Roadstory (11): Auch den Küchenhelferinnen fehlen die Freizeiten

Corona-Ausfall schmerzt die Ferienlager-Kochfrau

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Wie ein Gitternetz liegen die Autobahnen über dem Bistum Münster. Hinter jeder Abfahrt warten spannende Geschichten. Heute nehmen wir die Ausfahrt 11b auf der A30 und gelagen zur Ferienlager-Kochfrau Silvia Albers in Emsdetten.

Wie ein Gitternetz liegen die Autobahnen über dem Bistum Münster. Hinter jeder Abfahrt warten spannende Geschichten. Heute nehmen wir die Ausfahrt 11b auf der A30 und gelagen zur Ferienlager-Kochfrau Silvia Albers in Emsdetten.

Wenn Silvia Albers in diesem Sommer am Herd ihres Hauses in Emsdetten in einem kleinen Topf auf dem Induktionsfeld das Essen kocht, ist Wehmut dabei. Viel lieber hätte sie in diesen Wochen mit riesigen Löffeln in ebenso überdimensionierten Töpfen über einer Gasflamme gerührt. „Richtig anstrengend“ wäre das wieder geworden, sagt die 67-Jährige. „Wiggelig und laut.“ Aber eben auch „wunderschön“. Doch die Kochfrau für das Ferienlager der Pfarrgemeinde St. Pankratius in Emsdetten hat derzeit keine 80 hungrigen Gäste zu versorgen, sondern nur sich und ihren Mann. Das Corona-Virus hat die zweiwöchige Freizeit verhindert.

Sie wäre zum 20. Mal mitgefahren. Hätte im Vorfeld Einkaufs-Listen geschrieben, Material zusammengestellt, sich mit dem Leitungsteam abgestimmt. Und wäre schon etwas früher mit dem Vortrupp in die sauerländische Schützenhalle gereist, um alles zu putzen und aufzubauen. „So ein Lager beschäftigt eine Kochfrau das ganze Jahr“, sagt sie. „Wenn ich beim Einkaufen etwas sehe, das wir in der Lagerküche gebrauchen können, kaufe ich das zu jeder Jahreszeit.“

 

Sie hat ihr Herz verloren

 

Albers gibt zu, dass sie ihr Herz an diese zwei Wochen im Jahr verloren hat. „Es ist ein absoluter Höhepunkt, auf den die Vorfreude schon wieder wächst, sobald wir aus dem Sauerland zurück sind.“ Als Kind ist sie nie in ein Ferienlager gefahren, erst als ihre drei Töchter mit der Pfarrgemeinde in die Freizeiten starteten, erlebte sie deren Begeisterung. Am Ende ließ sie sich anstecken und überreden, das ehrenamtliche Team zu verstärken. „Da waren meine Kinder schon in der Lagerleitung aktiv.“

Sie blieb im Team. „Wer das einmal erlebt, kann nicht einfach so damit aufhören“, sagt sie. Die Gemeinschaft eines Ferienlagers hatte sie gepackt und seither nicht mehr losgelassen. Ein Gefühl, das sich in unzähligen Situationen widerspiegelt. „Wenn die Kinder schon auf der Hinfahrt im Bus voll Vorfreude auf die Nudeln mit Bolognese-Sauce sind, die es am ersten Abend immer gibt.“ Oder: „Wenn der wundersame Pfefferminz-Tee einem kleinen Patienten mit Bauchweh hilft.“ Oder: „Wenn die Kinder schon morgens ihre Nasen in die Küche stecken und wissen wollen, was es zum Mittag gibt.“

 

Ohne gutes Essen kein guter Tag

 

Eins weiß Albers nach so vielen Jahren sicher: „Ohne gutes Essen ist der Ferienlager-Tag im Eimer.“ Zudem ist die Küche mit ihrer heimeligen Atmosphäre ein wichtiges Zentrum im Lagerleben. „Ich fühle mich oft wie eine Kameradin der Kinder, die mit ihren Ideen, Fragen und Späßen zu mir kommen.“

So wertvoll eine Kochfrau und ihr Küchenteam für die Ferienkinder sind – andersherum gilt das genauso. Das spürt sie in diesem Jahr schmerzlich. „Mir fehlen diese vielen kleinen Begegnungen und Erlebnisse.“ Das Lächeln der Kinder, die schon das achte oder neunte Mal dabei sind und deren Entwicklung sie über die Jahre beobachten konnte. Das Gespräch mit dem engagierten Jugendlichen in der abendlichen Leiterrunde. „Auch das schöne Gefühl nach getaner Arbeit – völlig erschöpft, aber glücklich.“

 

Traurige Augen

 

Hin und wieder begegnet sie derzeit einer ähnlichen Traurigkeit, sie sie selbst empfindet, in den Straßen von Emsdetten. Wann immer sie Teilnehmer, Eltern oder Organisatoren trifft, sprechen deren Augen Bände. „Sie alle vermissen die gemeinsame Zeit.“ Gerade nach dem Lockdown, in dem das Erleben von Gemeinschaft und Freundschaft so massiv eingeschränkt worden seien, wäre ein Ferienlager-Gefühl doppelt wichtig gewesen. „Aber in diesem Jahr halt nicht möglich“, sagt sie. „Die Maßnahmen gegen das Virus sind wichtiger.“

An einen zweiten Ausfall im kommenden Jahr will Albers gar nicht denken. „Das wäre eine Katastrophe für die Kinder.“ Und auch für sie, das gibt sie zu. Denn schon jetzt ist sie wieder im Vorbereitungsmodus und in Gedanken immer ein bisschen in der Lagerküche und an den großen Töpfen über der Gasflamme. 160 Frikadellen möchte sie dann wieder braten oder zehn Kilo Nudeln kochen – an einem Tag. In diesem Jahr aber muss es bei den kleinen Portionen in der heimischen Küche bleiben.

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