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Die rund um den 10. Mai bundesweit stattfindenden „Segnungsgottesdienste für Liebende“ haben wieder viele Paare und Singles angezogen. Die Mitmachenden der Aktion #liebegewinnt wünschen sich mehr Offenheit der Kirchen gegenüber queeren Paaren. In Rheine haben beispielsweise mehr 60 Interessierte den Segen für ihre Liebe empfangen.
Am 10. Mai hieß es in Rheine wieder: #liebegewinnt. Die Pfarrei St. Antonius und die evangelische Johannes-Gemeinde haben gemeinsam an der bundesweiten Aktion teilgenommen, die 2021 erstmalig durchgeführt wurde. Die Gemeinden in Rheine luden in ökumenischer Verbundenheit Liebende ein, sich und ihre Liebe segnen zu lassen, unabhängig von Lebensumständen und sexueller Orientierung.
„Wir wünschen uns mehr Offenheit der Kirche für alle Menschen“, sagten übereinstimmend Ingrid und Werner Siegbert. Das Paar aus Rheine-Mesum ist seit 36 Jahren verheiratet und wollte sich den „Segen für die Liebenden“ in der Antonius-Basilika nicht nehmen lassen.
Gespräche über sexuelle Orientierung
Gekommen waren auch Lotta (16) und ihr Freund Benjamin (19), für die Gottes Zuspruch für die Freundschaft wichtig ist. „Die Kirche soll vielfältig sein und Platz für alle Menschen haben, egal, welche sexuelle Orientierung sie haben“, sagte Lotta, die sich als Messdienerleiterin in der Pfarrei St. Antonius engagiert.
Unter den Jugendlichen werde gelegentlich darüber gesprochen, wie denn die Kirche über Freundschaften und Sexualität denke. „Da gibt es natürlich viele Vorurteile. Wir haben aber einen guten Religionsunterricht, wo auch diese Themen angesprochen werden“, sagte die Messdienerleiterin.
Einladung an queere Paare
Die Pfarrei St. Antonius in Rheine hat sich an der Aktion #liebegewinnt beteiligt. | Foto: Johannes Bernard
Die erste Auflage der Aktion #liebegewinnt vor einem Jahr hatte für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Zu den Segnungen damals waren bewusst auch queere Paare eingeladen, nachdem der Vatikan die Segnung homosexueller Paare untersagt hatte.
Während der Segensfeier in Rheine sagte Pastoralassistentin Lena Gelsterkamp, dass Gottes Liebe alle Menschen einschließe. In diesem Sinn sei der Gottesdienst offen für alle Liebenden: für Verheiratete, Singles, Geschiedene, Geschwister, für Menschen mit Herz, lang Verbundene, frisch Verliebte, für Regenbogenfamilien, für „Auf Wolke 7 Liebende“ sowie ausdrücklich für queere Paare.
Gegen Homophobie und Ausgrenzung
„Wir respektieren und schätzen ihre Liebe und meinen darüber hinaus, dass der Segen Gottes mit ihnen ist“, sagte Gelsterkamp. In den Fürbitten sprachen Teilnehmende ihre Bitten gegen Homophobie und Ausgrenzung aus.
An der Aktion #liebegewinnt beteiligten sich im Bistum Münster mehrere Pfarreien. Das Stadtdekanat Münster hatte zu mehreren Gottesdiensten alle Menschen eingeladen, „die in Liebe zueinander Verantwortung füreinander übernehmen“, um sich Gottes guten Segen zusagen zu lassen. In der Einladung hieß es: „Gott ist die Liebe, und Gott schenkt uns Menschen seine Liebe.“
Gottesdienste auch in Dülmen und Datteln
Benjamin und Lotta sind gern zum Segnungsgottesdienst gekommen. | Foto: Johannes Bernard
Die Pfarrei Heilig Kreuz in Dülmen schrieb über ihren Segnungsgottesdienst: „Die Liebe ist ein Segen, und wer liebt, ist ein Segen. Wir feiern die Vielfalt der verschiedenen Lebensentwürfe und Liebesgeschichten von Menschen und bitten um Gottes Segen für alle Paare, die das möchten.“
Ähnlich formulierte es die Pfarrei St. Amandus in Datteln: „Das Leben wird bunter – aber es bleibt Leben. Die Liebe wird bunter – aber sie bleibt Liebe. Der Segen bestärkt zum Leben und in der Liebe.“ Der Pfarreirat St. Amandus unterstütze das Anliegen, „dass liebende Menschen sich gesegnet wissen, um in guten und schweren Tagen ihre Liebe leben zu können“.
Initiatoren ziehen positives Fazit
An der diesjährigen #liebegewinnt-Aktion beteiligte sich erstmals auch ein Bischof. Der Essener Weihbischof Ludger Schepers, der zugleich der Beauftragte der deutschen Bischöfe für den Kontakt zur Pastoral queerer Menschen ist, nahm die Einladung eines schwulen Paars zu einem Gespräch an.
In einem ersten Fazit zogen die Initiatoren, zu denen unter anderem die Pfarrer Jörg Hagemann aus Münster, Christian Olding aus Geldern und Stefan Jürgens aus Ahaus gehören, ein positives Fazit hinsichtlich der Beteiligung der Gemeinden. Bundesweit gab es mehr als 80 Segensfeiern rund um den 10. Mai.
Kritik an kirchlicher Lehre
Seit 36 Jahren ein Paar: Ingrid und Werner Siegbert. | Foto: Johannes Bernard
Dennoch bleibe vieles offen, was die Akzeptanz queerer Identitäten durch die Kirche anbelangt, meinen die Initiatoren. In einem ersten Fazit zu den Segensgottesdiensten schrieben sie: „Eigentlich ist das Thema in der deutschen Gesellschaft durch. Queere Identitäten sind akzeptiert. Dass eine Aktion wie #liebegewinnt mit zeitgleichen Segnungsgottesdiensten für Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen dennoch für Aufmerksamkeit sorgt, zeigt, wie sehr die Lehre der katholischen Kirche sich in dieser Frage von der Gesellschaft entfernt hat. Sie steht im Diskurs außen vor, mehr noch, sie diskriminiert.“