„Niemand von uns will den Tod organisieren“

Diakonie-Chef Lilie verteidigt Vorstoß zur Suizidbeihilfe

  • Ulrich Lilie, Präsident des Diakonischen Werks, hat den Vorstoß für die Möglichkeit von Suizidassistenz in kirchlichen Einrichtungen verteidigt.
  • „Niemand von uns will den Tod organisieren“, sagte Lilie.
  • Es gehe um einen Aufschlag „zu einer anstehenden, nachdenklichen und differenzierten Debatte“.

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Ulrich Lilie, Präsident des Diakonischen Werks, hat den von ihm mitgetragenen Vorstoß für die Möglichkeit von Suizidassistenz in kirchlichen Einrichtungen verteidigt. „Niemand von uns will den Tod organisieren“, sagte Lilie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gehe um einen Aufschlag „zu einer anstehenden, nachdenklichen und differenzierten Debatte über die Frage, wie wir respektvoll, wertegebunden und ergebnisoffen mit dem Willen von Betroffenen umgehen“.

Er verwahre sich „gegen Karikaturen unseres Anliegens, es gehe uns um ein geregeltes Angebot neben anderen oder einen Anspruch auf Sterbehilfe in unseren Einrichtungen“, sagte Lilie: „Selbstverständlich bleibt die Diakonie Anwältin des Lebens.“

 

Vorstoß wurde weithin kritisiert

 

In der „Frankfurter Allgemeinen“ war ein Gastbeitrag von Lilie und weiteren evangelischer Theologen erschienen, der sich für die Möglichkeit des assistierten Suizids in evangelischen Einrichtungen ausspricht. 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbot organisierter Suizidassistenz etwa durch Sterbehilfeorganisationen gekippt. Der Gastbeitrag war weithin kritisiert worden, auch von Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland, der katholischen Bischofskonferenz, der Caritas und katholischer Laien und Verbände.

„Zu einer offenen Debatte innerhalb der Kirche gehört, dass auf solche grundlegenden Fragen nicht zu schnell der Deckel draufgelegt wird“, sagte Lilie. „Meiner Meinung nach kommen wir mit der bloßen Wiederholung der Argumente aus der Gesetzesdebatte von 2015 nun nicht wirklich weiter.“

 

Jede Haltung zum Thema habe einen „ethischen Preis“

 

„Wir müssen das christliche Verständnis des Tötungsverbots und des Lebens als Gabe Gottes zusammen mit der grundlegenden Wertschätzung der Würde und Selbstbestimmung des Menschen neu bedenken“, sagte der Diakonie-Chef. Jede Haltung, die man bei dem Thema einnehme, habe einen „ethischen Preis“. „Wo wir sagen, wir tun das nicht, überlassen wir verzweifelte Menschen in diesen Lebensphasen anderen Akteuren, zum Beispiel Sterbehilfeorganisationen“, gab der Theologe zu bedenken.

Lilie betonte, die Autoren des Beitrags seien einig, dass sich eine Öffnung für die Möglichkeit der Suizidassistenz oder die Begleitung von Menschen beim assistierten Suizid „ausschließlich auf die Menschen bezieht, die am Ende einer schweren Erkrankung sind, die keine Aussicht auf Besserung haben und am Ende eines langen Lebens stehen“. Das sei keine kritiklose bloße Übernahme eines höchstrichterlichen Urteils.

Haben Sie Suizidgedanken? Hier gibt es Hilfe
Menschen mit Suizidgedanken können sich an die Telefonseelsorge wenden. Sie ist unter den Rufnummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222 täglich rund um die Uhr erreichbar. Sie berät kostenfrei und anonym. Der Anruf findet sich weder auf der Telefonrechnung noch in der Übersicht der Telefonverbindungen wieder. Es gibt auch eine E-Mail-Beratung. Der Mailverkehr läuft über die Internetseite der Telefonseelsorge und ist daher nicht in Ihren digitalen Postfächern zu finden. Hier geht es zur Telefonseelsorge.

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