„Ein friedvolles neues Jahr 2023“ - Teil 2

Raus aus der Ukraine: Mariia Vytivska (21) hofft auf inneren Frieden

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„Ein friedvolles neues Jahr 2023“ – dieser Wunsch wird in diesen Tagen zigfach geäußert. Was oft nicht mehr als eine Floskel ist, bekommt durch den Krieg in der Ukraine eine enorm wichtige Bedeutung. Wir haben verschiedene Menschen aus der Ukraine gefragt, mit welchen Gefühlen sie auf das neue Jahr blicken. Die 21-jährige Mariia Vytivska kam erst vor Kurzem und hat bescheidene Wünsche für das neue Jahr.

Es gibt zwei Worte, da ringt sie mit den Tränen. Da ist deutlich zu sehen, welche Gedanken in ihr angestoßen werden. Da bündelt sich das Elend des Krieges in ihrer Heimat: „Vater“ und „Mutter“. Mariia Vytivska wirkt sonst gefasst, manchmal auch optimistisch, gar fröhlich. Doch an dem Punkt, an dem die 21-Jährige an ihre Eltern denkt, die sie in ihrem Heimatort nahe von Lwiw zurücklassen musste, brechen sich ihre wahren Gefühle Bahn.

Eigentlich wäre sie jetzt auch noch dort. Sie hat bis vor wenigen Wochen dort ausgeharrt. Doch die Lebenssituation und die fehlenden Perspektiven hatten schon lange den Gedanken bei ihr angestoßen, ihren Brüdern nach Deutschland zu folgen. Der Alltag in der westlichen Region der Ukraine ist zur Tortur geworden, ein Kampf ums Überleben. „An ein geregeltes Leben mit Arbeit und eigener Familie ist lange nicht zu denken“, sagt Vytivska, die kurz vor dem Krieg ihren Master in Kulturwissenschaften gemacht hat.

Flucht vor dramatischer Lage in der Ukraine

Sie war kurz vor Weihnachten nach Deutschland gereist, um ihre Brüder in Eichstätt und in Münster zu besuchen. Erst hier entschied sie, das Rückfahrticket in die Heimat nicht einzulösen. „Kurzfristig, weil die Situation in der Ukraine im Winter dramatisch wird.“ Eine harte Entscheidung für sie, denn die Eltern werden nicht nachkommen. „Mein Vater ist griechisch-katholischer Priester und wird dort jetzt besonders gebraucht.“

Der Krieg ist aber auch in Deutschland nicht weit weg, sagt Vytivska. „Ich habe ihn in meinem Kopf mitgenommen.“ Die Stunden im Keller aus Angst vor den Luftangriffen, der Lärm der Rotorblätter der Hubschrauber dicht über ihrem Elternhaus, die toten Soldaten aus ihrem Freundeskreis – all das hat sie nicht einfach hinter sich lassen können. „Es hat meinen inneren Frieden zerstört.“

Wunsch: Frieden im Kopf wiederfinden

Sie hofft, dass sich daran durch die Entfernung zum Kriegsgeschehen etwas ändern kann. „Die Kämpfe in der Ukraine werden weitergehen, aber vielleicht muss ich irgendwann nicht mehr so schwer mit meinen Erlebnissen kämpfen.“ Ein Abstand, den sie gestalten möchte – aus Ablenkung und um sich neue Perspektiven zu schaffen. Deutsch will sie lernen, vielleicht einen Job finden. „Und meine Schwägerin in Münster bekommt bald ein Kind, da will ich im Alltag helfen.“

Vielleicht ist auch die Zeit, sich jene Wünsche zu erfüllen, wozu in der Ukraine in den vergangenen Jahren nie Zeit und Gelegenheit war. Kleine Dinge, keine großen Sprünge. „Ich möchte gern ans Meer, um mir vom Wind die Sorgen aus meinem Kopf pusten zu lassen.“ Und: „Ich wünsche mir schon seit meiner Kindheit, einmal auf einem Pferd zu sitzen.“ Das könnten 2023 Momente werden, in denen sie den Frieden in ihrem Kopf wieder finden könnte.

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