In Münster lebender Bochumer Professor berät bei Europa-Synode in Prag mit

Theologe Söding zur Frauenweihe: Geschlossene Türen kann man öffnen

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Zur deutschen Delegation bei der Europa-Etappe zur Weltsynode der katholischen Kirche gehört Thomas Söding aus Münster. Der Professor für Neues Testament an der Universität Bochum ist Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und des deutschen Reformprojekts Synodaler Weg. Im Interview berichtet er von den Debatten in Prag und begründet, warum weiter über das Priestertum für Frauen debattiert werden sollte.

Herr Professor Söding, Sie haben sich dafür ausgesprochen, die Beschränkungen für das Priestertum in der katholischen Kirche zu überdenken. Was haben Sie genau gemeint?

Als Neutestamentler weiß ich, dass die Ehelosigkeit ein wichtiges Charisma ist. Aber dass Priestertum und Ehe nicht zusammengehen können sollen, leuchtet mir weder aus der Tradition noch aus der Bibel ein. Von daher plädiere ich eher für eine Öffnung als für eine Begrenzung.

Zu dieser Öffnung gehört die Möglichkeit des Frauenpriestertums? Ist das vom Neuen Testament gedeckt?

Es ist doch bemerkenswert, dass bei den Christen Frauen von Anfang an Leitungsfunktionen hatten. Danach hat die Kirche über Jahrhunderte die kulturellen Standards ihrer Zeit übernommen, und da waren nur Männer für solche Rollen vorgesehen. Das ist historisch nachvollziehbar. Aber die Über-Theologisierung der Geschlechterfrage halte ich für eine neuzeitliche Zuspitzung.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass es da in Europa eine Öffnung geben wird?

Ich weiß, dass nach der Entscheidung von Johannes Paul II., die Debatte zum Frauenpriestertum für beendet zu erklären, die Sache schwierig ist. Das gilt aber nicht für den Diakonat der Frau. Und beim Frauenpriestertum plädiere ich dafür, nicht einfach Basta zu sagen, sondern Pro und Contra abzuwägen. Wenn man sagt, die Tür sei geschlossen, dann sage ich: Eine Tür, die geschlossen wurde, kann man wieder öffnen. Ich stelle fest, dass die Verweigerung des Zugangs zum Priesteramt als massive Ungerechtigkeit gegenüber Frauen gesehen wird. Schon aus diesem Grund kann man eine Veränderung nicht ausschließen.

Wie sieht sich die deutsche Delegation bei der Europa-Etappe der Weltsynode in Prag - als "verlängerten Arm" des Synodalen Wegs?

Wir haben schon durch die Besetzung der Delegation signalisiert: Für uns sind Synodaler Weg und Weltsynode kein Gegensatz, sondern zwei Seiten einer Medaille. Natürlich haben wir in Deutschland eine andere Form, weil nur wir die Verbindung von Bischofskonferenz und organisiertem Laienkatholizismus im Form des ZdK haben. Und wir haben eine klare Agenda und klare Ziele. Das ist in der Weltsynode alles viel offener, aber wir bringen uns ein. Und ich habe viel Zustimmung erfahren. Viele haben mir gesagt: Ich habe so viel Schlechtes über euch gelesen, aber in Wirklichkeit seid ihr ja ganz anders!

Haben auch Sie Ihre Sicht von anderen hier verändern lassen?

Ich war überrascht, in wie vielen Ländern das Thema Missbrauch und der Wunsch nach Veränderungen präsent sind. Man wird darauf achten müssen, was davon in den Abschlusstexten übrig bleibt. Und dann habe ich auch verstanden, dass in vielen Ländern die Lage der Kirche wirklich eine andere ist als bei uns. Nicht zuletzt aus politischen Gründen, wenn man an Ost- oder Nordeuropa denkt. Aber man muss tiefer bohren: Was sind historisch bedingte Antworten einer Ortskirche in einer bestimmten Zeit und Umgebung, die man verstehen kann? Und was hat davon wirklich Ewigkeitswert? So wie ich umgekehrt dafür werbe, zu verstehen, in welchem Umfeld wir uns in Deutschland oder in den Benelux-Staaten bewegen, und dass unsere Antworten ebenfalls katholisch sind.

Bei der Europa-Synode wird viel zugehört und wenig entschieden, stört Sie das?

Gewiss muss man erst mal versuchen, zu hören und zu verstehen. Aber wenn man es dabei bewenden lässt, kann das ein Form der Machtausübung sein, nach dem Motto: Ich lasse erst mal alle reden und dann entscheide ich, was davon wichtig ist. Für mich gehört zur Synode das Zuhören, dann das Unterscheiden und am Ende auch das Entscheiden.

Welche Rolle spielt Papst Franziskus beim Synodalen Prozess?

Von ihm kommt der Anstoß zu einer synodalen Kirche, und das finde ich gut. Selbst wenn ich nicht sicher bin, ob er weiß, wohin das Ganze führt. Diese Offenheit ist nicht schlecht, aber es darf am Ende nicht alles unverbindlich bleiben. Insofern fand ich die Spannungen, die hier in Prag sichtbar wurden, wichtig, aber es fehlte mir die Debatte, das Pro und Contra. Wir hatten viele Problemanzeigen und kaum Lösungen.

Einzelne haben immer wieder die Gefahr einer Spaltung beschworen. Ist das jetzt gebannt?

Für mich war "Schisma" immer ein Popanz, der aufgebaut wurde, um bestimmte Positionen zu diskreditieren. Aber das hat nicht funktioniert. Wir sehen hier, dass man auf unterschiedliche Art und in einer gewissen Ungleichzeitigkeit katholisch sein kann. Das wird nun die Führungsaufgabe sein, diese Vielfalt auf der weltweiten Ebene zu organisieren. Dafür gibt es Formeln wie "Einheit in der Vielfalt" oder Subsidiarität, aber die konkreten Umsetzungen fehlen noch. Auf jeden Fall sehen wir, dass die Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil noch nie in einer Phase war, in der sie so verdichtet darüber nachdenkt, wie es weiter gehen soll und wie sie zusammenbleiben kann. An dem Punkt bin ich ganz konventionell: Ohne Rom und ohne den Papst geht das nicht. Und deshalb bin ich gespannt, wie die Versammlung in Rom im Oktober organisiert wird. Ich kann mir nach den Erfahrungen auf diesem Weg nicht mehr vorstellen, dass das eine Versammlung sein wird, bei der nur Bischöfe und der Papst beraten und beschließen. Es braucht die Stimme der Ordensleute, der "Laien", nicht zuletzt der Frauen.

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