Redakteur Jens Joest blickt auch auf die „Woche für das Leben“ ab dem 17. April

Die Kirche demontiert sich als moralische Instanz

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Mit Positionen zu Grundfragen des Lebens bringt sich die katholische Kirche immer wieder in gesellschaftliche Debatten ein, etwa in der „Woche für das Leben“. Doch um überhaupt Gehör zu finden, muss die Kirche dringend ihre Glaubwürdigkeit wiederherstellen, findet Jens Joest.

Ab dem 17. April begehen die beiden großen Kirchen in Deutschland die „Woche für das Leben“. Unter dem Leitwort „Leben im Sterben“ werben sie für eine menschengerechte Sterbebegleitung – ein im Wortsinn lebenswichtiges Thema. Dabei hat die Kirche zwei große Probleme.

Erstens: Die Diskussion in der säkularen Gesellschaft verändert sich. Gerichtsurteile ebnen den Weg dafür, einen Suizid und die Beihilfe dazu als „normale“ Möglichkeiten unter vielen zu sehen. Dem müssen Christen ihr Menschenbild entgegenhalten.

 

Die Kirche hätte tausende Zeugen für ihre Position

 

Sie sollten dafür eintreten, dass Sterben zum Leben gehört und darum alle Begleitung braucht. Auf Palliativstationen, in Hospizen, mit professioneller Schmerzmedizin und liebevoller Zuwendung bis zuletzt. Dafür hätte die Kirche tausende Zeugen – die Haupt- und Ehrenamtlichen aus diesen Einrichtungen.

Aber – und das ist das zweite, viel größere Problem: Die Kirche demontiert sich als moralische Instanz seit geraumer Zeit selbst. Im Umgang mit sexueller Gewalt hat sie das Ansehen der Institution und der Täter wichtiger genommen als das lebenslange Leid der Betroffenen. Im Umgang mit Homosexuellen stellt der Vatikan eine angeblich göttlich „begründete“ Ohnmacht über die Liebe zweier Menschen.

 

Es genügt nicht, Liebe nur zu predigen

 

Wie soll eine Kirche unter diesen Umständen glaubwürdig für Menschenliebe argumentieren? Nicht nur, aber eben auch im Umgang mit älteren und kranken Menschen, mit Leidenden und Sterbenden?

Solange die Kirche die Liebe Gottes zu allen Menschen und in jeder Phase des Lebens zwar predigt, aber selbst nicht danach handelt, hat eine Gesellschaft allen Grund, kirchliche Diskussionsbeiträge zu übergehen – seien die Argumente auch noch so gut.

 

Es gibt Vorbilder

 

Auch darum gilt es, Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Auf dem Zeugnis in kirchlich-karitativen Einrichtungen lässt sich aufbauen. Die Nächstenliebe dort taugt als Vorbild für das Handeln und für Entscheidungen auf Leitungsebenen: Die Kirche muss vom Menschen her denken.

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