationsdienste der Stadtverwaltung informierten sich auch ein Landwirt und Kaufleute, die beruflich mit Arbeitsmigranten zu tun haben.

 

Vor allem Ost- und Südosteuropäer

 

„Migration aus verschiedenen Motiven ist gegenwärtig und wohl auch in Zukunft ein großes Thema in der Gesellschaft“, so Kossen. Sie zu gestalten und Migranten zu integrieren, sei Herausforderung und Chance. „Kirchen stehen, gemeinsam mit vielen anderen Akteuren, in der Verantwortung dafür, dass Migration in menschenwürdigem Rahmen verläuft und Integration gelingt.“

Seit mehr als 100 Jahren habe Arbeitsmigration Tradition in Lengerich und Umgebung: „Heute sind es vor allem Menschen aus Ost- und Südosteuropa, die zum Zweck der Arbeitsaufnahme Wohnung genommen haben, manche als Saisonarbeiter, viele dauerhaft“, sagte Kossen.

 

Jede Arbeit, um bleiben zu können

 

Im „Arbeitskreis Akteure“ der Stadt Lengerich berieten bereits Initiativen, Institutionen und Behörden über Maßnahmen zur besseren Integration von Migranten. In dem Arbeitskreis sind nach Auskunft von Prälat Kossen mehrfach die dunklen Seiten der Migration benannt worden.

Er nannte Beispiele wie menschenunwürdige Unterbringung, Mietwucher, Arbeitsausbeutung durch Subunternehmer und dubiose Abhängigkeitsverhältnisse von Wohnungsgebern: „Oft lassen sich Arbeitnehmer in prekäre Verhältnisse zwingen, weil sie erpressbar sind“, so Kossen. Ohne Arbeit verlören EU-Bürger nach sechs Monaten ihr Bleiberecht in Deutschland. Daher sei jede Arbeit willkommen, das werde ausgenutzt.

 

Wie die Kinder leiden

 

„Mich persönlich getroffen haben die Beobachtungen von Erzieherinnen hier in Lengerich“, berichtete der Prälat. Sie erlebten verstörte und geschwächte Kindergartenkinder ost- und südosteuropäischer Migranten: „Diese Kinder verschlafen zum Teil den ganzen Kindergartentag, weil sie nachts in den Unterkünften Drogen- und Alkoholkonsum, Gewalt und auch Prostitution miterleben“, sagte Kossen.

Mütter hätten davon berichtet, sich prostituieren zu müssen, um ihre Kinder durchzubringen. „Sie beziehen zwar Sozialleistungen, aber die werden ihnen abgenommen. In der Familie bleibt nichts übrig“, so Kossen.

 

Beratungsstelle für Lengerich

 

Arbeitsmigranten fielen im Alltag kaum auf – allenfalls, wenn der Bus am Discounter halte und eine ganze Gruppe sich mit einfachsten Lebensmitteln versorge: „Es muss darum gehen, die Unsichtbaren sichtbar zu machen“, sagte Kossen.

Stefanie Albrecht von der Beratungsstelle „Faire Mobilität“ aus Dortmund, die unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund finanziert wird, berichtete von ihrer Arbeit. Viele Arbeitnehmer aus der Fleischindustrie kämen, um sich in der Einrichtung in ihrer Landessprache beraten zu lassen.

Eine solche Beratungsstelle könne auch ein Ziel für Lengerich sein, wurde deutlich. Anfang Oktober sollen die Betroffenen selbst zu Wort kommen: Der „Arbeitskreis Akteure“ der Stadt Lengerich will Migranten im Pfarrzentrum St. Margareta einladen.

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