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Drei Tage lang tagten Theologinnen und Theologen in Rom zum Thema Synodalität. Unter den Vortragenden an der Päpstlichen Universität Gregoriana waren auch Vertreter von Universitäten im deutschen Sprachraum, wie Thomas Söding. Der in Münster lebende Bochumer Theologe war ein Vizepräsident des deutschen Reformprojekts Synodaler Weg. Im Interview berichtet er von internationalen Reaktionen, deutsch-römischen Beziehungsproblemen und Lösungsideen.
Herr Professor Söding, bei der Versammlung der Weltbischofssynode im Oktober in Rom haben erstmals auch Laienvertreter Stimmrecht. Viele werten das als historischen Schritt. Wer sollte aus Deutschland teilnehmen?
Das hängt davon ab, wie genau die Teilnehmer ausgewählt werden. Ich erwarte aber, dass, was Deutschland betrifft, die Ordensobernkonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken in die Entscheidung einbezogen werden.
Sie haben in an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom an einer Konferenz über Synodalität teilgenommen und konnten dort den deutschen Synodalen Weg vorstellen. Wie waren die Reaktionen?
Es wurden drei Modelle diskutiert: In Lateinamerika gibt es mit dem Bischofsrat CELAM schon sehr lange eine synodale Struktur. In Australien hat die katholische Kirche in den vergangenen Jahren ein Plenarkonzil nach den Vorgaben des Kirchenrechts abgehalten und die Form stark angepasst. In Deutschland haben wir mit dem Synodalen Weg eine eigene, neue Form entwickelt. Harte Widersprüche haben sich auf der Konferenz nicht gezeigt. Überall stellt sich die Frage, wie die bischöfliche Definitionsmacht aus ihrer Monopolstellung herausgeführt werden kann. Im Moment haben wir noch keine Form, die als Zukunftsmodell für alle gelten kann. Aber wir müssen und werden ein Spektrum finden.
Der Vatikan hat zahlreiche Ergebnisse des Synodalen Weges zurückgewiesen, zuletzt Taufe und Predigt durch Laien. Welche Chancen gibt es jetzt noch für die Umsetzung der Beschlüsse?
Man muss genau hinschauen: Was haben wir beschlossen und was wurde zurückgewiesen? Wir haben uns beim Synodalen Weg sehr gut überlegt, was wir in Übereinstimmung mit dem Kirchenrecht in Deutschland beschließen können und was nicht. Manche Reaktionen aus Rom verschärfen, was beschlossen wurde – und lehnen dann ab. Da gibt es wechselseitige Kommunikationsprobleme. Und es mangelt an Vertrauen.
Auch die Einrichtung des Synodalen Rates, eines dauerhaften Beratungs- und Entscheidungsgremiums, wurde verboten.
Das, was verboten wurde, ist nicht das, was wir beschlossen haben. In dem Brief, der aus Rom kam, steht an vielen Stellen das Wort „scheint“. Es scheine so zu sein, dass die Bischofskonferenz eine Art Oberbehörde bekomme, es scheine so zu sein, dass die Bischöfe in ihren Diözesen überstimmt werden können. Es ist aber nicht so. Nun geht es darum, klarzumachen, dass die Bischöfe nicht entmachtet werden, sondern dass wir intensiver und partizipativer das praktizieren wollen, was es in Deutschland ohnehin schon an vielen Stellen gibt. Zum Beispiel bei den Diözesankirchensteuerräten, die über die Verwendung von Steuermitteln in den Bistümern entscheiden. Ich bin mir sicher, dass wir ein Modell finden werden, das am Ende auch in Rom Anerkennung finden kann.
Im Erzbistum Paderborn wollte man einen Beschluss des Synodalen Weges umsetzen und Laien an der Bischofswahl beteiligen. Auch das hat der Vatikan abgelehnt. Ihre Reaktion?
In der ersten Phase, in der es um die Nominierung von Kandidaten ging, hat man in Paderborn das formalisiert, was es immer gegeben hat: Gläubige werden befragt, wer überhaupt infrage kommt. Der nächste Schritt ist das, was im preußischen Konkordat festgelegt ist. Das Domkapitel wählt den Bischof. Hier hat Rom gesagt: Die Domkapitulare können nicht vom Päpstlichen Geheimnis, einer besonderen Schweigepflicht, entbunden werden. Das ist aber keine Konkordatsmaterie, sondern eine innerkirchliche Bestimmung. Das wird sich staatskirchenrechtlich klären lassen. Deshalb liegt der Ball in Rom: Wenn es einen Willen gäbe, würde sich ein Weg finden.
Wie kann das Vertrauen zwischen Deutschland und Rom wieder hergestellt werden?
Man muss miteinander reden und einander zuhören. Der Kongress hat gezeigt: Wenn man sich auf die Ebene theologischer Argumentationen begibt, gibt es keine unüberwindbaren Gegensätze. Dieser Austausch ist in der Vergangenheit zu wenig geschehen. Es kann ja nicht so weitergehen, dass immer wieder Briefe aus Rom kommen, die zu einem immer größeren Autoritätsverlust des römischen Leitungsamtes führen.
Kardinal Hollerich, der für den weltweiten synodalen Prozess des Papstes mitverantwortlich ist, hat soeben den deutschen Synodalen Weg scharf kritisiert. Er sagte: „Wir haben wirklich bei den Menschen angefangen, in Deutschland hat man sofort von oben begonnen“. Hat er Recht?
Die Fokussierung in Deutschland auf wenige, aber wichtige Fragen erklärt sich aus der MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Der Synodale Weg greift auf, was lange im Kirchenvolk gärt. Der synodale Prozess der Weltkirche setzt viel weiter an und will überhaupt erst erörtern, wie mehr Beteiligung in der katholischen Kirche möglich ist. Ich habe großen Respekt davor, mit welchem Aufwand sämtliche katholischen Ortskirchen befragt worden sind. Aber was war das Ergebnis? Es hat sich gezeigt, dass die Themen, die wir in Deutschland über die Aufarbeitung des Missbrauchs identifiziert haben, weltweite Probleme der katholischen Kirche sind – sei es Klerikalismus, Frauenrechte oder der Ausschluss derjenigen, die ihre Sexualität anders leben, als es die Kirche derzeit lehrt. Wir müssen jetzt nach vorne schauen und Lösungen suchen.