Chefredakteur Markus Nolte über den Umgang mit Kritik in der Kirche

Billige Macht statt Souveränität

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Autoritäres Durchgreifen, Zurückhalten von Informationen, gegenseitige Vorwürfe: Kirchliche Leitungsebenen bieten ein desolates Bild, das immer mehr Gläubige ungläubig mit dem Kopf schütteln lässt. Dieses Gebaren ist nicht nur unsouverän, sondern schadet der Kirche selbt, meint Chefredakteur Markus Nolte in seinem Kommentar.

Die großen Kathedralen, und die größten allemal, stehen seit je in dem Ruch, nicht etwa die Größe Gottes und die Höhe und Weite des Glaubens auszumessen, sondern eigentlich doch nur Machtdemonstrationen der Kirche und ihrer Amtsträger zu sein. Sei‘s drum: Die Kathedralen, und die größten allemal, rührt das letztlich nicht, und die einfachen Menschen, die ehrlichen Gläubigen auch nicht.

Die großen Dome nämlich vermögen wie der Glaube etwas ganz Einfaches und zugleich ganz Großes, allem Wasser zum Trotz, das – wie man so sagt – derzeit mit großem Rauschen den Rhein herunterfließt: Die großen Dome wie der Glaube bergen uns als Gottesraum, lassen uns über uns hinausragen mit all unserem Sorgen, Sehnen und Suchen, Danken und Klagen und Preisen. Das vermag selbstverständlich die kleinste Dorfkapelle ebenso. Diese herrliche, gewissermaßen natürliche Macht der Kirche(nräume) ist tatsächlich bis heute groß.

 

Vermeintlich überkommenes Hoheitsgebaren

 

Bei den Machthabern ist das indes nicht so klar ausgemacht. Vieles deutet dieser Tage darauf hin, dass manche immer noch glauben, mit vermeintlich überkommenem Hoheitsgebaren besonders mächtig beeindrucken zu können. Wie anders soll es zu erklären sein, dass schon ein Dokument einer Studierendengemeinde zu Sexualmoral, Kirchenbild und – tja – Macht, dazu führt, dass von höchster Stelle die Entfernung dieses Dokuments unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen angeordnet wird? Wo bleibt da die innere Souveränität der Machthaber? Wo bleibt die von jeder Führungsperson zu Recht erwartbare Freigiebigkeit, die Lebendigkeit und Entwicklung, Wachstum und neuen Traditionen Raum gibt – zumal bei Themen, die längst Themen eines von allen beschlossenen Reformwegs sind?

Was sich hier zeigt, ist billige Macht, die gleichwohl viele teuer zu stehen kommt. Nämlich die Kirche selbst in jenen, die sich mal wieder enttäuscht und getäuscht sehen nach dem Motto: Über Macht, Machtmissbrauch und Machtverzicht reden können wir ja – aber zu mehr lassen wir uns nicht herab.

Dabei ist längst klar: Unsouveräne Machthaber werden leicht und folgenschwer entmachtet – von jenen, die sie ganz souverän einfach allein lassen.

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