Roadstory (2): Die Geschichte hinter der Autobahnabfahrt

Haus Geist bei Oelde hat eine wechselvolle Geschichte

Wie ein Gitternetz liegen die Autobahnen über dem Bistum Münster. Hinter jeder Abfahrt warten spannende Geschichten. Heute verlassen wir die A2 an der Abfahrt Oelde, um dort die Wasserburg Haus Geist zu besuchen.

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Wie ein Gitternetz liegen die Autobahnen über dem Bistum Münster. Hinter jeder Abfahrt warten spannende Geschichten. Heute verlassen wir die A2 an der Abfahrt Oelde, um dort die Wasserburg Haus Geist zu besuchen.

Auf wie vielen Mooreichen die Burg steht, weiß keiner. Aber es müssen viele sein, die das herrschaftliche Hauptgebäude von Haus Geist bei Oelde stützen. Allein der Name legt das nahe. Abgeleitet von dem niederdeutschen „Geest“ verweist es auf die unwirtliche Landschaft, in der der Gebäudekomplex über hunderte Jahre erbaut, ergänzt und umgestaltet wurde. Geest bedeutet nasse, tiefe Böden. Auch heute noch steht die Burg in der Mitte von großen Teichen, umgeben von saftigem Grünland und dichten Wäldern. Ein starkes Fundament ist hier wichtig.

Schon vor tausend Jahren wurde erwähnt, dass auf den sieben Inseln im Geisterholz westlich von Oelde, auf halber Strecke Richtung Ennigerloh Häuser errichtet wurden. Es war der Anfang einer wechselvollen Geschichte, in der auch die Kirche Episoden prägte. Zur Blütezeit des Anwesens prägten Ecktürme und eine große Kapelle das Profil. Kriegerische Auseinandersetzungen und Brände veränderten den Anblick immer wieder.

 

Lieblingsplatz mit Rundblick

 

Wenn Hubertus Pellengahr-Gröblinghoff heute in seinem Wohnzimmer sitzt, hat er einen Lieblingsplatz. Er rückt seinen Stuhl in Position. „Von dieser Stelle kann ich durch das eine Fenster die Eingangsbrücke sehen und durch das andere über den großen Teich ins Grüne.“ Die Familie des Landwirts hat Haus Geist schon in der fünften Generation gepachtet. Mittlerweile hat sie sich auf die Herstellung von Pferdefutter spezialisiert. „Meine Kinder Franziska Julius sind die sechste Generation.“

Dass sie nicht in einem gewöhnlichen Bauernhof leben, spürt die Familie in allen Winkeln. Die Zimmer erinnern noch stark an die Zellenaufteilung der Jesuiten, die von 1640 bis 1773 die Burg bewohnten. „Klein, hoch und dunkel – das passte zum asketischen Leben der Ordensmänner“, sagt Pellengahr-Gröblinghoff. „Sie beteten und arbeiteten, mehr nicht.“ Das tat auch Moritz von Büren, der letzte adelige Besitzer. Er wurde selbst Jesuit und vermachte die Burg dem Orden. „Man sagt, er sei an Hunger und Erschöpfung nach Selbstkasteiung gestorben.“

 

Familie Potts erwarb hier ihr Braurecht

 

Diese und ähnliche Geschichten kennt Pellengahr-Gröblinghoff zu Genüge. Etwa aus der Zeit des dreißigjährigen Kriegs, als die Franzosen Teile der Burg zerstörten. „Bei Feldarbeiten haben wir einmal eine Speerspitze von damals gefunden.“ Oder aus dem Jahr 1769, als die Jesuiten ihr Braurecht an die Familie Pott-Feldmann in Oelde verkaufen. „Das ehemalige Brauhaus des Ordens ist das älteste erhaltene Gebäude.“ Oder aus der Zeit nach den Jesuiten, als die Liegenschaften an den Fürstbischof Friedrich von Königsegg-Rothenfels in Münster übergingen.

Aber auch aus jüngerer Vergangenheit kennt der Landwirt Anekdoten. „Mein Vater hat mir oft von den Diplomatenjagden der Bundesregierung erzählt, die hier in den 1950er und -60er Jahren stattfanden“, erzählt der 55-Jährige. Die Bundespräsidenten Theodor Heuss und Heinrich Lübke reisten dann mit großer Entourage aus Bonn an. Auf dem Burginnenhof wurden Regierungsvertreter aus der ganzen Welt begrüßt. „Lübke soll dabei das Horrido vom Blatt abgelesen haben.“

 

Ehrfürchtige Begegnungen mit der Geschichte

 

Wie die Geschichte der Burg immer wieder ihren Weg in den Alltag der heutigen Bewohner findet, kann der Landwirt berichten. Natürlich ist da der Denkmalschutz, mit dem er sich bei jeder Veränderungen der Gebäudesubstanz auseinandersetzen muss. Da sind aber auch viele unerwartete Momente, die „mit viel Ehrfurcht“ an die Menschen erinnern, die in den Gemäuern gelebt haben. Als er bei Arbeiten an den Teichen auf Jahrhunderte alte Mooreichen stieß, die von den Jesuiten verbaut wurden, um eine Fischzucht zu betreiben, war ein solcher Augenblick.

Die Familie und die Mieter eines Teils der insgesamt 18 Zimmer können die historische Kulisse aber auch einfach nur genießen. Der große Burginnenhof ist Mittelpunkt des Lebens, gerade im Sommer. Von den Burgmauern aus geht dort der Blick über die Seen und die grüne Landschaft. Den gibt es für die Wanderer und Radtouristen zwar nicht, da dies ein privater Bereich ist. Aber auch der Blick von außen lässt vieles von der Geschichte und der Schönheit von Haus Geist erfahren.

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