Interview mit Gerhard Tepe, Direktor des Landes-Caritasverbands Oldenburg

Geplatzte Tarif-Einigung: Caritas gibt schwarzen Peter an Politik weiter

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Für einen flächendeckenden Tarifvertrag in der Altenpflege gab es von der Arbeitsrechtlichen Kommission (AK) der Caritas keine Zustimmung. Die Dienstnehmer kritisieren das als unsozial. Dienstgeber weisen unterdessen den schwarzen Peter von sich. Eine solche Entscheidung könne nicht von kirchlichen Wohlfahrtsverbänden getroffen werden. Es sei Aufgabe der Politik, die Pflegesituation zu verbessern, sagt Gerhard Tepe, Direktor des Caritas-Landesverbands Oldenburg, im Interview mit „Kirche-und-Leben.de“.

Herr Tepe, die Arbeitsrechtliche Kommission (AK) der Caritas hat einem bundesweiten Tarifvertrag für die Altenpflege keine Zustimmung erteilt. Der Bundesarbeitsminister ist sauer und meint, eine historische Chance sei verpasst worden. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Erstmal halte ich die Ausgangsituation für unglücklich, dass ein flächendeckender Tarifvertrag vom Votum kirchlicher Wohlfahrtsverbände abhängen soll. Wohlwissend, dass bei einer Ablehnung, so wie es nun passiert ist, die Caritas den schwarzen Peter zugespielt bekommt.

Jetzt gilt es nach vorn zu schauen. Am Zug ist weiterhin die Politik – konkret derzeit auf Bundesebene die Pflegekommission. Darin sind alle Akteure der Pflegebranche vertreten – auch die Caritas. Hier müssen wir uns nun weiter verständigen, was die Mindestbedingungen in der Pflege angeht. Daran wird sich die Caritas mit ihren Partnern selbstverständlich konstruktiv beteiligen, wie wir es schon immer getan haben.

Was hatte die Dienstgeberseite der Caritas denn an dem vorgeschlagenen flächendeckenden Tarifvertrag auszusetzen?

Die Befürchtung war, dass die Kostenträger, also zum Beispiel Pflege- und Krankenkassen, den Tarifvertrag dann für die Berechnung ihrer Leistung heranziehen. Da der Lohn im Caritas-Tarif aber über dem des vorgeschlagenen Flächen-Tarifs liegt, könnten wir dann unsere Mitarbeiter nicht mehr so bezahlen, wie wir es derzeit tun.

Diese Situation hatten wir in Niedersachsen bis vor wenigen Jahren noch. Der auf Bundesebene ausgehandelte Caritas-Tarifvertrag wurde hier von den Kostenträgern nicht umfassend berücksichtigt. Hier gab es den so genannten externen Vergleich, also eine Summe X, die unseren Tarif nicht abdeckte. Infolgedessen mussten viele Einrichtungen Lohnabsenkungen verhandeln, da sie die Kosten nicht refinanziert bekamen. Wir haben dann 2008 den „Pflegealarm“ ausgerufen und mit unseren Bischöfen zusammen demonstriert. Erst dann hat sich die Situation verbessert. Diese Zustände, die der flächendeckende Tarifvertrag mit sich bringen könnte, wollten wir vermeiden.

Am selben Tag hat die AK der Caritas für ihre Beschäftigten – nicht nur in der Pflege – eine Lohnerhöhung beschlossen. Mit der Zustimmung zum flächendeckenden Tarifvertrag hätten auch viele außerhalb der Caritas in der Altenpflege Beschäftigten, die bislang deutlich weniger verdienten, mehr Geld bekommen. Sind der Caritas alle anderen Altenpfleger egal?

Nein, auf keinen Fall. Wir werden nun weiter darauf hinwirken, dass die Situation in der Pflege über andere Wege verbessert wird. Eine wichtige Forderung der Caritas lautet, dass die Zulassung von Einrichtungen an eine Tarifbindung gekoppelt werden soll. Diese Forderung gibt es schon lange, wird aber in vielen Bereichen leider nicht erfüllt. Dadurch könnte schon vieles an Wildwuchs unterbunden werden.

Entscheidend ist eine grundlegende Pflegereform auf Bundesebene. Dazu hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schon ein Gesetz in Aussicht gestellt. Dabei geht es um die Fragen „Was ist uns Pflege wert?“ und „Wie sieht das mit dem Personalschlüssel aus?“. Ein konkreter Punkt ist auch die Deckelung der Eigenanteile für Pflegebedürftige und deren Familien. Das muss in einem Gesetz geregelt werden.

Entscheidend ist, dass junge Menschen im Pflegeberuf Bedingungen vorfinden, zu denen sie sagen: „Die Arbeit am Menschen ist sinnstiftend und macht mir Freude.“ Und: „Die Rahmenbedingungen und die Finanzierung stimmen ebenfalls.“

Durch die Absage des flächendeckenden Tarifvertrags ist das Image der Caritas zumindest angekratzt. Wie gehen Sie damit um?

Wir werden als Caritas-Vertreter von vielen Seiten darauf angesprochen. In den Runden und Gremien, in denen ich bin, versuche ich, sehr differenziert darauf einzugehen. Das ist meiner Ansicht nach auch notwendig, um diesem Thema gerecht zu werden.

Man kann zu dem Votum der AK unterschiedlicher Meinung sein. Ich finde es aber positiv, dass Dienstgeber und Dienstnehmer sich in diesen schwierigen Prozessen gut verständigen und der Sonderweg der Kirchen, der sogenannte Dritte Weg, dadurch gestärkt wird. Bei allen unterschiedlichen Meinungen sollten wir die demokratische Entscheidung eines solchen Gremiums akzeptieren.

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