Themenwoche „Familien- und Lebensformen“ (1) - Mann, Frau, ein Kind

Die Sarembas: „Julian ist das Beste, was uns passieren konnte“

Wie lebt eine Familie mit einem Kind mit Trisomie 21? Kirche-und-Leben.de hat die Sarembas im Alltag begleitet.

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Vater, Mutter und zwei, drei Kinder: So sieht wohl die Idealfamilie aus offizieller katholischer Sicht aus. Die gesellschaftliche und längst auch die katholische Wirklichkeit ist weitaus bunter. In unserer Themenwoche „Familien- und Lebensformen“ stellen wir jeden Tag Menschen in ganz unterschiedlichen Konstellationen vor, ihren Alltag, ihren Glauben, ihre Freuden und Sorgen. Den Anfang machen die Sarembas.

Akkurat parkt Renate Saremba vor der Kirche Sankt Margareta der Pfarrei Seliger Niels Stensen Lengerich, neben dem Hinweis mit der Person im Rollstuhl: „Einen Behindertenparkplatz brauchen wir nicht“, sagt die 55-Jährige. „Nee, wieso, ich kann doch laufen!“, fügt ihr Sohn Julian hinzu. Sie haben zum Glück nie Ausgrenzung erfahren müssen.

Das andere „Normal“ äußert sich bei Familie Saremba in einem strukturierten Alltag: Von 8 bis 15.30 Uhr besucht Julian eine Förderschule, nachmittags gibt es Sport oder Treffen in der Gemeinde. Seine Mutter, gelernte Krankenschwester, gibt noch familienunterstützende Betreuung bei einer anderen Familie, die eine Tochter mit Handicap hat. Ingolf Saremba, Betriebswirt, leitet eine Gruppe bei den Ledder Werkstätten, einem der größten Arbeitgeber der Diakonie im Kreis Steinfurt für Menschen mit Behinderung.

Bleibt Julian gesund?

Corona, das war das bestimmende Thema in der Familie in den vergangenen zwei Jahren: „So wie in jeder anderen Familie wahrscheinlich auch“, merkt Renate Saremba an. Julian sei sehr glücklich, dass er kürzlich geboostert worden sei. Er macht jetzt bei der Band der „Lebenshilfe Greven“ mit, einem Verein, der sich für Menschen mit Behinderung einsetzt. Er hat viele Hobbys: „Ich liebe Filme“, sagt Julian und zeigt auf einen Stapel DVDs. „Das Handy finde ich auch gut“, sagt er mit einem Grinsen und sein Vater schüttelt nur den Kopf und ergänzt: „Da müssen wir manchmal bremsen, ein eigenes Mobiltelefon hat er auch noch nicht.“ Die tägliche Diskussion um digitale Mediennutzung – darin unterscheidet Julian sich nicht von anderen 14-Jährigen.

Dafür bestimmen andere Themen die Familie: „Wenn ich andere Eltern höre, wenn sie von ihren Sorgen berichten, wie Schule, dann denke ich mir, das haben wir alles nicht. Wir haben dafür andere Sorgen.“ Zum Beispiel, ob Julian gesund bleibt. Im Alter von 18 Monaten hatte Julian Leukämie. Kinder mit Down-Syndrom haben eine mehrfach erhöhte Wahrscheinlichkeit, an der „Akuten Myeloischen Leukämie“ (AML), einer Form von Blutkrebs, zu erkranken. Vier Monate war er häufig im Krankenhaus, heute weiß er nichts mehr davon. „Das war die Zeit, da hatten wir tatsächlich einen Berechtigungsschein für Behindertenparkplätze“, erinnert sich seine Mutter. Zusätzlich hat er eine geringere Muskelspannung. Das Laufen hat er erst mit vier Jahren gelernt.

Regelmäßig als Messdiener im Einsatz

Den Eltern ist es wichtig, Julian bestmöglich zu fördern. Zusammenhalt und Herzlichkeit wird in der Familie großgeschrieben. Gesellschaftsspiele stapeln sich im Wohnzimmer, hier wird Wert auf ein Miteinander gelegt. Früher hätte sie es durchaus schön gefunden, wenn Julian noch ein Geschwisterkind bekommen hätte: „Auch wenn wir einmal alt sind, damit es jemanden gibt, der an seiner Seite ist“, sagt Renate Saremba. „Wir mussten lange auf Julian warten“, ergänzt ihr Mann, das habe fast schon Tradition in seiner Familie, die ebenfalls sehr spät Eltern geworden seien. „Die Chancen standen 50/50, dass, wenn es funktioniert, unser Kind eine Behinderung haben würde“, ergänzt Renate Saremba. Den heutigen Bluttests, mit denen sich Chromosomen-Abweichungen beim Ungeborenen feststellen lassen, stehe sie kritisch gegenüber: „Julian ist das Beste, was uns passieren konnte.“

Ausgrenzung hätten sie nie erfahren, Julian ist auch in der Kirchengemeinde fest integriert und dort regelmäßig als Messdiener im Einsatz: „Wohin Julian kommt, wird er mit freudigem Lächeln begrüßt“, freut sich seine Mutter und schaut über den Tisch zu ihrem Sohn. „Ach Mama, dich habe ich auch lieb“, sagt Julian beiläufig und fügt noch hinzu: „Meine Familie ist cool. Ich habe eh die besten Eltern der Welt.“

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