Fachmann für Kirchenmusik rät Chören auch zu ungewöhnlichen Proben

„Die Kirchenchöre stecken in einer Krise“

Während öffentliche Gottesdienste unter Bedingungen wieder erlaubt sind, ist Chorgesang nur unter Auflagen und noch nicht überall möglich. Was das für oldenburgische Kirchenchöre bedeutet, sagt Thorsten Konigorski, Kirchenmusik-Referent in Vechta.

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Chorprobe? Ausgeschlossen. Wo sonst jede Woche drei oder vier Dutzend Menschen im Kirchenchor zusammenkommen und für Konzerte und Auftritte proben, herrscht jetzt gähnende Leere - in den oldenburgischen Pfarrheimen etwa. Denn die Sorge vor Corona hat auch diesen Teil des kirchlichen Lebens lahm gelegt.

Einen wichtigen Teil, betont Thorsten Konigorski, Referent für Kirchenmusik im Bischöflichen Offizialat in Vechta. Denn die rund 100 Kirchenchöre im Oldenburger Land seien eine wichtige Stütze des Gemeindelebens. Und dieser Stütze ziehe Corona den Boden unter den Füßen weg.

 

Wann kann man wieder proben?

 

Bei Konigorski klingelt zurzeit immer wieder das Telefon, sein Email-Postfach quillt über. Chorleiter, Chorsänger und Pfarrer wollen wissen: Wann geht es wieder los bei den Kirchenchören?

Aber der Fachmann weiß das auch nicht, jedenfalls nicht restlos genau. Denn die Corona-Verordnungen der niedersächsischen Landesregierung werden gelockert, sind aber immer noch streng.

 

Verordnungen engen ein

 

Mit diesen Verordnungen kennt sich Thorsten Konigorski nun bestens aus. Beim Gespräch wischt er immer nur kurz über das Handy und liest erst vor aus der Verordnung vom 29. April, dann aus der vom 28. Mai. Bürokratisches Deutsch, das es in sich hat. „Zwei-Haushalte-Regel in der Öffentlichkeit“ heißt es da für persönliche Begegnungen. „Natürlich unmöglich für einen Chor“, sagt der Fachmann.

Oder: „Abstandsregel“. Anderthalb Meter sind im Alltag vorgeschrieben, drei Meter für Sänger, für jeden Sänger zehn Quadratmeter Platz. „Natürlich unmöglich mit einem großen Chor in einem kleinen Pfarrheim“, sagt der Fachmann.

 

Kein Gesang im Gottesdienst

 

Und in den Vorgaben der bischöflichen Behörde in Vechta heißt es über die Gottesdienste, dort sei „das gemeinschaftliche Singen auf das Notwendigste zu begrenzen“; man solle „möglichst ganz darauf verzichten“.

Formulierungen, die dem Kirchenmusiker schmerzen, das gibt er zu. Auch wenn sie sinnvoll seien. „Aber Gesang ist doch ein wichtiges Element, das Gemeinschaft stiftet im Gottesdienst“, betont er. Ohne Gesang sei das „nicht mehr die Liturgie, wie wir sie heute verstehen“.

 

Bis zu vier dürfen singen

 

Immerhin habe die Landesregierung in Hannover inzwischen erlaubt, bis zu vier einzelne Sänger im Gottesdienst singen zu lassen. Für Konigorski ein Anhaltspunkt: Warum das nicht auf den Alltag der Kirchenchöre anwenden?

An die Leiter der etwa 100 oldenburgischen Kirchenchöre appelliert er deshalb: „Nutzt den Spielraum! Probt in kleinen Gruppen!“ Wäre er selbst noch Chorleiter, so würde er Gruppen von vier Sängerinnen und Sängern je zehn Minuten proben lassen, mit „Lüftungspause“ und allen anderen Hygieneregeln.

 

Proben in großen Kirchen

 

Manche Chorleiter, so Konigorski, sind schon selbst auf ungewöhnliche Auswege gekommen. Kirchenmusiker an großen Pfarrkirchen etwa. Sie hoffen, dort den Abstand leichter einhalten und auch mit zwei Dutzend Chorsängern proben zu können. „Für mich denkbar“, sagt Konigorski. Er verweise diese Chorleiter aber immer auf die Vorgaben der örtlichen Behörden.

Konigorski sieht die Chöre in einer Krise. Denn jeder Chor lebe von den wöchentlichen Treffen, von der Monate langen Vorbereitung auf Konzerte und Auftritte. „Ohne diese regelmäßigen Treffen wird es für die Chöre schwer.“

 

Zusammenhalt für den Chor

 

Für einen Kirchenchor gehe es zurzeit deshalb gar nicht darum, „künstlerisch weiterzukommen oder neue Stücke zu proben“. Sondern nur um eines: „Den Chor zusammenzuhalten“.

Konigorski befürchtet, die Landesregierung in Hannover werde erst im Herbst ihre Regeln für den Chorbetrieb lockern. Dann werde es vielleicht wieder Proben geben. Wie früher, mit den gleichen Mitgliedern? Konigorski ist sicher: „Das sind dann andere Chöre als vor der Krise.“

Eine Übersicht der aktuellen Lage für Chöre
Der „Allgemeine Cäcilienverband“, Chorverband der katholischen Kirche, informiert  über die aktuelle Lage und hat jetzt ein Hygienekonzept für Kirchenchöre vorgelegt (www.acv-deutschland.de). Die Regeln in den Bundesländern sind nicht einheitlich; darüber informieren der Chorverband Nordrhein-Westfalen (www.cvnrw.de) und der niedersächsische Chorverband (www.ndschorverband.de). | fjs

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