Anja Mecking hofft auf eine alte Normalität mit neuen Impulsen

Wie eine Pflegeschülerin ihre Ausbildung während der Pandemie erlebt

  • Anja Mecking war ein Jahr Pflegeschülerin, als das Corona-Virus ihre Ausbildung abrupt veränderte.
  • Mit den Bewohnern des Johanniter-Stifts Gelsenkirchen erlebte sie verschiedene Phasen der Unsicherheit.
  • Sie sagt, sie habe in der Pandemie vieles anders gelernt - aber nicht alles schlechter.

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Festtagsstimmung im Johanniter-Stift in Gelsenkirchen. So hat es Anja Mecking erlebt, als die ersten Impfungen in der Alten- und Pflegeeinrichtung stattfanden. „Wir mussten die Bewohner in ihrer Euphorie etwas bremsen“, sagt die 46-jährige Pflegeschülerin. „Sie dachten, mit dem Pieks sei endlich alles vorbei.“ Für sie zeigt sich darin deutlich: „Die Sehnsucht nach Normalität ist unheimlich groß.“

Die gibt es seit fast einem Jahr nicht mehr. Als Mecking im April 2020 ihr zweites Ausbildungsjahr begann, endete die Routine abrupt. „Das war echt gruselig“, sagt sie. „Plötzlich war alles anders, viele Gewohnheiten fielen weg.“ Die Praxisbegleiter hatten weniger Möglichkeiten der Anleitung, die Hygienemaßnahmen fraßen Zeit, die Umorganisation des Pflegealltags war aufwendig. Alle Auszubildenden aus ihrem Jahrgang an der Caritas-Pflegeschule in Dorsten wurden aus ihren Praktikumsstellen in ihre Stamm-Einrichtungen zurückbeordert.

 

Anderer Rhythmus, veränderte Kulisse

 

Als Schülerin im zweiten Ausbildungsjahr erlebte sie einen anderen Rhythmus in einer veränderten Kulisse. „Was für mich schon schwierig war, war für die Schülerinnen im ersten Jahr noch härter.“ Mecking kann schon auf einige Jahre Berufserfahrung als Pflege-Helferin zurückblicken. „Ich konnte sicher etwas routinierter mit den neuen Herausforderungen umgehen.“

Doch auch sie erlebte die Einschnitte als belastend. Die Frage danach, was ihr besonders zugesetzt habe, beantwortet sie ohne Zögern: „Die eingeschränkte Möglichkeit der Kontaktaufnahme.“ Maske auf, Schutzanzüge an, Abstand halten. „Das entspricht meinem Gefühl für die Altenpflege überhaupt nicht.“ Nähe muss in Corona-Zeiten anders definiert werden. Die Bewohner hätten das sofort schmerzlich gespürt.

 

Was ist da draußen los?

 

Anja Mecking aus Gelsenkirchen macht ihre Ausbildung in der Caritas-Pflegeschule in Dorsten. | Foto: privat
Anja Mecking aus Gelsenkirchen macht ihre Ausbildung in der Caritas-Pflegeschule Dorsten. | Foto: privat

Denn gerade zu Beginn war die persönliche Zuwendung besonders wichtig. „Was ist da draußen eigentlich los?“, war eine Frage, die Mecking oft hörte. Zeitunglesen ist für viele schwer, Besuch durfte nicht kommen, Tablets für den Kontakt zu den Angehörigen gab es noch nicht. Das „Draußen“ war ein unberechenbares Szenario. „Ich selbst war ja noch total verunsichert – wie sollte ich das den Bewohnern erklären.“

Im Umgang mit der Pandemie hat sich in den vergangenen Monaten viel geändert. Im schulischen Bereich musste sich Mecking an das Home-Schooling gewöhnen. „Mir fällt das schwer, weil ich von der direkten Kommunikation mit den Mitschülern und Lehrern lebe.“ In ihrem praktischen Arbeitsumfeld ist vieles von dem Ungewohnten zur neuen Routine geworden. „Wir haben uns mit der Situation arrangiert – haben Wege gefunden, unsere Aufgaben auch unter den Corona-Auflagen zu erfüllen.“

 

Nähe wird neu definiert

 

Mecking kann der Situation mittlerweile auch etwas Positives abgewinnen: „Die Nähe zu den Bewohnern habe ich für mich neu definiert.“ Sie hat gespürt, wie enorm wichtig die kleine Aufmerksamkeit ist. „Da reichen schon wenige Minuten, in denen nicht verbissen der Leistungskatalog erfüllt, sondern mehr zugehört wird.“ Mecking bringt das deutlich auf den Punkt: „Der Rücken ist dann vielleicht nicht so blitzblank gewaschen wie sonst, aber das Herz des alten Menschen lacht.“

Für die Wirkung dieser Momente hat sie viele Beispiele. Da ist die Bewohnerin, die seit einiger Zeit jeden Tag ihr Bett selbst macht. „Sie sagt, dass sie die Zeit, die wir dafür aufbringen würden, lieber mit uns auf der Bettkannte verbringt.“ Das kurze Gespräch ist ihr die wichtigere „Dienstleistung“. Und da war die alte Dame, die sie bei ihrem Einsatz in der ambulanten Pflege besuchte. „Sie bat mich, kurz einmal die Maske herunterzuziehen“, erinnert sich Mecking. „Um sich dann für mein Lächeln zu bedanken.“ Die Rangliste der Notwendigkeiten verschiebt sich in solchen Momenten.

 

Das Gute an der Corona-Normalität

 

So groß die Sehnsucht nach der alten Normalität bei allen im Johanniter-Stift in Gelsenkirchen ist, so sehr hofft Mecking, dass zu dieser Normalität dann auch etwas von der Corona-Normalität gehört. „Wir haben gelernt, was es heißt uns gegenseitig zu haben – wir sollten von diesem Gefühl etwas hinüberretten.“

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