Künstlerin aus Rheine schnitzt, töpfert, näht und malt

Telgter Krippenausstellung: Anni Schulte ist seit 60 Jahren dabei

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Anni Schulte aus Rheine stellt in diesem Jahr bereits zum 60. Mal in der Krippenausstellung in Telgte aus. Seit Jugendzeiten schafft sie aus unterschiedlichen Materialien Figuren und Kulissen.

Hinter der Glasscheibe der Vitrine im Wohnzimmer beobachtet ein Ochse die heilige Familie ein Fach darunter. Auf dem Regal über der Garderobe hat sich ein Weiser aus dem Morgenland auf den Weg gemacht. Und in der Futterkrippe im Wohnraum liegt ein lebensgroßes Jesuskind auf Stroh – mit einem Tuch überdeckt. Denn das ist Anni Schulte wichtig: „Es ist noch Advent, da sind alle aus der Weihnachtsgeschichte noch auf dem Weg – auch Jesus.“

Gezählt hat sie die vielen Figuren in ihrem Haus in Rheine nicht. Aber alle hat sie selbst gemacht. Seit 64 Jahren schnitzt, modelliert, töpfert, näht und malt sie. Mit einem kleinen Jubiläum in diesem Jahr: Zum 60. Mal stellt sie in der Krippenausstellung im Museum Religio in Telgte aus – ohne Unterbrechung. Sechs Mal gewann sie den Bischof-Heinrich-Tenhumberg-Preis für „Vorbildliche Krippenschaffende“. In der diesjährigen Ausstellung ist sie mit einer „Franziskus-Krippe“ vertreten. Der Heilige, mit dem im Jahr 1223 die Darstellung der Weihnachtsgeschichte in dieser Form begann, steht selbst im Stall. „Mit Vögeln und Hase, weil er die Tiere selbst so liebte.“

Aus Wachs wurde Holz

1959 nahm Schulte das erste Mal Material in die Hand, um Krippenfiguren zu formen. „Es war Kerzenwachs, den ich zwischen den Fingern knetete.“ Die kleinen Figuren waren der Anfang einer langen Schaffenszeit, deren Ergebnisse zu Weihnachten mittlerweile in ganz Deutschland und weiteren Ländern stehen. Als Beleg schlägt die 84-Jährige eines der vielen Foto-Alben auf, in denen sie ihre Arbeiten festgehalten hat. „Die hier steht in Senden, die hier in Verl, die in Köln, die in Bozen, die in Indien…“

Klein, groß, aus Holz, aus Stoff, aus Ton, Gips und vielen anderen Materialien. Schulte wagte sich in den Jahrzehnten an alles heran. Vieles brachte sie sich selbst bei, anderes ließ sie sich beibringen. „Mein Talent reichte da nicht aus“, sagt sie. „Ich musste viel lernen und üben.“ Das tat sie als junge Frau genauso wie später als Erzieherin in ihrer Freizeit. Sie belegte Kurse, wälzte Bücher, ging auf Reisen, um andere Techniken und Formen kennenzulernen. „Meine wichtigste Station als junge Frau war die Werkstatt vom Bildhauer Ahlmann in Lüdinghausen“, sagt Schulte. „Da lernte ich mit dem Stecheisen zu arbeiten.“

Detailverliebt und geschichtlich korrekt

Das gab ihr die Möglichkeit, sich auch an besonders hartes Holz heranzuwagen. Die Arbeit an einer Mooreiche ist ihr dabei in Erinnerung geblieben. „Wir fanden sie bei der Trockenlegung der Stever – schwarz und fest wie Stein.“ Maria mit Jesuskind, die sie draus schnitzte, steht in der kleinen Werkstatt im Keller ihres Hauses in Rheine.

Dort arbeite sie immer noch hin und wieder. „Ausbesserungs- und Reparatur-Arbeiten – große Produktionen mache ich nicht mehr.“ Die ist sie immer detailverliebt und mit viel kulturellen und geschichtlichen Hintergrund angegangen. In ihrer riesigen westfälischen Krippe daheim etwa haben die Figuren zeitgenössische Trachten. „Diese Haube trugen die Frauen im zentralen Münsterland, diese im Osnabrücker Land und diese im Paderborner Land.“ Wenn Schulte eine Idee umsetzte, waren ihr die Feinheiten wichtig – ob vor dem Fachwerkhäuschen, dem orientalischen Tempel oder der Gebirgs-Kulisse.

Das Schöne des Weihnachtsfestes

Sie blieb bei ihren Arbeiten immer der Weihnachtsgeschichte treu. „Weil kein anderes Fest die Menschen so fasziniert.“ Die Krippe hat für sie nie ihre „unübertroffene Ausstrahlung von Liebe, Glück und Hoffnung“ verloren. Als zweifache Mutter sagt sie, dass sie weiß, was der Moment einer Geburt bedeutet. Ihre Darstellungen sollen das transportieren. Zeitkritische oder verfremdende Formen waren nie ihr Ding. „Ich will das Schön dieses Ereignisses transportieren.“

Und so sind es jede Menge Engel, Hirten, Schafe, Marias, Josefs und Jesuskinder, die in der Adventszeit nach und nach das Haus der Schultes bevölkern. Auf dem Sideboard verkündet ein Engel gerade Maria die Geburt ihres Kindes, Könige mit Kamelen haben sich im Arbeitszimmer bereits auf den Weg gemacht, auf dem Klavier steht ein Engel bereit, um zu frohlocken. Alle in Wartestellung: „Es ist ja noch kein Weihnachten, sondern Advent.“

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