Der Freitagvormittag beim Synodalen Weg in Frankfurt

Macht-Diskussion: Synodalforum lehnt Voderholzer-Alternativtext ab

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Ein erneuter Zusammenstoß mit Positionen des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer, eine klare Entscheidung darüber - und eine ausgiebige Diskussion über Macht und Demokratie, Synodalität und Hierarchie in der Kirche: Das war der Vormittag am zweiten Tag der Synodalversammlung in Frankfurt.

Mit großer Mehrheit haben die Delegierten des Synodalen Wegs einen Alternativtext einer vierköpfigen Gruppe um den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer abgelehnt. 162 der 215 Synodalen sprachen sich bei der Synodalversammlung in Frankfurt dagegen aus, diesen Beitrag anstelle des vom "Macht-Forum" erstellten Grundlagentexts zu beraten.

In der vorangegangenen Aussprache hatte der Regensburger Bischof erneut eine "geradezu dogmatische Überhöhung" der MHG-Studie zum Umgang mit Missbrauch beklagt. Voderholzer warf dem Grundtext des Forums zudem wiederum "erhebliche theologische Mängel" vor. So werde etwa die Sakramentalität der Kirche zu wenig beachtet. Der Text versuche, "Kirche neu zu erfinden".

 

Massiver Widerspruch von Theologen und Betroffenen

 

Dem widersprach der Salzburger Theologieprofessor Gregor Maria Hoff energisch, der als Berater im "Macht-Forum" mitwirkt. Die Krise der Kirche sei "nicht unabhängig vom Missbrauchskomplex zu sehen". Der Text sei eine komplexe Bestimmung der Situation "und allein deshalb keine Überhöhung". Hoff warf Voderholzer vor, "offenbar an einer Verschleierung der Situation weiterzuarbeiten".

Massiv protestierte auch Johannes Norpoth, einer der Sprecher des Betroffenenbeirats der Bischofskonferenz. Die Äußerung Voderholzers blende die Opfer aus, "und das kann nicht sein". Drei Jahre nach der Veröffentlichung der MHG-Studie erwarte er "einen deutlich sensibleren Umgang mit Sprache, sagte Norpoth.

 

Die vielen Fragen der Macht

 

Die eigentliche Sachdiskussion drehte sich schließlich um den Umgang mit Macht und Machtmissbrauch - sowohl bei Bischöfen und Priestern wie auch in den Gremien auf pfarrlicher und diözesaner Ebene: Sollten Bischöfe beispielsweise gewählt und nur auf Zeit ernannt werden, wie das etwa in Orden, aber auch in katholischen Verbänden gang und gäbe ist? Wie aber passt das zu der katholischen Lehre, dass die Bischofsweihe ein Sakrament und damit unbefristet gespendet wird? Wie kann eine Beteiligung von Gläubigen auch zu mehr Entscheidungsmöglichkeit weiterentwickelt werden?

So wertvoll Demokratie im weltlichen Bereich ist - wie verhalten sich Synodalität und Hierarchie zueinander? Wo können Laien entscheiden, wo braucht es die hierarchische Entscheidung? Was lässt sich auf der Basis des geltenden Kirchenrechts überhaupt verändern - und wo bräuchte das kirchliche Gesetzbuch eine Reform, wenn Synodalität in der Kirche zum Prinzip werden soll?

 

Marx: Nicht unter dem Niveau des eigenen Anspruchs

 

Entsprechend lebendig war die Diskussion in der Synodal-Aula. Die aus Harsewinkel stammende Erfurter Theologieprofessorin Julia Knop etwa betonte, der gute Wille zu mehr Partizipation von Laien genüge nicht, "wir brauchen Rechtssicherheit der strukturierten Beteiligung der Gläubigen".

