Interventionsbeauftragter des Bistums Münster zur Anzeige gegen einen Leitenden Pfarrer

Warum ist das Bistum bei Missbrauchsvorwürfen so träge, Herr Frings?

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In Steinfurt schlagen die Wellen hoch, weil ein Priester einen früheren leitenden Pfarrer angezeigt hat. Inzwischen hat sich eine weitere Person gemeldet. Nicht nur in der Gemeinde fragen sich Menschen, warum das Bistum ihrer Meinung nach spät und unklar reagiert. Vorwürfe der Vertuschung werden laut. Mit diesen Fragen hat "Kirche-und-Leben.de" den Interventionsbeauftragten des Bistums, Peter Frings, konfrontiert. Der Jurist arbeitet eigenverantwortlich und weisungsunabhängig, wie es auf der Homepage des Bistums Münster heißt.

Herr Frings, in Steinfurt schlagen die Wellen hoch, weil ein Priester einen früheren leitenden Pfarrer angezeigt hat. Die Angelegenheit selbst liegt schon einige Zeit zurück. Warum braucht das Bistum so lange, um zu reagieren?

Das Bistum hat unmittelbar nach Bekanntwerden des Sachverhaltes mit dem Beschuldigten gesprochen. Dieses Gespräch ist aber insoweit ergebnislos verlaufen, als eben nicht klar war, was genau vorgefallen ist. Das Bistum kann aber nur handeln, wenn sich Vorwürfe unstreitig darstellen und nicht Aussage gegen Aussage steht. Auch wenn wir den Betroffenen ihre Aussagen glauben, bedeutet das eben nicht, dass man auf dieser Basis sofort alle denkbaren Schritte einleiten kann – zum Beispiel den Beschuldigten umgehend aus dem Dienst zu entfernen. Denn auch ein Beschuldigter hat staatlich garantierte Rechte. Gerade deshalb legen wir Wert darauf, dass Anzeige erstattet wird, damit – hoffentlich – von staatlicher, also unabhängiger Seite der Sachverhalt geklärt werden kann. Erst wenn das erfolgt ist, kann das Bistum auch weitere Maßnahmen angehen.

Was spricht dagegen, einen Beschuldigten solange aus dem Dienst zu nehmen, bis diese Dinge unabhängig geklärt sind?

Wenn das Bistum einen beschuldigten Priester aufgrund einer streitigen Sachverhaltslage sofort aus dem Dienst nähme, dann würde sich dieser – wie übrigens jeder und jede andere Mitarbeitende auch – direkt wieder auf den Arbeitsplatz einklagen. Und auch Priester lassen sich anwaltlich beraten und vertreten – was in einem Rechtsstaat wie dem unsrigen auch ihr gutes Recht ist. Insoweit ist es für das Bistum wichtig, sorgfältig jeden Schritt zu überdenken, den wir gehen möchten. Das soll möglichst in enger Anbindung an die Betroffenen geschehen. Man muss sich nur einmal vor Augen halten, was das an Aufregung verursachen würde, wenn der Bischof bei einer unklaren Sachlage einen Priester aus dem Dienst nähme, der sich dann erfolgreich wieder „einklagen“ würde.

Oft lesen sich Pressemitteilungen des Bistums in Missbrauchsfragen wie „Wir sagen ein bisschen, aber das Wichtige verschweigen wir“: Der Ort wird nur umschrieben, ein Name nicht genannt, auch zum konkreten Vergehen erfährt man wenig. Dabei sind die Fakten schnell in aller Munde. Warum reden Sie nicht Klartext?

