Frömmigkeit auf neuen Wegen (5) – die „Nightfever“-Abende

„Nightfever“ – wo Passanten von der Straße auf Anbetung treffen

Anzeige

Die Kirche gehörte früher selbstverständlich dazu – von den Festen im Jahreslauf bis zu prägenden Ereignissen im individuellen Leben. Heute sind kirchliche Bezüge lockerer geworden – was jedoch nicht bedeuten muss, dass die Menschen weniger gläubig sind. Nach dem Weltjugendtag 2005 sind – auch in Münster – die „Nightfever“-Abende entstanden, die von jungen Menschen gestaltet werden, dabei aber auch auf traditionelle liturgische Formen setzen.

„Darf ich Ihnen eine Kerze schenken?“ Aus dieser Frage an Passanten auf dem Prinzipalmarkt mitten in Münsters Innenstadt entwickle sich „hoffentlich ein Gespräch“, sagt Justus Keitel. An dessen Ende könnte dann die Einladung in die Lambertikirche stehen. Dort bietet ein Team junger Menschen sechsmal im Jahr einen „Nightfever“-Abend an.

Das Format ist nach dem Kölner Weltjugendtag 2005 entstanden. Es orientiert sich an der Vigilfeier der Weltjugendtage und am sogenannten „Barmherzigkeitsabend“, den die geistliche Gemeinschaft „Emmanuel“ entwickelt hat.

Ab 19 Uhr steht die Lambertikirche vier Stunden lang offen, Besucher kommen und gehen, wie sie mögen. Sie können ihre Kerze entzünden, innehalten, mit einem Priester sprechen, sogar beichten und vor dem Allerheiligsten beten. 500 bis 600 Menschen seien zuletzt gekommen, sagt der 22-Jährige – mehr als vor der Corona-Pause 2020.

Zwei Drittel der Besucher auf der Straße angesprochen

Theresa Potthoff betont, die Abende seien „niederschwellig“; es kämen auch Menschen, für die eine Sonntagsmesse „ein zu großes Angebot“ wäre. Sie setzen sich in hintere Bankreihen, kommen zur Ruhe, gehen Gedanken nach.

„Zwei Drittel unserer Besucher laden wir auf der Straße ein“, schildert Justus Keitel. Manche Menschen gehen zwar nicht mit in die Kirche, aber nehmen die geschenkte Kerze an: „Sie entzünden sie vielleicht zuhause und schaffen sich dort einen besonderen Moment.“

Warum Anbetung unverzichtbar ist

Die Besuchenden von der Straße sind sehr verschieden – sogar Gruppen von Junggesellenabschieden hätten sich schon überzeugen lassen, so Theresa Potthoff. „Man darf nicht denken: Den spreche ich nicht an, das klappt sowieso nicht.“ Selbst wenn Passanten nur kurze Zeit in der Kirche bleiben: „Viele bringen ihre Kerze vor den Altar.“

Darauf steht das Allerheiligste, die geweihte Hostie in einem kostbaren Schaugefäß, der Monstranz. Der katholische Glaube sieht in dem gewandelten Brot Jesus selbst anwesend.

Die eucharistische Anbetung ist fester Bestandteil von „Nightfever“. Justus Keitel begründet das: „Jesus selbst lädt ein. Dass er auf dem Altar präsent ist, macht das sichtbar.“ Der Jurastudent weiß, dass manche Kurzzeit-Besucher dieses Zeichen vielleicht nicht verstehen, aber: „Wir hoffen, dass sie die Nähe Jesu in dem Moment spüren, in dem sie ihre Kerze entzünden.“

Warum die Beichte nachgefragt wird

Regelmäßige „Nightfever“-Gäste, die in den Bänken sitzen oder knien und beten, prägen den Abend ebenso: „Besucher von außen spüren sofort, dass eine besondere Atmosphäre in der Kirche herrscht“, beschreibt Theresa Potthoff.

An jedem Abend ist auch die Beichte möglich. Einige Besucher würden bei „Nightfever“ „zum ersten Mal seit langer Zeit wieder beten“, sagt Justus Keitel. Oder sie suchten das Gespräch mit den Priestern. In beiden Fällen könne der Wunsch entstehen, „zu verarbeiten oder sogar zu beichten“. Die Hürde für die Beichte ist bei „Nightfever“ bewusst gesenkt: Die Priester sitzen im Kirchraum statt im Beichtstuhl, die Musik des Abends schafft Diskretion für die Gespräche.

Stärkend auch für das Vorbereitungsteam

Die Abende in der Lambertikirche machen ein breites Angebot, ist das Vorbereitungsteam überzeugt – von der Möglichkeit des kurzen Innehaltens über das Entzünden einer Kerze in persönlichen Anliegen bis zur Anbetung und zum Empfang des Sakraments der Versöhnung. „Passanten von der Straße können sich ebenso wiederfinden wie Christen, die in Pfarreien und Gemeinschaften verwurzelt sind. Oder Menschen, die nur bei ,Nightfever‘ einen Gottesdienst besuchen“, sagt Justus Keitel.

Auch das Vorbereitungsteam – jedes Mal ein Dutzend junger Leute, die auch die Menschen auf der Straße ansprechen – erfährt die Abende als stärkend: „Ich spüre, dass es mir selber Kraft gibt, meinen Glauben so zu bezeugen und ihn weiterzugeben – auch dann, wenn es in einem Gespräch mal schwerer ist“, sagt Theresa Potthoff. Und Justus Keitel ergänzt, es beeindrucke ihn, „den Geist Gottes wirken zu sehen“.

Die nächsten Abende von „Nightfever“ in Münster sind am 10. September, 29. Oktober und 26. November, jeweils im Anschluss an die 18-Uhr-Messfeier in St. Lamberti.

Update: Angaben zum Hintergrund von „Nightfever“ im zweiten Absatz ergänzt. | jjo., 10.30 Uhr

Anzeige