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx warnte, die Kirche dürfe "nicht unter dem Niveau bleiben, das sie in der katholischen Soziallehre von anderen fordert", etwa hinsichtlich des Respekts vor den Menschenrechten. Dem stimmte Gregor Podschun (BDKJ-Bundesvorsitzender) zu, "andernfalls machen wir uns in der Gesellschaft lächerlich". Er vermisste in dem Text die Auseinandersetzung damit, "was Macht mit Menschen gemacht hat, etwa hinsichtlich der Sexualmoral und Machtmissbrauch in der Beichte".

 

Ackermann: Demokratie als zweites Evangelium?

 

Auch der Trierer Bischof Stephan Ackermann sprach sich dafür aus, "nicht unter demokratische Standards" zu fallen. An manchen Stellen nehme er im Grundtext allerdings "einen Zungenschlag wahr, als wären demokratische Gesellschaften das zweite Evangelium". Auch warnte er davor, die gewählte Leitung etwa in Orden "zu sehr hochzustilisieren": "Auch Orden waren Orte von Machtmissbrauch!", betonte er.

Auf die guten Erfahrungen mit auf Zeit gewählter und geteilter Leitung etwa in den Jugendverbänden wiesen gleich mehrere Delegierte hin. Ebenso Ulrike Göken-Huismann aus Goch, geistliche Leiterin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD): "Ich bin Teil einer geistlichen Doppelspitze mit unserem Präses. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht, und das ist modellhaft für alle Ämter in unserer Kirche."

 

Kohlgraf: Ich möchte keinen Bischofswahlkampf

 

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf bekannte, er habe Schwierigkeiten mit dem Vorschlag, Bischöfe auf Zeit zu wählen. "Ich möchte keinen Bischofswahlkampf", sagte Kohlgraf, zumal die Bischofsweihe keine zeitliche Befristung kenne, weil sie ein Sakrament ist.

Sein Aachener Kollege Helmut Dieser warnte zudem: "Mitunter frisst die Synodalität die Hierarchie, wie wir in manchen Bistümern gesehen haben, wo Bischöfe zum Rücktritt geradezu gezwungen wurden." Hierarchie und Synodalität müssten gut austariert sein.

 

Maria 1.0: Machtübernahme durch Laien

 

Auf die Gefahr einer Überforderung durch Macht wies der Berliner Generalvikar Pater Manfred Kollig hin. Die Anforderungen an kirchliche Leitung würden nicht zuletzt durch gesellschaftliche und politische Standards immer größer. Er warb zudem dafür, wahrzunehmen, dass eine solche Überforderung zu Lust- und Kraftlosigkeit führen könne, zum Verlust von Argumentationsfähigkeit, zu Suchtverhalten, "einem Rückzug auf die amtliche Vollmacht und die Überhöhung der eigenen Person".

Dorothea Schmidt von der konservativen Bewegung "Maria 1.0" beklagte eine "Machtübernahme durch Laien": Priester würden ausgebremst, "weil Gremien das Pfarreileben bestimmen und ihre Orientierung aus der Lehre der Kirche verlieren".

 

"Demokratie ist schwierig - aber sie lohnt"

 

Wie kompliziert ein synodaler und demokratischer Umgang mit Sachfragen sein kann, zeigte sich in der Abstimmung über die Änderungsvorschläge zum "Macht-Wort" des Synodalforums. Immer wieder gab es Verwirrung darüber, was genau zur Abstimmung steht, wie auf Negativ-Anträge positiv oder negativ reagiert werden kann. Und schließlich drohte eine Reihe von Anträgen zur Änderung der Geschäftsführung - etwa zu einer Darstellung des Abstimmungsverhaltens der Bischöfe -, die Debatte komplett lahm zu legen.

Darüber soll nun in einer Pause beraten werden. Und vor allem anderen jetzt erst einmal Eucharistie gefeiert werden. Dann folgt das Mittagessen - und dann geht es am Nachmittag weiter, nach dieser Lehrstunde über demokratische Prozesse. "Demokratie und Transparenz sind sehr anstrengend", hatte die Synodale Katharina Norpoth in der Aussprache gesagt, "das wissen viele aus der Arbeit in den Jugendverbänden. Aber sie sind eine große Bereicherung - und ein fruchtbarer Boden."

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