Für jeden Menschen in unserem Land gilt bis zum Erweis des Gegenteils eine Unschuldsvermutung. Damit ist auch der Schutz seiner Persönlichkeit verbunden. Nicht umsonst nennen seriöse Medien Beschuldigte in Gerichtsverfahren maximal mit dem Vornamen und dem abgekürzten Nachnamen. Ich sehe nicht, warum dieser rechtlich garantierte Schutz für Priester nicht gelten sollte. Ein Beispiel: Vor Jahren war es durchaus so, dass in Medien der volle Vor- und Zuname eines verurteilten Priesters abgedruckt wurde. Das wäre heute so nicht mehr denkbar. Uns als Bistum Münster geht es aber nicht um Vertuschung, wenn man so verfährt, wie das Bistum es derzeit praktiziert. Es geht um den Versuch, einerseits offen zu berichten, dass es Vorfälle etwa in einer Pfarrei gegeben hat, andererseits aber nicht alles sagen zu können. Darüber hinaus dürfen auch hier die Betroffene nicht aus dem Blick geraten.

Inwiefern?

Wenn man den Ort und den Namen eines Beschuldigten nennt, dann geht sofort beispielweise die Frage rund: „Warst du nicht auch bei dem in der Gruppe?“ Auch das belastet Betroffene.

In dem aktuellen Fall in Steinfurt hat das Bistum laut Pressemitteilung den mutmaßlich geschädigten Priester ermutigt, den beschuldigten Pfarrer anzuzeigen. Warum erstattet nicht auch das Bistum Anzeige?

Vornweg: Das Bistum unterstützt Betroffene bei dem Weg zur Anzeigeerstattung. Wir übernehmen auch die Kosten für eine entsprechende anwaltliche Beratung, wenn die Betroffenen dies wollen. Zu Ihrer Frage: Natürlich könnte das Bistum sofort selber Anzeige erstatten. Aber dann täten wir dies unter Umständen gegen den ausdrücklichen Willen der Betroffenen und diese würden dadurch – aus meiner Sicht – erneut Betroffener werden; denn nicht sie entschieden dann, sondern wieder einmal ein anderer. Betroffene haben uns gegenüber auch deutlich gesagt, dass sie nicht wollen, dass das Bistum ohne oder sogar gegen ihren Willen solche Schritte unternimmt. Und diese Rückmeldung nehmen wir ernst.

Bei dem bisher bekannten Fall von Steinfurt handelt es sich um zwei erwachsene Männer, es geht offenbar nicht um sexuellen Missbrauch von Kindern. Warum sind Sie als Interventionsbeauftragter bei Angelegenheiten sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Mitarbeitende der Kirche überhaupt mit der Sache betraut?

Alle Fälle und Situationen, bei denen es um Missbrauch oder sexuellen Missbrauch geht, sind im Bereich Intervention beim Bistum Münster zentral angesiedelt. Dabei wird nicht unterschieden, ob es um Kinder und Jugendliche oder um Erwachsene geht, die möglicherweise von Missbrauch betroffen sind.

Sie sind Jurist. Warum nimmt sich von Seiten des Bistums kein Seelsorger oder Psychologe des Betroffenen an?

Selbstverständlich ermöglicht das Bistum Betroffenen die Inanspruchnahme von Unterstützung, zum Beispiel durch Seelsorger oder Psychologen. Wir sind gern bereit, bei der Vermittlung entsprechender Angebote behilflich zu sein.

Betroffene von sexuellem Missbrauch im Bistum Münster können sich bei den unabhängigen Ansprechpersonen für Missbrauchsverfahren melden, bei Bernadette Böcker-Kock (Tel. 0151-63404738), Hildegard Frieling-Heipel (Tel. 0173-1643969) und Bardo Schaffner (Tel. 0151-43816695).
Zudem haben Missbrauchs-Betroffene im Bistum Münster eine Betroffeneninitiative gebildet, die auch im Internet erreichbar ist.
Der Interventionsbeauftragte des Bistums Münster, der Jurist Peter Frings, arbeitet eigenverantwortlich und weisungsunabhängig, wie es auf der Internetseite des Bistums heißt. Dort sind auch Kontaktmöglichkeiten zum Interventionsbeauftragten genannt.