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Dem früheren Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch wird Versagen im Umgang mit Missbrauch vorgeworfen. Das sei bis zu bewusstem Verschleiern und Vertuschen der Taten gegangen. Diese Vorwürfe sind durch die Freiburger Missbrauchsstudie erhoben worden.
Dem früheren Freiburger Erzbischof und Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz Robert Zollitsch wird schweres Versagen beim Umgang mit Missbrauch vorgeworfen. Das sei bis hin zum bewussten Verschleiern und Vertuschen gegangen, erklärten die Juristen Eugen Endress und Edgar Villwock am Dienstag bei der Vorstellung ihres Berichts zu Missbrauch im Erzbistum Freiburg.
Ähnlich schweres Versagen werfen sie Zollitschs Vorgänger Oskar Saier (1978-2002) vor. Beim amtierenden Erzbischof Stephan Burger (seit 2014) fanden die Autoren der Untersuchung keinen Hinweis auf Vertuschung. Zollitsch leitete von 2003 bis 2014 das Erzbistum Freiburg und war von 2008 bis 2014 Vorsitzender der Bischofskonferenz.
Saier hat Kirchenrecht missachtet
Erzbischof Saier habe das Kirchenrecht nicht angewendet, bei ihm habe „eine vollständige Ignoranz“ vorgelegen, so Endress. Es liege „das Vollbild einer Vertuschung“ vor; Opfer hätten keine Rolle gespielt. Zollitsch habe als Erzbischof nicht mehr wie früher vertuschen können, weil sich inzwischen erste innerkirchliche Strukturen zum Umgang mit Tätern und Opfern entwickelt hätten, so die Autoren. Endress zeigte sich fassungslos, dass Zollitsch einvernehmliche sexuelle Verhältnisse von Priestern mit erwachsenen Frauen schlimmer bewertet habe als den Missbrauch von Kindern.
Burger habe die Fälle dann ab 2014 „nach und nach abgearbeitet“, so Endress. Zum Schutz von Persönlichkeitsrechten nennt der Bericht nur Personen des öffentlichen Lebens namentlich, dazu gehören die Bischöfe, die Verwaltungschefs und Kirchengerichtsleiter, also Generalvikare und Offiziale.
Ergebnisse: Mehr als 250 mögliche Täter
Der Leiter der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Freiburg, Magnus Striet, geht von mehr als 250 Priestern aus, die des Missbrauchs schuldig sind oder beschuldigt werden. Die Zahl der Opfer gab Striet am Dienstag vor Journalisten mit mindestens 540 an. Zugleich betonte er, dass diese Zahlen mit großer Vorsicht zu sehen seien, weil von einem erheblich größeren Dunkelfeld auszugehen sei. Zudem sei es bei der Studie nicht um Zahlen, sondern vor allem um die Aufarbeitung von Strukturen zur Vertuschung gegangen. Striet betonte, wer glaube, mit der Untersuchung werde ein Schlussstrich gezogen, der habe nichts verstanden: „Es werden Wunden bleiben, die nicht heilen.“ Nach jahrelangen Recherchen stellten unabhängige Experten am Dienstag ihren Bericht vor. Auf 600 Seiten analysiert dieser anhand von mehr als 20 Fällen, wie die Kirchenverantwortlichen mit Opfern und Tätern umgingen und welche Strukturen Missbrauch begünstigten. (KNA)