Münsteraner Theologen Thomas Söding und Norbert Köster bei Tagung über Macht und Partizipation

Soziologe Joas: Kirche braucht Zentralität - und dezentrale Spielräume

  • Der Soziologe Hans Joas hat sich bei einer Tagung über Macht und Partizipation der Essener Bistums-Akademie "Die Wolfsburg" für eine globale Zentralität der Kirche und dezentrale Spielräume ausgesprochen - etwa Fragen der Rolle der Frau und Homosexualität.
  • Der Neutestamentler Thomas Söding warnte vor "jener Sakralisierung von Macht", der Münsteraner Kirchenhistoriker Norbert Köster forderte, die Bischöfe müssten die Delegation der Rechtsprechung weiter vorantreiben.
  • Letztlich gehe es um die Demokratie- und Modernefähigkeit der katholischen Kirche, sagte die Tübinger Theologin Johanna Rahner: "Die Zeit wird knapp."

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Für klare Führungs- und Kontrollstrukturen innerhalb der katholischen Kirche spricht sich der Soziologe Hans Joas aus. Sein Ideal wären "Checks and Balances" auf allen Ebenen von der Pfarrgemeinde über die Bistümer bis hin zur Weltkirche, sagte er am Montag bei einer Online-Tagung der katholischen Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim an der Ruhr. Die hierarchischen Strukturen müssten die Handlungsfähigkeit der Kirche im Sinne ihrer Ideale gewährleisten. Sie dürften jedoch nicht als Herrschaft verstanden oder praktiziert werden.

Joas sprach sich für globale Zentralität aus, wenn es um die grundlegenden Lehren des Glaubens gehe. Gleichzeitig brauche es eine Fülle dezentraler Spielräume auf all jenen Gebieten, "in denen doch auch bisher schon das Christentum unverkennbar vom Geist bestimmter Epochen und Kulturen geprägt ist". Dazu gehörten zum Beispiel Fragen von Homosexualität und der Rolle der Frau.

"Kirche sollte sich verstehen als eine Gemeinschaft, ich sage lieber Genossenschaft, der Gläubigen, derjenigen moralischen Universalisten nämlich, die im Evangelium die entschiedenste Artikulation dieses Ideals sehen", so Joas. Sie dürfe jedoch nicht zu einer Staatsanstalt werden, die von den universalistischen Idealen weiter entfernt sei, als es der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat ist.

 

Söding: Macht hinter der Maske der Heiligkeit

 

Im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte stellte der katholische Theologe Thomas Söding der Kirche eine "bescheidenere" Bilanz aus. Teilweise würden Menschenrechtsdefizite sogar theologisch überhöht, weil sie angeblich dem Unterschied zwischen Staat und Kirche geschuldet seien. Dies sei "schlechte Theologie", so der in Münster lebende Professor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum. Sie führe zu "jener Sakralisierung von Macht, die sich hinter der Maske der Heiligkeit verbirgt und zu Missbrauch wie zu dessen Vertuschung beiträgt".

Es sei unterkomplex, so Söding, wenn im Kirchenrecht nur von Gewaltenunterscheidung die Rede sei. Hinreichend sei nur, wenn auch von Gewaltenteilung gesprochen werden könne: "Denn wenn in der Kirche das ganze Leben geteilt wird, der ganze Glaube, dann ja wohl auch die Gewalt, die Vollmacht, die im Namen Jesu ausgeübt wird." Es sei entscheidend, nicht von den Rechten und Pflichten der Kleriker her zu denken, sondern von den Rechten und Pflichten der Laien.

 

Johanna Rahner: Die Zeit wird knapp

 

Letztlich gehe es um die Frage nach der Demokratie- und Modernefähigkeit der Kirche überhaupt, erklärte die Professorin für Dogmatik an der Universität Tübingen, Johanna Rahner. "Das zu erkennen und das Ruder noch herumzulegen, dazu wird die Zeit knapp - wenn wir es nicht tun, ist das das Ende der katholischen Kirche, wie wir sie heute kennen."

Die Grundprinzipien des modernen demokratischen Staats gehörten zum Kerngeschäft von Kirche und machten ihre strukturellen Defizite umso fataler.

 

Köster: Delegation der Jurisdiktion

 

Für eine stärkere Trennung von Rechtshoheiten und Weiheamt plädierte der Professor für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Universität Münster, Norbert Köster. Vor dem 19. Jahrhundert sei dies selbstverständliche Praxis gewesen. Erst das Zweite Vatikanische Konzil (1962 - 1965) habe den Bischof an die Spitze der Weiheordnung gesetzt. "Ich glaube, dass die Bischöfe die Delegation der Jurisdiktion weiter verfolgen müssen", sagte der katholische Theologe. So seien zum Beispiel die Kirchenfinanzen schon immer in der Hand der Laien gewesen.

Noch bis Dienstag findet die von der "Wolfsburg" organisierte Fachtagung "Macht, Partizipation und Gewaltenteilung - Was ist in der katholischen Kirche möglich?" mit rund 110 Teilnehmenden statt. Die Veranstaltung ist als internationale Tagung zum Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland - dem Synodalen Weg - konzipiert.

UPDATE: Ergänzt um Stellungnahmen von Thomas Söding und Norbert Köster. | 01.03.2021, 17:45
UPDATE: Ergänzt um Stellungnahme von Johanna Rahner. | 01.03.2021, 19:40

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