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Es sind wenige, aber es gibt sie: junge – oder besser: relativ junge – Menschen in alten Orden. Was hat sie bewegt, sich ihrer Gemeinschaft anzuschließen? Welche Erfahrungen haben sie gemacht? Wie geht es ihnen in Gemeinschaften mit überwiegend älteren Brüdern und Schwestern? Heute: Schwester Maria Magdalena Kempen von den Lüdinghauser Franziskanerinnen.
Im Wohnzimmer zündet Schwester Maria Magdalena Kempen erst einmal eine Kerze an. „Gott wird sorgen“ steht auf dem weißen Wachsstumpen. Die Flamme hält kurz inne in der warmen Sommerluft, ihr Licht spiegelt sich in den Augen von Schwester Maria Magadalena wider. Die 51-Jährige lebt mit zwei Schwestern der Gemeinschaft der Franziskanerinnen von der Buße und der christlichen Liebe Lüdinghausen in einem kleinen Konvent in Münster.
Das Entzünden der Kerze ist für die 51-Jährige ein Ritual: „Das machen wir vor jeder Unterrichtseinheit so“, sagt sie mit einem Lächeln. Die Novizin ist auf dem Weg zur Ordensfrau: „Das ist nach bürgerlichem Recht ein Ausbildungsberuf“, berichtet sie – dazu gehört eben auch ganz normaler Unterricht, der ihr täglich durch eine Begleiterin im zweijährigen Noviziat erteilt wird. Inhaltlich geht es um Theologisches, Historisches, Bibelexegese und die Regeln der Gemeinschaft der Franziskanerinnen Lüdinghausen.
Aufgewachsen im Wallfahrtsort Kevelaer
Ihre Entscheidung, in einen Orden einzutreten, „ist nicht vom Himmel gefallen“, wie sie sagt. Schwester Maria Magdalena stammt aus Kevelaer, war Messdienerin und ist mit dem Kommen und Gehen der Pilger in dem Marienwallfahrtsort aufgewachsen. „Man hat den Glauben mit der Luft eingeatmet“, beschreibt sie ihre Spiritualität.
„Ich komme aus einer normalen Familie, wir waren nicht speziell religiös.“ Ihre Eltern hätten eher verwundert geguckt, als Jennifer, wie sie mit Geburtsnamen heißt, anfing, regelmäßig die Werktagsmessen zu besuchen. „Ich habe mir die Blätter aus meinem Erstkommunionsunterricht an die Wand gehängt, statt Starschnitte von Popsängern“, sagt sie mit einem Lachen. Sie fand es interessant, sich mit Glaubensfragen auseinanderzusetzen.
Verbundleiterin von sechs Kita
Nach der Schule arbeitete sie als Erzieherin, bevor sich ein Studium der Sozialpädagogik anschloss. Der Beruf stand lange im Vordergrund, sie übernahm die Verbundleitung von sechs Kitas im westlichen Münsterland: „Kinder ins Leben zu begleiten fand ich mega. Ich habe meinen Job immer gerne gemacht, auch wenn er stressig war.“ Doch irgendwann kam die Frage: ,Ist das alles? Gibt es nicht noch mehr?‘ immer öfter auf.
„Der Gedanke ans Ordensleben war immer da“, erinnert sie sich. Sie hatte Kontakt zu Ordensschwestern und zog 2016 von Kevelaer nach Münster: „Ich wollte nochmal eine größere Stadt mit einem vielfältigem kulturellen und religiösem Angebot entdecken.“ Sie lernte den Konvent kennen, in dem damals zwei Mauritzer und zwei Lüdinghauser Franziskanerinnen lebten.
In WG an Orden herangetastet
„Kurz vor Beginn des ersten Corona-Lockdowns bin ich eingezogen“, weiß sie noch. Die Ordensschwestern am Katthagen waren offen für dieses WG-Modell, ein erstes Herantasten und Schauen, ob es passt, ohne dass ein Eintritt in die Gemeinschaft für Jennifer Kempen direkt feststand.
Während ihres Noviziats absolviert die 51-Jährige auch ein Praktikum in einem Eine-Welt-Laden in Münster. | Foto: Marie-Theres Himstedt
Diese Offenheit seitens der Schwester empfindet Schwester Maria Magdalena bis heute als großes Geschenk, ebenso wie die Freiheit zur Entscheidung, einen Schleier zu tragen oder nicht: „Das ist uns freigestellt. Ich halte den Verzicht auf einen Schleier für mich stimmiger. Ich sehe aber auch die Vorteile beim Tragen eines Schleiers. Mitschwestern werden ganz anders wahrgenommen und angesprochen.“
Botschaft des Glaubens weitertragen
Es gibt eine Bandbreite an Ordensgemeinschaften: „Was passt zu mir? Da lohnt es genau hinzuschauen, für welche ich mich entscheiden möchte.“ Diese Frage empfiehlt sie allen, die sich damit beschäftigen, in einen Orden einzutreten. Schwester Maria Magdalena sieht es entspannt, dass es nicht mehr viele Menschen sind, die sich für ein so enges Leben im Glauben entscheiden: „Ich lebe meinen Glauben in Gemeinschaft, ich reichere die Luft an, auch wenn die Glaubensluft insgesamt dünner wird.“
Für sie ist es stimmig, im „Jetzt“ zu leben: „Ich mache gerade die Erfahrung, dass mein Leben gerade noch glücklicher wird. Für mich ist die Frage, ob es uns in 50 Jahren noch geben wird, nicht ganz so relevant. Natürlich lebt in mir eine Sehnsucht, weil ich von dem erfüllt bin, was Franziskus uns mitgegeben hat, was unsere Gründerin Catharina Damen, Mutter Magdalena uns mitgegeben hat, ich möchte auch schon, dass diese Botschaft weiterlebt.“
Eine Botschaft, die geprägt ist von Franziskus, Ordensgründer und Heiliger, der von 1181 bis 1226 unter anderem in Assisi gewirkt hat.
„Nimm nichts mit auf deinem Weg“
„Nimm nichts mit auf deinem Weg“ – dieser Regel des Hl. Franziskus und seinem Anliegen, das Evangelium zu verkünden im Sinne von „bei den Menschen sein“ kann sie viel abgewinnen. An der Seite der Schwachen und Armen stehen im Heute – das bedeutet für sie auch, sich im Beirat sexueller Missbrauch im Bistum Münster einzubringen. Die Mitglieder beraten Bischof Felix Genn bei Fragen und stehen untereinander im regelmäßigen Austausch.
Ihre Aufgabe sieht sie „unter den Menschen“. Nach ihrem Noviziat wird sie auch wie die anderen Schwestern einem Beruf nachgehen. Wie in ihrem Hobby Pilgern sieht sie sich als Ansprechpartnerin: „Ich möchte nicht missionieren, aber wer mich begleiten möchte in dem wie ich lebe, dem stehe ich Rede und Antwort.“