Katholischer Sozialdienst fordert mehr staatliche Unterstützung für Stellen

Schuldnerberaterinnen: Inflation verdoppelt Anfragen beim SkF

  • Die Anfragen an die Schuldner- und Insolvenzberatung des Sozialdienstes sowie an die Wohnungshotfallhilfe der Katholischen Frauen (SKF) in Ibbenbüren steigen intensiv.
  • Die Spätfolgen der Corona-Pandemie und die explodierenden Lebenshaltungskosten durch die Inflation sind Gründe.
  • Nicht nur Bürgergeld-Empfänger sind unter den Ratsuchenden, finanzielle Schieflagen sind in allen Einkommensgruppen zu verzeichnen.

Anzeige

1022 Mal haben sich Menschen mit massiven Geldsorgen im Jahr 2022 für eine Kurzberatung an die Zentrale des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SKF) in Ibbenbüren gewandt. Das waren fast doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. Von dort wurden sie zur Schuldner- und Insolvenzberatung oder in die Wohnungsnotfallhilfe weitergeleitet. Einem großen Teil konnte mit Verweis auf die Tafel des Verbandes, dessen Sozialkaufhaus oder die allgemeine Soziale Beratung geholfen werden. Der Trend zeigt: Die Nachfrage nach Hilfen in existentiellen Notsituationen steigt in Zeiten der Inflation.

Die derzeitige Aktionswoche der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände macht auf diese Entwicklung aufmerksam. Neben der Caritas gehört auch der SKF zu diesem Zusammenschluss. In Ibbenbüren kennen sie die Entwicklungen gut, die zur Forderung des Bündnisses führen, dass die Finanzierung von sozialer Schuldnerberatung ausgebaut werden muss.

Nicht nur Bürgergeld-Empfänger betroffen

„Unsere Angebote richten sich im Gegensatz zu vielen anderen an alle Ratsuchenden, nicht nur an Bürgergeld-Empfänger“, sagt Bernadette Kleine. „Das wird wichtiger.“ Denn die SKF-Schuldner- und Insolvenzberaterin erlebt, dass neben den Menschen, die am Existenzminium leben, vermehrt auch Klienten aus anderen sozialen Schichten zu ihr kommen. „Viele Pflegekräfte und Lkw-Fahrer sind dabei.“ Aber auch Menschen aus höheren Einkommensgruppen.

Finanzielle Schieflagen sind längst in der gesamten Gesellschaft angekommen. „Ich bin mir sicher, dass der Anteil jener, die bislang gut abgesichert waren, künftig steigen wird“, sagt Kleine. Der Anstieg der Lebenshaltungskosten zeige sich in dieser Gruppe allerdings zeitversetzt. „Sie haben Rücklagen, sind familiär und sozial besser eingebunden und versuchen damit die Situation zunächst selbst zu retten.“

Geld wird aufgezehrt

Das sieht bei jenen, die ohnehin schon lange mit der Finanzierung des Nötigsten kämpfen, anders aus, sagt Stefanie Wessels. Sie ist Sozialarbeiterin in der Wohnungsnotfallhilfe und der allgemeinen Sozialberatung des SkF in Ibbenbüren. „Durch die steigenden Kosten in einzelnen Bereichen werden die Zuwendungen auch für andere Lebensbereiche aufgebraucht.“ Wenn etwa Energie und Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen, wird das Geld für Kleidung, Gesundheit oder Freizeit davon aufgezehrt.

Wessels kann das an Zahlen festmachen. Während die Strom- und Heizkosten in den vergangenen Monaten explodierten, hat sich der Posten dafür im Bürgergeld kaum entwickelt. „Es gibt dafür weiterhin 40 Euro im Monat.“ Muss ein Mieter aber derzeit das Drei- bis Vierfache an Abschlägen zahlen, fehlt das Geld an anderer Stelle. Der Weg in die Verschuldung ist dann nicht weit. „Raten können nicht bedient, Nebenkosten nicht überwiesen, wichtige Anschaffungen nicht finanziert werden.“ Dreht sich diese Spirale weiter, haben die Menschen irgendwann die Kündigung des Vermieters im Briefkasten oder es wird ihnen der Strom abgedreht.

Schamgefühle

„Auch diese Menschen kommen aber erst, wenn gar nichts mehr geht“, sagt Kleine. „Dabei spielt vor allem ihre Scham eine Rolle, ihr finanzielles Problem offen einzugestehen.“ Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Inflation überall und für alle zu spüren ist. Dennoch: „Wenn fehlendes Geld generell ein Thema ist, wird es leichter, sich zu seiner eigenen Situation zu bekennen – sie ist gesellschaftstauglich geworden.“

Die Ratgeber des SkF sehen in der Situation ohnehin nie das individuelle Versagen der Ratsuchenden. „Oft kommen sie mit starken Schuldgefühlen“, sagt Kleine. „Wenn wir aber nachfragen, werden die Faktoren sichtbar, die sie in ihre Lage gebracht haben – etwa Krankheit, Arbeitsplatzverlust, Trennung…“ Deshalb gehen sie und ihre Kolleginnen nicht nur mit Zahlen und Paragraphen an die Aufarbeitung, sondern „ganzheitlich“: „Es geht auch darum, Ursachen zu finden, Verstehen zu fördern, die Lebenssituation zu stabilisieren.“

Armut selbst verursacht neue Kosten

Es wird einen Anstieg der Nachfrage geben, da sind sich die Beraterinnen sicher. Wie nach der Corona-Pandemie, die mit Verzögerung in den Beratungsanfragen durchschlug. Die aktuelle Entwicklung bei der SkF-Tafel in Ibbenbüren zeigt, dass auch die Inflation das Potenzial hat, die Schuldner-Situation zu verschärfen. „Die Tafel bricht vor Anfragen zusammen“, sagt Kleine.

Die Arbeit der Wohn-, Energie- und Schuldenberatung muss in ihren Augen deshalb für die Zukunft gut aufgestellt bleiben. „Auch mit der Finanzierung weiterer Stellen durch die öffentliche Hand.“ Denn ohne würde die Wartezeit auf eine Beratung länger. Die Schuldenspirale würde sich währenddessen aber weiterdrehen. „Das verursacht Armut – und Armut verursacht wiederum neue Kosten für die Kommunen.“

Anzeige