Anzeige
Susanne Hemmers ist seelsorgliche Begleiterin im Marienhospital in Wesel. Nach einer Corona-Zwangspause hat sie ihre Besuche wieder aufgenommen. Sie gehört zu einem fünfköpfigen Team von Ehrenamtlichen.
Susanne Hemmers legt die Hand auf die Klinke. Sie holt Luft und sammelt sich, um in Ruhe dem hinter der Tür liegenden Patienten zu begegnen. Dann drückt die 60-Jährige die Klinke herunter und betritt das Krankenzimmer. Sie geht auf den Patienten im nächsten Bett zu, stellt sich mit ihrem Namen und ihrer Funktion als seelsorgliche Begleiterin im Marienhospital in Wesel vor und fragt, ob ein Gespräch gewünscht sei.
Susanne Hemmers ist Teil einer fünfköpfigen Gruppe Ehrenamtlicher, die von Pastoralreferentin Katharina Mikolaszek begleitet und koordiniert wird. Frauen und Männer gehören dazu. Sie kommen aus unterschiedlichen Alters- und Berufsgruppen. Sie waren oder sind Beamte, Lehrer, Kaufleute oder Hausfrauen. Susanne Hemmers war Kauffrau und ist jetzt Rentnerin. Sie hat eine neue Herausforderung und Aufgabe für ihr Leben gesucht. Die seelsorgliche Begleitung traf genau ihre Erwartungen.
Ablehnung hat sie nur einmal erfahren
Bevor sie in die Zimmer geht, fragt sie die Schwestern der Station, ob ein Patient oder eine Patientin besonderen Gesprächsbedarf hat. Wäre das der Fall, würde sie zielgerichtet die Person aufsuchen. Heute geht sie einfach ins nächste Zimmer und auf die Patienten zu.
Ablehnung hat sie bisher nur einmal erfahren. Die Frau, eine Zeugin Jehovas, machte von Anfang an deutlich, dass sie kein Gespräch wollte. Die Übrigen waren bisher ausnahmslos zum Gespräch bereit.
Auf der orthopädischen Station
Susanne Hemmers besucht die Patienten auf der orthopädischen Station. Oft liegen dort Männer und Frauen, die einen Unfall erlitten haben. Auch ältere Menschen, die gestürzt sind, und sich einen Oberschenkelhals gebrochen haben.
Eine belastende Diagnose, befürchten doch viele der älteren Menschen, nicht mehr in ihre gewohnte Umgebung zurückkehren zu können. Ihnen droht Heimaufenthalt, Wohnungsauflösung, der Verlust der Selbstständigkeit.
Versuch, Kraft zu spenden
„Das sind die schwierigsten Gespräche“, sagt die Begleiterin. „Ich versuche, die Menschen dann auf ihre früheren Kraftressourcen zurückzuführen: auf ihre eigenen Reserven, auf ihre Erfahrung mit schwierigen Erlebnissen, auf ihre Kinder und auch auf ein Gebet.“
Sie lässt Raum zur Klage, Patienten können bei ihr Befürchtungen aussprechen. Und manchmal helfe es, einfach da zu sein, am Bett zu sitzen und die Stille auszuhalten, meint sie. Bis zu 30 Minuten bleibt sie in der Regel. Dann muss sie weiter.
Zwangspause wegen Corona
Ihre Ausbildung und ihr Wirken als ehrenamtliche Seelsorgebegleiterin haben durch die Corona-Pandemie zunächst ein jähes Ende erfahren. Von Pfingsten 2020 bis zu der Phase, als die ersten Impfungen begannen, war der Dienst eingestellt.
Erst seit Februar 2021 kann sie wieder Patienten besuchen. Zunächst als getestete Begleiterin, da noch nicht alle geimpft waren. Das Krankenhaus war sehr vorsichtig, da die Zugangsvoraussetzungen sich immer wieder änderten. „Das Marienhospital war eine der ersten Einrichtungen, die mit der Arbeit wieder begonnen haben“, sagt Katharina Mikolaszek.
"Zeit der Ohnmacht"
Die erzwungene Besuchspause in der ersten Phase der Pandemie hat die Begleiterinnen schwer belastet. „Es war eine Zeit der Ohnmacht“, sagt Katharina Mikolaszek. „Wir wussten, dass die Patienten einsam waren und mussten befürchten, dass einige von ihnen ohne Begleitung sterben würden. In dieser Zeit haben wir schriftliche Hilfen für die Pflegekräfte und die Angehörigen erarbeitet. Ein kleiner Trost.“
Katharina Mikolaszek und ihre ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sind froh, dass sie inzwischen wieder auf die Stationen dürfen. Die Patienten freuen sich ebenfalls. Das erfahren sie durch Gesten wie einen zugeworfenen Handkuss oder durch Bemerkungen wie „Schön, dass ich mich mal aussprechen konnte“, „Es war gut, eine andere Sicht auf das Problem zu bekommen“ und „Das Gespräch hat mir Kraft gegeben“.
Auftanken in der Kapelle
Ihre Gesprächsrunde beendet Susanne Hemmers in der Kapelle. Dort holt sie sich Kraft für die Patienten - und für sich. Wichtig ist ihr, die Probleme nicht mit nach Hause zu nehmen, um trotz der Schicksalsschläge ruhig schlafen zu können.
Vier Kurse, die das Bistum Münster anbietet, wird Susanne Hemmers noch besuchen. Der eigene Glaube, das seelsorgliche Gespräch, Gesundheit, Krankheit und Spiritualität, die eigene Rolle und ethische Fragen sind beispielhafte Themen der Kurse, die die Ausbildung auf der Station ergänzen.