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Ein neues Gremium steht Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite: die Kommission zur unabhängigen Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Münster (UAK). Dass es diese Kommission gibt, geht auf eine Vereinbarung des Staates mit der Kirche zurück. Wie Unabhängigkeit konkret aussieht, hat Kirche+Leben Christian Schrapper gefragt, den Vorsitzenden der Kommission. Und was bedeutet sie Betroffenen? Das wollten wir von zwei Vertretern der „Betroffenen-Initiative“ erfahren – eines Zusammenschlusses von Betroffenen sexuellen Missbrauchs im Bistum Münster. Chefredakteur Markus Nolte hat alle drei zum Gespräch getroffen.
Kirche+Leben: Was bedeutet die Unabhängige Aufarbeitungskommission für Sie als Betroffene, Herr Tenbusch, Herr Schulze Bertelsbeck?
Ulrich Schulze Bertelsbeck (Betroffenen-Initiative): Das ist unheimlich wichtig! Die Interventionsbeauftragten machen zweifellos auch in der neuen Besetzung eine gute Arbeit, aber sie können ja gar nicht alles bewältigen. Die Kommission kann die Entwicklung inhaltlich weiter vorantreiben – auch an den kirchlichen Gremien vorbei.
Peter Tenbusch (Betroffenen-Initiative): Es gibt viele Instanzen; umso wichtiger ist es, dass sie miteinander kommunizieren und auch klarmachen, wo es kein Miteinander gibt. Das tun auch wir in der Betroffenen-Initiative. Aber wir machen das alles auch nur ehrenamtlich – da gibt es Grenzen. Dass es jetzt die Kommission und Hauptamtliche gibt, die das mit großer Fachkompetenz vorantreiben können, ist ein klares Signal. Endlich! Das hätte schon lange kommen müssen!
Kirche+Leben: Wie kam es überhaupt zu der Kommission, wer bildet sie?
Christian Schrapper (Aufarbeitungskommission): Die Kommission geht zurück auf die Rahmenvereinbarung zwischen dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für sexuellen Kindesmissbrauch in Berlin, damals Johannes-Wilhelm Rörig, und Bischof Stephan Ackermann als Missbrauchs-Beauftragtem der Bischofskonferenz. Dabei ging es letztlich – etwas frech formuliert – darum, dass die Forderung nach staatlicher Aufarbeitung kirchlichen Unrechts nicht Platz greift. Das jetzige Modell sichert die völlige Unabhängigkeit von Kirche und demonstriert, dass der Staat seiner Verantwortung nachkommt durch die Benennung eigener Personen für diese Kommission. Im August 2022 haben wir uns dann zum ersten Mal getroffen.
Kirche+Leben: Wer genau entscheidet, wer Mitglied der Kommission wird?
Christian Schrapper: Wer vom Staat abgeordnet wird, sagt die Staatskanzlei in Düsseldorf. Das sind die Juristin Angela Faber vom Landschaftsverband Rheinland und ich.
Ulrich Schulze Bertelsbeck: Wer von den Betroffenen entsandt wird, haben wir letztes Jahr in der Betroffenen-Initiative gewählt: Melanie Hach, Hans Jürgen Hilling und Bernhard Theilmann.
Christian Schrapper: Und wer für das Bistum in der Kommission sitzt, entscheidet nicht das Bistum allein – darüber muss Einvernehmen hergestellt werden zwischen der Kommission und dem Bistum. Das sind zurzeit der Kirchenrechtler Thomas Schüller, der Historiker Thomas Großbölting und die Religionswissenschaftlerin Regina Laudage-Kleeberg.
Peter Tenbusch: Auch die Betroffenen-Initiative ist im Bistum Münster ja völlig unabhängig. Das war uns von Anfang an wichtig. Keiner ist vom Bistum benannt worden, sondern wir haben uns völlig frei selbst gefunden. Darum heißen wir auch nicht „Beirat“ oder „Betroffenen-Beteiligung“. Wir beraten auch nicht das Bistum, sondern wollen für die Betroffenen da sein. Darum war es wichtig, dass wir unsererseits Betroffene als Vertreter in die Kommission wählen.
Kirche+Leben: Herr Schrapper, Sie sind Vorsitzender der Aufarbeitungs-Kommission. Warum Sie? Was qualifiziert Sie?